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Kerstin Fiedler
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Von der Molkerei zum Visagisten-Diplom
Dagmar Möbius

© privat: Visagistin Kerstin Fiedler
© privat: Visagistin Kerstin Fiedler
Biologie- und Chemie-Lehrerin wollte sie werden. Doch nach dem Abitur 1984 bekam die in Reichenbach in der Oberlausitz Geborene keinen Studienplatz. Auch nicht für die Alternative Mikrobiologie. Die Restplatzstudienvergabe empfahl ein Studium der Verarbeitungs- und Verfahrenstechnik. „Nach zwei Jahren können Sie in die Mikrobiologie wechseln“, sagte man ihr. „Gekauft, genommen“, entschied Kerstin Fiedler damals. „Heute würde man hinfahren und sich das ansehen“, wundert sie sich rückblickend.

Vor dem Studium absolvierte sie ein Praktikum in der Molkerei Niesky und erwarb in einem Jahr den Facharbeiterbrief für Milchwirtschaft. In dieser Zeit bekam sie erstmals Kontakt zur TU Dresden: „Die theoretische Ausbildung bestritten Lehrkräfte von der Uni, richtige Koryphäen waren das.“ Trotzdem war der Studieneinstieg eine echte Herausforderung für die Oberlausitzerin. „Ich kam doch aus der Kleinstadt und war so verklemmt, dass ich nicht mal jemanden nach dem Weg gefragt hätte“, schmunzelt sie. Heute unvorstellbar, aber eine gute Schule. „Nicht so eine Kuschel-Uni, man musste schnell selbstständig werden und sich kümmern“, fasst sie zusammen. An ihrer Fakultät gab es 17 Sektionen:„ Alles, was mit -technik endete." Kerstin Fiedler studierte Lebensmitteltechnik. „Die ersten zwei Jahre haben wir nur gezeichnet“, erinnert sie sich. „Ich kann heute noch technische Zeichnungen in allen Varianten machen.“ Während des Studiums absolvierte sie Praktika in verschiedenen Zweigen der Ernährungsbranche, beispielsweise in einer Brauerei und in der Fleischverarbeitung. Ihre Diplomarbeit befasste sich mit der Automatisierung der Bockwurstherstellung. „Ich habe noch lange danach keine Bockwurst gegessen“, lacht sie. Dennoch war immer klar, das Studium durchzuziehen. Wegen ihres ausgeprägten Geruchs- und Geschmackssinns ließ sie sich sogar nebenher in Sensorik ausbilden: „Das gab es früher nicht so wie heute, dass man permanent wechselt oder etwas hinschmeißt, nur weil man andere Vorstellungen hatte.“ Eine Fähigkeit, die ihr im weiteren Leben oft den Blick nach vorn erleichterte.

Ihre erste Stelle nach dem Studium führte sie ins Radebeuler Vadossi-Werk. Ein dreiviertel Jahr beaufsichtigte sie die Marzipanproduktion, kümmerte sich um den Einkauf und die Verkostung. Bis zur Insolvenz, 1991 war das. „Die Leute kauften lieber, was bunt und anders war, Hauptsache nicht aus dem Osten“, stellte sie fest und schlussfolgerte: „Viele gingen pleite, weil es keinen Vertrieb gab." Diese Erkenntnis führte sie in den Außendienst einer dänischen Käsefirma: „Ich war die Einzige im Betrieb, die wusste, wie Käse hergestellt wird.“ Ein knappes Jahr später stand sie betriebsbedingt wieder auf der Straße. Sie bildete sich weiter und bewarb sich. Immer wieder. Spricht sie über Erlebnisse aus dieser Zeit, kann sie einen ironischen Unterton nur mühsam unterdrücken. „Doch ich wusste, was ich kann und was ich wert bin“, sagt sie selbstbewusst. Im Studium habe sie gelernt zu reden, Eigenverantwortung zu übernehmen und am Ball zu bleiben. Ihre Zielstrebigkeit wurde belohnt. Sie betreute für die Krupps GmbH Solingen Groß- und Einzelhandels-Kunden, Fach- und Verbrauchermärkte in Sachsen und Brandenburg sowie bundesweite Fachmessen. In elf Jahren wurde sie mehrmals ausgezeichnet, so als„ Bester Verkäufer des Gebietes“ und „Bestes Vertriebsteam“. „Warum George Clooney gerade für eine bestimmte Espressomaschine Werbung macht, verstehe ich – es ist einfach die Beste“, so die 43-jährige.

Als das Unternehmen im Dezember 2002 insolvent ging und Kerstin Fiedler wieder arbeitslos wurde, beschloss sie einen Kurswechsel. „Der jahrelange Außendienst mit nicht selten 16-Stunden-Tagen hatte seine Spuren hinterlassen, ich wurde ernsthaft krank“, berichtet sie. In dieser Zeit beschäftigte sie sich mit Gesundheits- und Ernährungsthemen. Aus eigenem Interesse, wie sie zugibt: „Mich hat interessiert, wie ich wieder leistungsfähig werden und dann auch bleiben kann.“ Kurze Zeit darauf entschied eine Annonce über Kerstin Fiedlers weiteren Weg. Sie las von einer Ausbildung zur Wellness-Trainerin und informierte sich am Tag der offenen Tür im IBB-Institut Dresden, ob die Ankündigungen halten, was sie versprechen. „Wellness war ja damals in aller Munde, aber dort hatte man kompaktes Wissen zu erwarten, über Fitness, Ernährung, Kosmetik und Entspannung.“ In den kommenden 16 Monaten erwarb die optimistische Diplom-Ingenieurin den Abschluss als Wellnetikerin, spezialisierte sich in Massagen, erwarb die Trainerlizenz bei Kieser Training, frischte ihre Englischkenntnisse auf, lernte Spanisch und trainierte den Verkauf.

Im November 2005 gründete sie ihre eigene Firma, die „Wohlfühlwelt“. Seitdem führt sie im Dresdner Szene- und Kneipenviertel Neustadt ganzheitliche Pflege- und Stylingberatungen durch, erstellt individuelle Ernährungsprogramme, leitet Fitnesstrainings und gibt Entspannungsmassagen. Als Masseurin fing sie an, nach und nach kamen die Schienen Ernährung, Schönheit und Pflege hinzu.
„Visagisitik macht viel Spaß, weil man mit nichts oder fast nichts in einer halben Stunde einen neuen Menschen schaffen kann“, schwärmt sie. Das gilt allerdings nur für die Schönheitsverwandlungen. Bewegung und Ernährung erfordern einen längeren Atem. „Ich erfülle die Wünsche der Kunden, indem ich ihnen zeige, wie sie ihre Ziele erreichen. Machen muss der Kunde allein, aber natürlich unter meiner Anleitung“, erklärt sie das Gesamtkonzept „Wohlfühlwelt“. Dafür kooperiert sie mit Personaltrainern, Sport- und Gesundheitsanbietern.
Einen ehrgeizigen Plan will sie noch im September zum erfolgreichen Abschluss bringen: das Diplom als Visagistin ablegen. „Ich müsste das nicht machen, aber jetzt bin ich so weit gekommen, das ist eine Belohnung fürs Selbstwertgefühl“, begründet sie.

Ohne ihr Studium an der TU Dresden wäre ihr Weg möglicherweise anders verlaufen. „Die Erkenntnis, dass man nicht alles wissen muss, aber eine Ahnung haben, wo es steht, ermöglichte mir, in möglichst kurzer Zeit in einer fremden Branche am Ball zu sein.“ Sie geht sogar noch weiter und behauptet: „Ohne meine Studienjahre hätte ich die Wende sicher nicht so gut verkraftet. Es hat sich ja gezeigt, dass mir alle meine Kenntnisse genutzt haben.“

Einige wenige Kontakte zu früheren, heute in aller Welt verstreuten, Kommilitonen bestehen noch. Und Kerstin Fiedler ist Ehrenmitglied im ehemaligen Studentenclub „Club10“, heute Novitatis. „Einmal jährlich fahren jung und alt gemeinsam zelten, das ist schön.“ Die studentische Initiative Paul e.V. der TU Dresden hat zu ihr Kontakt aufgenommen und weitere berufliche Pläne hat Kerstin Fiedler sowieso. Die heißen für 2009: Studioerweiterung. Kaum zu glauben, dass die selbstbewusste, redegewandte Unternehmerin einst als schüchterne Molkereipraktikantin im Hörsaal stand.