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Christiane Hillger und Dr. Nicole Wolfram
TU Dresden
Medizinische Fakultät Carl Gustav Carus
Forschungsverbund Public Health
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Zu viel Fleisch, Wurst und Süßes im Kita-Speiseangebot
Dagmar Möbius

Fotots (2): © H. Goehler
Fotots (2): © H. Goehler
Was auf den Tisch kommt, wird gegessen ... Zumindest in Kindertageseinrichtungen sollte diesem Rat kritisch begegnet werden. Eine 2007 veröffentlichte Studie des Forschungsverbundes Public Health Sachsen und Sachsen-Anhalt wies nach, dass die für kindgerecht gehaltene Ernährung nicht automatisch ernährungswissenschaftlichen Empfehlungen folgt.

Um es in den Worten von Dr. Nicole Wolfram zu sagen: „Das Angebot ist teilweise sogar als problematisch zu beurteilen.“ Die Erziehungswissenschaftlerin untersuchte gemeinsam mit der Ernährungswissenschaftlerin Christiane Hillger und weiteren Experten einer Forschungsgruppe, wie es um die Qualität des Speisenangebotes in sächsischen Kindertageseinrichtungen (Kitas) bestellt ist. Dabei schauten sich die Wissenschaftler an, welche Nahrungsmittel 4- bis 6-jährige, in Kindertageseinrichtungen betreute, Kinder angeboten bekommen. „Wir untersuchten das Angebot, nicht den tatsächlichen Verzehr“, betonte Dr. Nicole Wolfram auf einer Fachtagung für Ernährungsmedizin im Januar 2008 in Dresden. Einbezogen waren fünf Prozent aller sächsischen Kitas, insgesamt 130 Einrichtungen, die nach bestimmten Gemeindegrößeklassen gewichtet nach dem Zufallsprinzip ausgewählt wurden. Befragt wurden die Kita-Leitungen sowie die Eltern. Zudem wurden die Speisepläne über einen Zeitraum von vier Wochen analysiert. Die Kinder selbst wurden bezüglich Körpergewicht und Größe nicht untersucht. „Die vom Sächsischen Staatsministerium für Soziales und von der Sächsischen Landesanstalt für Landwirtschaft geförderte Studie kann als repräsentativ für Sachsen angesehen werden“, erklärte Dr. Wolfram.

Die Ergebnisse lassen aufhorchen. Waren Kinder, Eltern und Kita-Personal größtenteils mit dem Speisenangebot zufrieden, konstatierten die Forscher Änderungsbedarf. „Aus ernährungswissenschaftlicher Sicht können wir nicht zufrieden sein“, stellte Dr. Nicole Wolfram fest. „Die Empfehlung der sogenannten Bremer Checkliste nach einem Seefischgericht pro Woche wurde nur selten umgesetzt und auch frische Kartoffeln, Gemüse und Obst wurden zu selten angeboten.“

Die Bremer Checkliste dient als Orientierung für die Gestaltung des Wochenspeiseplans. Sie beruht auf den Empfehlungen der Optimierten Mischkost des Forschungsinstituts für Kinderernährung in Dortmund und zeichnet sich durch besonderen Praxisbezug aus.

Empfehlungen der Bremer Checkliste für einen Wochenspeiseplan (5 Tage):

  • 1 Fleischgericht
  • 1 Eintopf oder Auflauf (ohne Fleisch)
  • 1 Seefischgericht
  • 1 vegetarisches Gericht
  • 1 frei gewähltes Gericht (z. B. ein Fleischgericht, ein fleischfreies Gericht mit Vollkorngetreide oder ein süßes Hauptgericht)

zusätzlich:

  • mind. 2-mal frisches Obst
  • mind. 2-mal Rohkost oder frischer Salat
  • mind. 2-mal frische Kartoffeln


Obwohl nahezu alle Kinder ein Mittagessen in der Kita einnahmen (Ausnahmen waren in Nahrungsmittelallergien begründet), könne es nicht befriedigen, dass die Erzieher und anderes Kita-Personal nur unregelmäßig an den Mittagsmahlzeiten teilnehmen. Deren Vorbildfunktion könne so nur unzureichend erfüllt werden.

Der Blick in morgendliche Brotdosen offenbarte überwiegend vollwertige Kost wie mit Wurst oder Käse belegte Brote und Obst und Gemüse. Nur selten waren die Frühstücksbrote mit Nougatcreme oder Marmelade bestrichen und nur vereinzelt fanden die Kinder Schokoriegel oder andere Süßigkeiten zum Frühstück. Zum Vesper sah das schon anders aus: Es dominierten Kuchen, Kekse und anderes Gebäck.
Besonders bedenklich stimmte die Forscher allerdings die Analyse der angebotenen Getränke. In weit mehr als der Hälfte der untersuchten Einrichtungen konnten die Kinder ganztägig gezuckerten Tee zu sich nehmen. Abgesehen von den schädlichen (Langzeit-)Folgen für das kindliche Gebiss sei es unverantwortlich, Kinder dauerhaft an Süßgeschmack zu gewöhnen. „Es sind die Erwachsenen und nicht die Kinder, die den Tee süßen“, so Dr. Wolfram, die dafür plädiert, diese ungesunde Angewohnheit schnellstmöglich abzustellen. „Kinder akzeptieren das, wenn sie schrittweise immer weniger gesüßten Tee bekommen.“ Nicht immer ist Eltern oder Erziehern bewusst, wie sich Saft (100% Fruchtanteil) von Nektar (20 bis 25% Fruchtanteil) oder Fruchtsaftgetränk (6 bis 30% Fruchtanteil) unterscheidet und dass ein Liter Limonade 39 Stück (!) Würfelzucker enthält.

Insgesamt fanden die Forscher in ihren Untersuchungen bestätigt, was bereits die 2. Sächsische Verzehrstudie von 2006 herausfand: Auch in den sächsischen Kitas werden entgegen bekannter Empfehlungen des Dortmunder Forschungsinstitutes für Kinderernährung zu viel Wurst- und Fleischwaren und weit mehr Süßigkeiten verzehrt, als die tägliche Energiezufuhr erfordert.

Die Wissenschaftler fordern, neue Wege der interdisziplinären Zusammenarbeit zu finden bzw. bisherige auszubauen und Qualitätskriterien zu schaffen, die eine vollwertige, ausgewogene Ernährung in Kindertageseinrichtungen gewährleisten. Dies scheint auch vor dem Hintergrund, dass bereits jedes 6. Kind in Deutschland zu dick ist, dringend geboten.

Die Broschüre „Was bei Kindern auf den Tisch kommt ...“ mit den zusammengefassten Studienergebnissen kann bestellt werden bei:

Zentraler Broschürenversand der Sächsischen Staatsregierung
Tel.: 0351 2103671
E-Mail: Publikationen@sachsen.de

oder herunter geladen werden unter:
www.publikationen.sachsen.de