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Wandel und Gesundheit: Genius Hellerau inspiriert auch TU-Wissenschaftler
Dagmar Möbius

Fotos (2): © Genius Hellerau e. V.
Wolf Lotter ist „gegen das Jammern auf Rezept“
Fotos (2): © Genius Hellerau e. V. Wolf Lotter ist „gegen das Jammern auf Rezept“
Viele Menschen haben Angst vor Veränderung. Aber Wandel ist erforderlich, wenn etwas besser oder manchmal einfach nur anders werden soll. Man sagt, ein Mensch wandelt sich alle sieben Jahre. Unternehmen müssen dies oft schneller tun. Doch haben sie dabei auch die Gesundheit ihrer Mitarbeiter im Blick? Was tun, wenn aus Anerkennungsverlusten Krankheiten werden? Führt gesellschaftlicher und medizinischer Wandel zur Diabetes-„Epidemie“? Kann Stress inspirieren?

Fragen, die im Dezember 2007 auf dem Symposium „Wandel und Gesundheit – Wandel gestalten in Leben und Arbeit“ im traditionsreichen Hellerau diskutiert wurden. Der Verein „Genius Hellerau – Werkstatt des Wandels e.V.“ initiierte die zweitägige Veranstaltung. Deutsche und internationale Entscheidungsträger aus Wirtschaft, Wissenschaft, Kultur und Politik, unter ihnen zahlreiche Angehörige der Technischen Universität Dresden, folgten der Einladung. Gemeinsam mit Künstlern setzten sie sich mit ungewohnten Perspektiven auseinander – aktuell mit Blick auf die Gesundheit.

Wolf Lotter, Journalist beim Wirtschaftsmagazin „Brand eins“, kann Ökonomie-Themen so verpacken, dass auch Laien sie interessant finden. Aus gutem Grund war er 2007 für den Goldenen Prometheus, den Preis für die Journalisten des Jahres, nominiert. In Hellerau sprach er über die „Illusionskrankheit – Wege aus der Intensivstation“ und nahm mit einer gesunden Portion Selbstironie das vom Kollaps bedrohte deutsche Gesundheitssystem unter die Lupe.

„Die Illusionskrankheit besteht darin, dass die Menschen meinen, die Dinge ändern sich nicht und wenn, dann nicht zu ihren Ungunsten“, beobachtete er. Symptome seien die Vorstellung, das Sozialsystem individuell ausbeuten zu können, ein Recht auf Top-Betreuung und Pflege, ein längeres Leben und auf Gesundheit als Garantiefall zu haben. Dabei scheine es, als gebe es mittlerweile Jammern auf Rezept. Nach aktuellen Studien glaubt die Mehrheit der Deutschen, Gesundheit sei eine Gewährleistungsfrage des Staates. Verantwortlich für das eigene Wohlbefinden fühlt sich weniger als ein Drittel der Befragten. Bedenkt man, dass rund die Hälfte aller angebotenen Gesundheitsleistungen angebotsindiziert, also nicht lebensnotwendig, ist, wird klar, dass Eigenverantwortung und Prävention noch lange nicht den Stellenwert haben, den sie haben müssten.

Wolf Lotter provoziert sicherlich, wenn er eine „Hypochondrie-Schockbehandlung“ fordert: Selbstbeteiligung hochsetzen, wahre Kosten offenbaren und Abgaben auf Skilifte, Mountainbike-Verleiher, Raftingagenturen, Mallorca-Abflugschalter und Schweinehaxen-Restaurants! Will heißen, wer ungesund lebt, Extremsport macht und dreimal im Jahr nach Mallorca fliegen kann, solle sich angemessen an den Gesundheitskosten beteiligen. Da sich die Deutschen laut Human-Development-Index im internationalen Vergleich nur auf Platz 20 bei der Frage wiederfinden, wie sie sich fühlen, scheint noch viel zu tun.

Prof. Stefan Bornstein während seines Vortrages über die „Diabetes-Epidemie“
Prof. Stefan Bornstein während seines Vortrages über die „Diabetes-Epidemie“
Das meint auch Professor Dr. Stefan Bornstein, Direktor der Medizinischen Klinik und Poliklinik III und des Zentrums für Innere Medizin am Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden: „Um der weltweiten Epidemie des Diabetes entgegenzutreten, bedarf es völlig neuer globaler Strategien und eines tiefgreifenden Wandels in der Gesellschaft.“

Mehrere Dresdner Gruppen beschäftigen sich mit Diabetesforschung. Und auch wenn man fast täglich Berichte über die Folgen unseres ungesunden Lebens mit all seinen Folgen Fettsucht, Insulinresistenz, Zuckerkrankheit, Bluthochdruck und Erkrankungen der Herzkranzgefäße liest, sieht oder hört und eigentlich jeder weiß, dass gesunde Ernährung, Bewegung und Gewichtsreduktion am effektivsten einer Diabeteserkrankung vorbeugen können, sieht das wahre Leben anders aus. Übergewicht und Fettsucht nehmen weltweit so zu, dass Mediziner die Alarmglocken läuten. Schon jetzt sind 60 Prozent der Menschen in der westlichen Welt übergewichtig oder fett. Die Wissenschaftler stehen vor dem Problem, dass Lifestyle-Programme und Gewichtsreduktionen langfristig nicht erfolgreich sind. „Die meisten Übergewichtigen nehmen nach einer Gewichtsreduktion rasch wieder zu und gefährden damit nicht nur ihre Stoffwechsellage, sondern haben auch ein erhöhtes Risiko für Herzkrankheiten“, so Professor Bornstein. Ursächlich wird in diesem Zusammenhang eine gestörte Stressregulation vermutet, denn ist der Cortisolspiegel erhöht, finden sich meist auch Adipositas, Glukoseintoleranz und eine Störung der Inselzellen in der Bauchspeicheldrüse. Eine relativ neue Erkenntnis ist, dass die Fettzellen im Körper Signalstoffe abgeben und direkt in die Regelkreise des Körpers eingreifen. Neueste Untersuchungen zeigten, dass sogar die Fettzellen am Herzen Stoffe abgeben, die die Kraft der Herzmuskelzellen beeinflussen und offenbar zu einer nachlassenden Herzmuskelleistung führen.

Vor den Forschern liegen noch viele ungeklärte Fragen. Beispielsweise wollen sie noch herausfinden, wie die Fettzellen im Körper mit den Nervenzellen im Gehirn über lange Distanzen hinweg kommunizieren. Wird die hormonelle Funktion des Fettes besser verstanden, können sich neue diagnostische und therapeutische Ansätze bei der Behandlung des metabolischen Syndroms ergeben.

Dennoch müssen nicht nur die Wissenschaftler für diese und alle anderen auf dem Symposium erörterten Themen neue Lösungswege erarbeiten. Jeder Einzelne kann mit dem Wechsel des Blickwinkels den Wandel beginnen. Die Impulse, die dazu aus Hellerau kommen, werden hoffentlich bald in aller Munde sein.