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HATiKVA e.V., Dr. Nora Goldenbogen
Bildungs- und Begegnungsstätte für Jüdische Geschichte
Pulsnitzer Straße 10
01099 Dresden

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Absolventenporträts

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Die Hoffnung wird fünfzehn
Susann Mayer

„HATiKVA“ ist hebräisch und heißt „Hoffnung“. Hoffnung auf Verständnis und Toleranz – das ist das Anliegen der Bildungs- und Begegnungsstätte für jüdische Geschichte und Kultur in Sachsen, die sich deshalb diesen Namen gab und im Oktober 2007 auf fünfzehn Jahre Bestehen zurückblickt.

© H.Goehler (2): Der Stern an der neuen Synagoge in Dresden ist das einzige, was von der in der „Kristallnacht“ 1938 zerstörten Sempersynagoge übrig blieb
© H.Goehler (2): Der Stern an der neuen Synagoge in Dresden ist das einzige, was von der in der „Kristallnacht“ 1938 zerstörten Sempersynagoge übrig blieb
Hier trifft man sie, oft nur zwischen Tür und Angel – wenn überhaupt. Dr. Nora Goldenbogen ist unterwegs zwischen dem Verein HATiKVA und der jüdischen Gemeinde, deren Vorsitzende sie seit zwei Jahren ist; die promovierte Historikerin führt durch die Synagoge auf dem Hasenberg und spricht über jüdisches Brauchtum in Schulen. Ganz aktuell steckt die zierliche Endfünfzigerin mit in den letzten Vorbereitungen zur 11. Jiddischen Musik- und Theaterwoche, die am 18. Oktober in Dresden beginnt. „Initiator des Festivals ist das Rocktheater Dresden e.V. – wir leisten nur Unterstützung“, möchte sie ihren Anteil richtig stellen. „Die Musikwoche erfüllt nicht nur einen hohen künstlerischen Anspruch, sondern leistet einen wichtigen Beitrag zum Verständnis der jüdischen Kultur.“ Schon nach den ersten Festivals war es klar, dass die jiddische Sprache – und damit auch die fast vergessene Kultur der Ostjuden – in Dresden ein Zuhause hat.

Bildungsarbeit und Völkerverständigung sind die Grundlagen der Arbeit Dr. Goldenbogens, die sie als Jugendbildungsreferendarin des Vereins leistet. „Dabei kommt mir mein Studium zur Deutsch- und Geschichtspädagogin zugute“, reflektiert die Absolventin der ehemaligen Pädagogischen Hochschule (PH) Dresden. „Ich weiß, wie man Kinder und Jugendliche ‚bei der Stange‘ hält – ich würde sagen, ich hatte eine gute Ausbildung.“ Die Jahrzehnte als Lehrerin von (Berufs-)Schülern zeigten ihr: „Bei vielen herrscht trotz des Interesses eine gewisse Distanz gegenüber jüdischer Thematik“, so Dr. Goldenbogen. „Ich erkläre mir das mit der spärlichen Information über die jüdische Kultur in der DDR. Zwar wurde in der Schule gelehrt, dass die Nazis sechs Millionen Juden ermordet hatten, aber man erfuhr wenig vom jüdischen Volk, von seinen kulturellen Wurzeln und seiner Geschichte.“

Diesem damaligen und auch noch heutigen Defizit möchte HATiKVA abhelfen. Für Kinder und Jugendliche gibt es altersgemäß zugeschnittene Angebote, zu denen Vortragsveranstaltungen, Projektarbeiten und Exkursionen gehören und die als Ergänzung zum Ethik- und Geschichtsunterricht dienen. „Etwa 5000 Kinder und Jugendliche kommen jährlich zu uns, wir arbeiten mit einem festen Stamm an Schulen und Jugendträgern aus ganz Sachsen zusammen.“ Aber auch Weiterbildung für Lehrer wird angeboten, letztlich erst waren die Lehrer der Mittelschule Löbau in den Vereinsräumen am Lutherplatz.

© Die neue Synagoge in Dresden ist ein in sich nach Osten gedrehter Kubus (Gebetsrichtung nach Jerusalem). Die Würfelform orientiert sich an den ersten Tempeln der Israeliten.
© Die neue Synagoge in Dresden ist ein in sich nach Osten gedrehter Kubus (Gebetsrichtung nach Jerusalem). Die Würfelform orientiert sich an den ersten Tempeln der Israeliten.
Projektarbeit macht das Leben des Vereins aus, Projekte bestimmen damit das Berufsleben von Frau Dr. Goldenbogen – auch mit seinen Schattenseiten. „Ich begann 1990 an der PH (später TU Dresden) eine Promotion B – denn eigentlich wollte ich immer forschen. Für ein Geschichtsstudium gab es Ende der 60er kaum Plätze, so hatte ich den Umweg über das Pädagogikstudium machen wollen“, holt sie ein wenig aus. „Doch nach 1993 gab es kein Stipendium mehr, ich wurde arbeitslos, bekam später eine ABM, dann ein Projekt.“ Diese Ungewissheit setzt sich bis heute fort. „Als Verein haben wir kein festes Finanzbudget für Personal und wissen nicht, was wir im nächsten Jahr an Fördermitteln bekommen.“

Neben ihrem Engagement im Verein veröffentlicht sie jedes Jahr Artikel, auch Bücher und Sammelbände. „Ein wichtiges Thema war für mich ‚Juden in der DDR‘, besonders der ersten Nachkriegsjahre“. Nun arbeitet sie an einer Familienbiografie. Emigration der Eltern nach Frankreich, Verhaftung des (kommunistischen) Vaters und Transport nach Sachsenhausen, Rückkehr nach Dresden, der Heimatstadt des Vaters. Auch in der DDR gab es hin und wieder Irritationen wegen ihres Bekenntnisses zum Judentum. „Meine Mutter war rumänische Jüdin, sie pflegte das Brauchtum – wir begingen auch Pessach mit Mazze und koscherem Wein.“

Bei HATiKVA trifft man auf viele Mitglieder mit ähnlicher Biografie. Dies hilft – neben dem vereinseigenen spezifischen Bibliotheksangebot – auch TUD-Studenten zum besseren Verständnis der Thematik. „Manche bekommen hier die Erstinformationen zu ihren Belegarbeiten, manche werden von uns eine ganze Zeit lang dabei betreut“, antwortet sie auf die Frage, ob es zur Universität noch Verbindungen gibt. „Aber auch mit Geschichtsprofessoren gab es gemeinsame Projekte, z.B. mit Prof. Voit. Wünschen würde sie sich mehr Kooperation bei Forschungsthemen – „es bringt mehr Effekte, wenn man mehr voneinander weiß.“