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Deutsches Institut für Animationsfilm (DIAF)
André Eckardt

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Der Mann der Traumschmelze
Andreas Körner

Die Zeit ist knapp, als wir uns mit André Eckardt verabreden. Seine Zeit ist immer knapp vor Beginn des alljährlichen internationalen Festivals „Filmfest Dresden“, bei dem das Deutsche Institut für Animationsfilm (DIAF) mit eigenen Programmen sowie mit der Ausstellung „Traumschmelze – Der deutsche Zeichenanimationsfilm 1930 – 1950” beteiligt ist. André Eckardt arbeitet seit 2008 als Geschäftsführer des DIAF, sein Weg dorthin begann jedoch an der TU Dresden (TUD).

© DIAF; Poster der aktuellen Ausstellung „Traumschmelze"
© DIAF; Poster der aktuellen Ausstellung „Traumschmelze"
Von 1993 bis 2001 hat er hier Anglistik und Amerikanistik studiert. Er wusste, dass die Geisteswissenschaften an der TUD eher ein Nischendasein führen, doch Nische heißt immer auch Freiraum.

Eckardt: „Mein Interesse am Film war enorm, und durch die Gastprofessorin Theresa Grisham kamen neue Impulse. Sie hat mich zum Beispiel mit den Werken von Douglas Sirk zusammengebracht. Ein Austauschsemester in Brighton, wo es eine Cinemathek gab, in der experimentelle Animationsfilme hoch und runter liefen, war schließlich der Punkt auf dem i.“ 1998/99 belegte Eckardt in Brighton besagtes Semester. Lächelnd sagt er, dort sei er „verdorben worden.“ Kein Wunder, existierten in Deutschland doch zu dieser Zeit kaum vergleichbare Orte und Gelegenheiten, sich dem experimentellen zeitgenössischen und historischen Animations- und Kurzfilm so intensiv hinzugeben. Hier gibt es zwar jede Menge Filmmuseen, auch Festivals, die Konzentration der Avantgarde in der „Brighton Cinematheque“ aber war einzigartig.

Wieder in Dresden und wieder an der TUD, ging der 1973 in Berlin geborene André Eckardt daran, seine Magisterarbeit vorzubereiten. Auf 3sat hatte er den Film „Institute Benjamenta“ von Timothy und Stephen Quay gesehen. Schnell war ihm klar, dass er genau darüber schreiben wollte. Sein Professor hatte ein Einsehen, obwohl die Quays US-Amerikaner sind, die aber schon lange Zeit in London leben. Auch „Jakob von Gunten“, die literarische Vorlage für den Spielfilm mit Animationssequenzen, kam von Robert Walser, also einem Schweizer. Nicht unbedingt typisch für eine Magisterarbeit in Anglistik. Immer wieder Shakespeare ist aber selbst für „Profs“ langweilig genug. Eckardt: „Meine Magisterarbeit habe ich also über die Gebrüder Quay geschrieben, die ja absolute Koryphäen sind.“ Ein früher Höhepunkt für ihn, mit Fingerzeig auf seine neue Arbeit, war die inhaltliche Betreuung einer Quay-Retrospektive beim Filmfest Dresden, zu der die Brüder persönlich kamen und Eckardt Rede und Antwort standen.

© privat; Andrè Eckardt ist Geschäftsführer des Deutschen Institutes für Animationsfilm.
© privat; Andrè Eckardt ist Geschäftsführer des Deutschen Institutes für Animationsfilm.
2001 – das Studium an der TUD ist erfolgreich beendet. Und nun? André Eckardt bleibt der Universität zunächst verbunden und arbeitet als Koordinator beim Fremdsprachenzertifizierungssystem für Hochschulen UNIcert. Eckardt: „In Dresden war das Deutsche Institut für Animationsfilm nicht weit. Ich begann hier zunächst, Filmreihen zu kuratieren, dann wurde 2005 eine halbe Stelle als wissenschaftlicher Mitarbeiter frei.“ Er wächst immer mehr zum Vermittler des deutschen Animationsfilms heran, gibt Vorträge, organisiert auf nationalem und internationalem Terrain Themenprogramme und 2005 eine Konferenz der „Society for Animation Studies“ in Dresden, arbeitet an Publikationen.

2008 geht Sabine Scholze, die verdienstvolle Mitgründerin und Chefin des DIAF, in den Ruhestand. André Eckardt übernimmt. „Drei Jahre konnte ich noch zusammen mit Sabine Scholze arbeiten – sie mit ihrem DEFA-Hintergrund, ich mit meiner Sicht auf neue Entwicklungen. Es ging uns beiden darum, das DIAF zu internationalisieren. Nach 2008 habe ich diese Tendenz fortgeführt und eher experimentellen Ansätzen verstärkt.“

Das Deutsche Institut für Animationsfilm wurde im November 1993 ins Leben gerufen. Hauptgrund für diese ambitionierte Initiative war lange Zeit das Bewahren eines wesentlichen Stücks deutscher Filmgeschichte, denn Dresden galt von 1955 bis 1990 mit dem DEFA-Trickfilmstudio als Hochburg der Trickfilm-Produktion. Heute will das DIAF ein weitgreifendes Netzwerk zum gesamtdeutschen Animationsfilm sein. Eckardt beschreibt es wie folgt: „Die Arbeit des DIAF hat drei Säulen: Erforschung/Recherche, Archivierung/Sammlung sowie das Öffentlichmachen in Form von Ausstellungen, Filmreihen oder Buch- und DVD-Publikationen. Der Begriff ‚Institut’ ist dabei wohl durchaus etwas verwirrend, denn uns erreichen gelegentlich Anfragen von Menschen, die im DIAF Animationsfilm studieren wollen. Das übrigens wäre der große Traum für eine vierte Säule, denn das kleine Fundament des DIAF ist ein mit drei bis fünf Teilzeitkräften arbeitender Verein.“

Angesehen ist das DIAF heute durch die Verbindung von Alt und Neu. Der Nachlass mit künstlerischen Materialien und über 2000 Filmen wird nicht mit dem „Ausbau eines Mausoleums“ gleichgesetzt, sondern ist mehr und mehr Grundlage für Beziehungen zum Zeitgenössischen. Eckardt: „Etwas Skurriles haben wir übrigens in Sachen „Sandmännchen“ erlebt. Viele meinen ja, dass der DDR-Abendgruß in Dresden hergestellt wurde, was nicht stimmt, also haben wir hier auch nicht den Bestand. Vor sechs Jahren allerdings haben wir vom Vater des West-Sandmännchens ein Sammlungskonvolut übernehmen können. Es ist gut, dass wir nicht auf den Ostbereich fixiert sind und auch nicht mehr darauf fixiert werden, denn Grenzgänge gibt es längst, beispielsweise gemeinsam mit dem bedeutendsten deutschen Animationsfilmfestival in Stuttgart. Überregional und international haben wir einen weitaus größeren Stellenwert als Forschungsstätte. Unser Alleinstellungsmerkmal ist eben, dass es keine vergleichbaren Einrichtungen gibt, die sich explizit und so intensiv mit dem Animationsfilm und seiner Geschichte beschäftigen. Wir füllen eine Nische aus und können mit Fug und Recht behaupten, eine der größten Animationsfilmsammlungen in Deutschland zu besitzen.“

© DIAF - Sammlung J. P. Storm; Zeichenphasen und Hintergrund von Werner Bernhardy zum Werbefilm „Afro auf Reisen” (1941) für Bonbons der sächsischen Afro-Werke
© DIAF - Sammlung J. P. Storm; Zeichenphasen und Hintergrund von Werner Bernhardy zum Werbefilm „Afro auf Reisen” (1941) für Bonbons der sächsischen Afro-Werke
Bis 1. September 2013 ist in den Technischen Sammlungen Dresden die aktuelle Ausstellung des DIAF zu sehen, eine großartige Kollektion aus brisanter Zeit: „Traumschmelze – Der deutsche Zeichenanimationsfilm 1930–1950“. DIAF-Chef und Fachmann Eckardt weiß um die Exklusivität der Exposition: „Das Spektrum reicht von der Avantgarde bis zur angewandten Kunst, von Werbefilmen bis zur scharfen Propaganda. Diese komplexe Mischung hat uns sehr lange beschäftigt. Es ist ein facettenreiches Bild mit vielen Graustufen entstanden. Wir waren sehr überrascht, dass es in dieser Periode mehr Kontinuitäten gab als Brüche. Und wir beziehen erstmals auch die Dresdner Boehner-Filmproduktion mit ein, die im Werbebereich der 1930er- und 1940er- Jahre sehr aktiv war und das Gebäude aufgebaut hat, in das später das DEFA-Trickfilmstudio eingezogen ist. Auch so schließt sich ein Kreis.“

Für André Eckardt persönlich hat sich der Kreis vom beförderten Interesse für Film durch eine TU-Gastprofessorin bis hin zur tagtäglichen Beschäftigung mit dem Metier geschlossen. Zunächst.