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Fachrichtung Biologie
Prof. Günter Vollmer
Tel. 0351 463-31922

Guenter.Vollmer@tu-dresden.de

Wissenschaft und Technik

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Mit Rhabarber und Engelswurz durch die Wechseljahre
Susann Mayer

Angelica archangelica ist mit dem chinesischen Engelwurz nah verwandt
Angelica archangelica ist mit dem chinesischen Engelwurz nah verwandt
Als klassische Therapie gegen Beschwerden in den Wechseljahren galt jahrelang die Behandlung mit Hormonen, zum Beispiel mit Östrogenen oder Kombinationspräparaten aus Östrogenen und Gestagenen. Dann wiesen amerikanische und britische Forscher nach, dass bestimmte Hormontherapien das Brustkrebsrisiko steigern. Seitdem sind pflanzliche Präparate wieder stärker in den Fokus der Anwender und der Forscher gerückt, auch wenn die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe solche Präparate aufgrund fehlender Studienergebnisse derzeit nicht bewertet.

Prof. Günter Vollmer von der Fachrichtung Biologie der TU Dresden erforscht mit seiner Arbeitsgruppe unter anderem die Wirksamkeit und die Sicherheit solcher pflanzlicher Substanzen – mit Fördermitteln der Deutschen Forschungsgemeinschaft, aber auch mit Geldern von industriellen Partnern. Die Ergebnisse der wissenschaftlichen Studien zur Wirksamkeit pflanzlicher Medikamente hält er für widersprüchlich und lückenhaft. „Nur für wenige dieser Präparate gibt es überhaupt Resultate aus klinischen Studien. Allgemein gesprochen scheint sich vielleicht eine leichte Tendenz abzuzeichnen, die eine Wirksamkeit vermuten ließe, aber das ist noch offen“, sagt Prof. Vollmer nüchtern. „Nach wie vor bestehen für die Wissenschaftler erhebliche Wissenslücken; und zwar sowohl, was die chemische Natur der Inhaltsstoffe der Heilpflanzen betrifft als auch, auf welchem Weg sie auf die Zielzellen und -organe einwirken und dabei die oft recht unspezifischen Symptome lindern können, die mit der hormonellen Umstellung in den Wechseljahren einhergehen, wie. z.B. plötzliche Hitzewallungen oder auch allgemeine Schlafstörungen.“ Andere Behauptungen von Herstellerfirmen speziell aus dem Nahrungsmittelergänzungsbereich – etwa, dass solche Mittel gegen Tumore oder Osteoporose helfen – können laut Vollmer mit den existierenden Literaturdaten nicht belegt werden. Bedenken äußern die Wissenschaftler momentan vor allem bezüglich der Sicherheit alternativer Präparate auf Soja-, Rotklee- oder Hopfenbasis. Das Bundesamt für Risikoforschung hat etwa kürzlich für sojahaltige Nahrungsergänzungsmittel eine Sicherheitswarnung herausgegeben. Auch auf diesem Gebiet gibt es also für die Dresdner Forscher viel zu tun.

So hat Prof. Vollmer jetzt ein Projekt begonnen, dessen Ziel es ist, die pflanzlichen Präparate Europas und der Traditionellen Chinesischen Medizin vergleichend zu betrachten und so vielleicht gemeinsamen Wirkmechanismen auf die Spur zu kommen. Finanziert wird das Projekt von der Robert Bosch Stiftung im Bereich „Wissenschaftsbrücke China“.

Auf europäischer Seite sollen dafür beispielhaft ein Heilpflanzenextrakt auf der Basis vom Rhapontik-Rhabarber (Rheum rhapontikum) sowie mehrere Inhaltsstoffe aus weiteren Heilpflanzen (z.B. Isoflavone aus Soja oder Naringenine aus Hopfen) betrachtet werden. Die chinesischen Partner erforschen eine Pflanze, die in Asien angeblich schon seit 3000 Jahren bei Wechseljahresbeschwerden eingesetzt wird: den chinesischen Engelswurz, „Angelika Sinensis“. Gemeinsam wollen die Wissenschaftler untersuchen, ob für die pflanzlichen Medikamente überhaupt eine biologische Aktivität als Voraussetzung einer eventuellen klinischen Wirksamkeit gezeigt werden kann.

© Prof. Vollmer: Die „Wissenschaftsbrücke China“ erforscht pflanzliche Arzneimittel
© Prof. Vollmer: Die „Wissenschaftsbrücke China“ erforscht pflanzliche Arzneimittel
Im Januar ist Prof. Vollmer zu einem ersten Treffen nach Hongkong zu seinem Kollegen Prof. Karl Wah-Keung Tsim an der Hongkong University of Sciences and Technology geflogen, um die anstehenden Workshops sowie zukünftige Forschungsthemen zu besprechen. In der Zwischenzeit sind die Aktivitäten auf beiden Seiten voll angelaufen. Die erste Dresdner Studentin Susann Ludwig absolviert zurzeit ein zweimonatiges Laborpraktikum an der Hong Kong University of Science and Technology.

In Prof. Vollmers Arbeitsgruppe werden Untersuchungen zu molekularen Mechanismen der Wirkung von Extrakten aus traditionellen chinesischen Heilpflanzen durchgeführt. Der Höhepunkt der bisherigen Aktivitäten war ein sehr erfolgreicher, gemeinsamer Workshop, der im Herbst in Dresden mit europäischen und chinesischen Partnern unter dem Thema „Scientific bridge to China – bridging the gap of knowledge“ und dem Untertitel „Bioactive principles from (traditional) medicinal plants and nutrients“ durchgeführt wurde. Es gelang, die Profilbildung zukünftiger Forschungsaktivitäten auf die Bereiche traditionelle Heilpflanzen und Wechseljahresbeschwerden bzw. Heilpflanzen und Neuroprotektion deutlich zu fokussieren. Der Verlauf des Treffens war so erfolgreich, dass Prof. Tsengtao Wang aus Shanghai sich spontan bereiterklärte, ein Nachfolgemeeting nächstes Jahr in seiner Heimatstadt zu organisieren. Darüber hinaus wurde Prof. Tsim und Prof. Vollmer ein gemeinsames DAAD-Projekt bewilligt, so dass der Austausch von Studierenden bzw. Dozenten der beteiligten Institutionen in den beiden kommenden Jahren noch deutlich intensiviert werden kann.

„Hongkong ist wissenschaftlich ein sehr spannender Platz für alle diejenigen, die sich chemisch oder biologisch für bioaktive Prinzipien in Heilpflanzenextrakten aus Produkten der Traditionellen Chinesischen Medizin interessieren. Ich bin auch gern bereit, erste Kontakte für Interessenten zu vermitteln“, so Prof. Vollmer.