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Campus und Forschung

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Auf der Suche nach dem Schlüssel der Sucht
Dagmar Möbius

Zwei Drittel aller Jugendlichen probieren irgendwann das Rauchen aus, doch nur die Hälfte davon kann problemlos wieder vom Nikotin lassen. 90 Prozent der Bevölkerung trinkt regelmäßig Alkohol, aber nur jeder Zehnte davon wird alkoholsüchtig. Warum ein Teil der Menschen abhängig von Zigaretten, Alkohol oder Drogen oder sogenannten nichtstoffgebundenen Reizen (wie dem Spielen) wird, andere aber nicht, wollen Wissenschaftler der TU Dresden im neu gegründeten Neuroimaging Center der Fachrichtung Psychologie genauer erforschen.

Seit 1. Oktober 2007 können die Wissenschaftler mit einem neuartigen, extrem leistungsfähigen Bildgebungssystem sichtbar machen, welche Prozesse bei der Suchtentstehung eine Rolle spielen. Der 3-Tesla-Magnetresonanztomograph ist in der Lage, durch Denken, Fühlen, Verhalten und Entscheiden hervorgerufene Hirnveränderungen detailliert darzustellen. Dabei erscheinen die aktivierten Hirnregionen je nach ausgeübtem Reiz in unterschiedlichen Farben. Für einige Untersuchungen wird der gesamte Körper auf Veränderungen gescannt – das alles ohne Strahlenbelastung.

„Deutschlandweit einzigartig ist, dass ein derart hochkomplexes System ausschließlich für Forschungszwecke eingesetzt wird“, erklärte der Sprecher des Suchtforschungsverbunds, Professor Hans-Ulrich Wittchen. Dadurch haben die Forscher wesentlich mehr Zeit für ihre Projekte, als wenn sie sich – wie im klinischen Alltag üblich – die oft durch diagnostische Routine überlasteten Geräte mit ihren klinisch tätigen Kollegen teilen müssten. Zudem unterliegen sie nicht den wirtschaftlichen Zwängen, die in der budgetierten klinischen Diagnostik beachtet werden müssen, und können effizient arbeiten.

Im neuen interdisziplinären Forschungszentrum, das vom Suchtforschungsprogramm des Bundesministeriums für Bildung und Forschung mit 3,4 Millionen Euro gefördert wurde, widmen sich mehrere Arbeitsgruppen verschiedenen Fragestellungen der Suchtentstehung. „Über die Folgen der Sucht wissen wir viel und auch die Definition der Sucht betont mittlerweile den Aspekt der Unkontrollierbarkeit – aber für die Entstehungsmechanismen einer Sucht haben wir mehr Hypothesen als Erklärungen“, informierte Gerhard Bühringer, Professor für Suchtforschung am Institut für Klinische Psychologie und Psychotherapie der TU Dresden. Kein anderes Forscherteam aus Grundlagenforschern der Psychologie, Suchtforschern, Klinischen Psychologen, Psychiatern, diagnostischen Radiologen und anderen Fachärzten arbeitet so vernetzt wie im Dresdner Neuroimaging Center.

Grundlagenforscher Professor Thomas Goschke interessiert sich mit seiner Arbeitsgruppe vor allem dafür, welche Gehirnregionen es dem Menschen ermöglichen, zielgerichtet, willentlich und langfristig zu denken und zu handeln, welche Regionen also für die Kontrollprozesse im Gehirn zuständig sind, und wie die komplexen Netzwerke miteinander kommunizieren und sich gegenseitig beeinflussen.

Jugendliche zu untersuchen ist besonders wichtig, weil in dieser Entwicklungsphase nicht nur viele neuronale und psychologische Veränderungen passieren, sondern auch eine riskante Zeit für den Beginn von Sucht- und Angsterkrankungen beginnt. Die Arbeitsgruppe von Privatdozent Dr. med. Michael Smolka untersucht, wie sich das jugendliche Gehirn entwickelt. Besonders interessant für die Forscher sind dabei die Bereiche, die für Emotion, Motivation und Kontrollfunktionen zuständig sind. Würde sich bestätigen, dass der Konsum von Alkohol, Nikotin oder illegalen Drogen die Entwicklung des Kontrollsystems im Gehirn stört, ließe sich erklären, warum Abhängigkeiten um so häufiger auftreten, je früher ein Kind oder ein Jugendlicher diese Substanzen konsumiert.

Weitere Projekte erforschen beispielsweise die Wirkung von Nikotin auf das Gehirn (PD Dr. Michael Smolka) bzw. auf die Gefäße (Dr. Christian Stroszczynski), Parallelen zwischen Spielsucht und Drogenabhängigkeit (Prof. Dr. Gerhard Bühringer) oder Zusammenhänge zwischen Angst und Suchterkrankungen (Dr. Ulrike Lüken).

Die Probanden für die derzeit 25 Forschungsprojekte werden über die Spezialambulanzen der TU Dresden (für Raucher bzw. Cannabisabhängigkeit), über Suchtberatungsstellen und Kliniken oder über Presseaufrufe rekrutiert.

Gelingt es, die „Wege in die Sucht“ weiter zu entschlüsseln, wären vollkommen neue Ansätze für Prophylaxe und Therapien denkbar. Professor Hans-Ullrich Wittchen äußerte sich angesichts seiner Mannschaft aus internationalen Spitzenforschern optimistisch: „Schon heute gehören wir zu den TOP 5 in Europa und zu den TOP 15 weltweit.“