Artikelsuche

Rubrik: Autor:

Institutionen und Vereine

Url senden | Seite drucken

Wie der WIMAD Dresdens Schokoladenseite entdeckt
Susann Mayer

Von der Carlberla’schen Zuckersiederei über die Schokoladenfabrikanten Jordan und Timaeus bis hin zu Elbflorenz und Dr. Quendt – das Herz Deutschlands ist süß und schlägt in Dresden.

Gemeint ist die Dresdner Schokoladen-, Süß-, und Dauerbackwarenindustrie, der bis zum 15. April 2012 eine Ausstellung im Sächsischen Industriemuseum in Chemnitz gewidmet ist. Schwerpunkt von „Das süße Herz Deutschlands – Sachsens Schokoladenseite" ist die Geschichte der sächsischen Schokoladenindustrie. Ein Ausstellungsstück der besonderen Art ist die kürzlich von der TU Dresden rekonstruierte älteste Milchschokolade der Welt. Historische Werbetafeln und Verpackungen gibt es genauso wie Wissenswertes zum Dresdner Verpackungsmaschinenbau. Auch das Besucher können das Originalmodell einer Schokoladenfabrik sehen, die die Heidenauer Maschinenfabrik Lehmann (ehemals VEB Maschinenfabrik Heidenau) einst in die UdSSR exportiert hat oder auch eine Bonboneinschlagmaschine von 1953.

© H. Goehler (2); Schon 1912 verschickte die Dresdner Firma der Gebrüder Hörmann ?Russisch Brot" an Kunden. Heute stellt die Firma Dr. Quendt das Gebäck her. Firmengründer Dr. Hartmut Quendt ist TUD-Absolvent der Lebensmittelmitteltechnologie.
© H. Goehler (2); Schon 1912 verschickte die Dresdner Firma der Gebrüder Hörmann ?Russisch Brot" an Kunden. Heute stellt die Firma Dr. Quendt das Gebäck her. Firmengründer Dr. Hartmut Quendt ist TUD-Absolvent der Lebensmittelmitteltechnologie.
Die Geschichte des „Schokoladenlandes Sachsen" reicht gut 170 Jahre zurück. Diese aufzuarbeiten und in die Ausstellung münden zu lassen ist der langjährigen Forschungsarbeit des Vereins WIMAD e.V. zu verdanken. WIMAD steht für „Verein für Wissenschaftler und ingenieurtechnische Mitarbeiter Dresden" und wurde 1995 von Dr. Konrad Winkler als Initiative Erwerbsloser mit Hochschulabschluss gegründet. Ziel war es, arbeitslose Akademiker wieder auf den 1. Arbeitsmarkt zu bringen. Heute steht der Begriff WIMAD vor allem für historische Projektarbeit zur Technikgeschichte Sachsens. Sei es zum Leben und Wirken Traugott Bienerts, zur Geschichte des Dresdner Gartenbaus oder zur Chronik der Buschmühle – der WIMAD leistet mit seiner ehrenamtlichen Forschung einen unverzichtbaren Beitrag zur regionalen Industriegeschichte.

KONTAKT-Redakteurin Susann Mayer befragte Dr. Jürgen Rieß, Vorsitzender des WIMAD.

Dr. Rieß, was ist der Beweggrund für die Mitglieder des WIMAD, ehrenamtlich intensiv zu forschen?
Kernpunkt allen wissenschaftlichen Arbeitens ist die Neugier – also die Gier, Neues zu entdecken. Diese Grundeinstellung ist unabhängig vom formalen Beschäftigungsstand. Daher widmen sich die Mitglieder von WIMAD ehrenamtlich engagiert den Forschungsaufgaben, auch wenn die Resonanz oftmals eher bescheiden ausfällt.

Befasst sich der WIMAD ausschließlich mit sächsischer Technikgeschichte?
Da die Mehrzahl unserer Mitglieder aus technischen Berufen kommt, war der Schwerpunkt Technikgeschichte naheliegend, meist sind Technikfragen der Auslöser für unsere Arbeitsbereiche. Doch die werden dann in jeder sich ergebenden Richtung weiterverfolgt. Beispiele sind die Entwicklung des Plauenschen Grundes von einem idyllischen Jagdgebiet zu einer blühenden Industrieregion, die Kartierung und statistische Landesaufnahme Sachsens in den Sächsischen Meilenblättern und den dazugehörigen Beilagen, die Geschichte der Wasserversorgung Dresdens, die Geschichte des Dresdner Gartenbaus. Die Liste ließe sich noch fortführen, es sollte aber genügen um klarzustellen, dass wir nicht bei der Technikgeschichte stehen bleiben.

Süßwaren-Verpackungen im Wandel der Zeiten.
Süßwaren-Verpackungen im Wandel der Zeiten.
An der TU wird ja auch verschiedentlich im Uniarchiv oder im Lehrstuhl für Technik- und Technikwissenschaftsgeschichte historisch geforscht. Hat der WIMAD dort Projektpartner?

Bei der Bearbeitung der Geschichte des Verpackungsmaschinenbaus gelang eine Kooperation mit dem Lehrstuhl für Verarbeitungstechnik, die Arbeit an den Beilagen der sächsischen Meilenblätter ging auf eine Anregung von Professor Blaschke vom Institut für sächsische Geschichte zurück. Meist ist die Zusammenarbeit mit Instituten der TU eher zäh, da die Interessenlage doch sehr unterschiedlich ist. Vielleicht ist jedoch die gelungene Zusammenarbeit mit dem Lehrstuhl für Lebensmitteltechnik bei der Rekonstruktion der ersten Milchschokolade und der intensive Kontakte im Vorfeld der Ausstellung „Das süße Herz Deutschlands" mit der sächsischen Landes- und Universitätsbibliothek der Beginn einer „neuen Freundschaft".

Die Forschung zur Geschichte der Dresdner Süßwarenindustrie ist ja nun gerade in die genannte Sonderausstellung in Chemnitz gemündet. Wie und wo wurden andere Projekte publiziert?
Die meisten Ergebnisse liegen nur als unveröffentlichte Berichte vor, Ausnahmen sind Broschüren zum Lehrpfad im Plauenschen Grund und Zeitungsartikel zu den Beilagen der sächsischen Meilenblätter. Ferner konnten in Artikelserien in Stadtteilzeitungen und Heimatforscherorganen die Arbeitsergebnisse einem breiteren Publikum präsentiert werden. Es gab ferner mehrere Ausstellungen zur Süßware, dem Verpackungsmaschinenbau, der Wasserversorgung und Präsentationen auf dem Markt für Dresdner Geschichte und Geschichten. Für größere eigene Publikationen fehlen uns bislang die Mittel, um bei den Druckkosten in Vorleistung zu treten.

In der Vorbereitung der Ausstellung in Chemnitz entdeckte der WIMAD eine Annonce von 1839 zur ersten Milchschokolade der Welt, die von Jordan & Timaeus entwickelt wurde. Kürzlich konnte diese Schokolade von der TU rekonstruiert werden. Gibt es andere sensationelle Funde, die der WIMAD gemacht hat?
Es gibt andere sensationelle Funde, die aber bei weitem nicht so spektakulär sind. Es gelang beispielsweise durch intensive Auswertung von Archivmaterial die verschollen geglaubten Anweisungen zur Aufnahme der Beilagen der Meilenblätter sowie die Kartenlegenden ausfindig zu machen. Ebenso konnten bei den Recherchen zur Wasserversorgung angeblich verschollene Karten aus dem 17. Jahrhundert wiederentdeckt werden. Diese und auch die weniger sensationellen Ergebnisse würden wir auch gerne einer größeren Lesergemeinde zugänglich machen, doch fehlen uns zurzeit die Mittel für eine Anschubfinanzierung.

Danke für das Gespräch, Dr. Rieß!