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TU Dresden
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Als die HfV zur TUD-Fakultät wurde
Prof. Dr. Dr. Manfred Zschweigert

Der Studienstandort Dresden ist eng verflochten  mit der wechselvollen Geschichte der Hochschule für Verkehrswesen „Friedrich List” (HfV). Der letzte HfV-Rektor Prof. Manfred Zschweigert reflektiert dazu:
 
© privat; Imma 1968: vorn (v.l.n.r.): Hubert Egemann (Leiter der Abteilung Verkehrs- und Verbindungswesen beim ZK der SED), Ehefrau von Rektor Müller, Rektor Prof. Horst-Guido Müller, Herman Tschersich (Staatssekretär für Hoch- und Fachschulwesen).
© privat; Imma 1968: vorn (v.l.n.r.): Hubert Egemann (Leiter der Abteilung Verkehrs- und Verbindungswesen beim ZK der SED), Ehefrau von Rektor Müller, Rektor Prof. Horst-Guido Müller, Herman Tschersich (Staatssekretär für Hoch- und Fachschulwesen).
Die Verkehrswissenschaft kann in Dresden auf eine wahrlich lange Tradition zurückblicken. Sie beginnt mit Andreas Schubert („Saxonia“), der ab 1832 als Professor an der Technischen Bildungsanstalt in Dresden wirkte, und setzt sich mit Persönlichkeiten wie Claus Koepcke („Blaues Wunder“) und Otto Mohr fort. Im Jahr 1934 kam Hans Reingruber als Professor für Eisenbahn- und Verkehrswesen an die TH Dresden (THD). Nach dem Zweiten Weltkrieg wirkte er wieder als Lehrstuhlinhaber und zudem als (parteiloser) Verkehrsminister in der 1. DDR-Regierung bis 1953. Er konnte somit wesentlichen Einfluss auf die Gründung der lang angestrebten Fakultät für Verkehrswissenschaften nehmen, die 1950 nach langem Bemühen erfolgte.
 
Der jungen DDR wurden enorme Aufbauleistungen abverlangt, so auch dem durch Krieg und Reparationen zerrütteten Verkehrswesen. Es fehlte an akademisch ausgebildeten Führungskräften, den Bedarf konnte die junge Fakultät nicht decken. Auch daher wurde – wiederum unter maßgeblichem Einfluss von Hans Reingruber – 1952 die Fakultät Verkehrswissenschaften aus der THD herausgelöst und damit zur Keimzelle der neu gegründeten HfV. Die wissenschaftliche Profilierung der HfV geschah zielstrebig. Bereits im Studienjahr 1953/54 gab es drei Fakultäten, bald waren es sechs. Zum 10. Jahrestag erhielt die HfV 1962 den Ehrennamen „Friedrich List“.

© privat; Prof. Alfred Tarski (vorn r.) im Gespräch mit Teilnehmern der Verkehrswissenschaftlichen Tage 1972.
© privat; Prof. Alfred Tarski (vorn r.) im Gespräch mit Teilnehmern der Verkehrswissenschaftlichen Tage 1972.
Spätestens in den 1980er-Jahren zeigten sich an den wissenschaftlichen Einrichtungen die wirtschaftlichen Grenzen des Systems, gerüchteweise sprach man sogar von einer Einbindung der HfV in die TU Dresden (TUD). Zu Beginn der friedlichen Revolution wurde bereits im Oktober/November 1989 der HfV-Rektor wegen unangemessener Maßregelung aufbegehrender Studenten zum Rücktritt gezwungen. Die komplizierte, aber notwendige  Neubewertung des Personals vollzog sich in den entsprechenden Kommissionen der HfV in gleicher Weise wie an der TUD.

Mit der Bestätigung der HfV als anerkannte Lehr- und Forschungsstätte im wiedergegründeten Freistaat Sachsen wurden nunmehr die Studienrichtungen den neuen Anforderungen und Möglichkeiten angepasst und die Fakultät Wirtschaft und Verkehr neugegründet.

Die hohe Konzentration von Hochschulen im neuen Freistaat löste natürlich schon Sorgen um den Erhalt der Einrichtungen aus. Inzwischen entwickelte sich die HfV trotz der genannten Unsicherheiten erstaunlich gut, der Zuspruch und das Interesse an dieser Einrichtung waren positiv. Unter anderem besuchte uns zu dieser Zeit der amtierende EG-Verkehrskommissar Karel van Miert, der auch abtastete, inwieweit HfV-Forschungserkenntnisse für die europäische Verkehrspolitik nutzbar gemacht werden könnten. Von westdeutschen Konzernen und Industrieunternehmen konnten reichlich Forschungsaufträge eingeworben werden, sodass die HfV allein von Januar bis September 1992 rund 8,8 Mio. DM aus Drittmitteln einnahm. Das war beispiellos. In dieser Zeit wurde das Friedrich-List-Forum als Förder- und Freundeskreis gegründet, das vor allem als Begegnungsstätte zwischen Verkehrswissenschaft und Verkehrswirtschaft beziehungsweise Verkehrsindustrie diente. Dafür wurden viele hervorragende Persönlichkeiten gewonnen.

© sum; HfV-Professor Armin Godau war Mitinitiator der 1. Sächsischen Tourismustage 1990.
© sum; HfV-Professor Armin Godau war Mitinitiator der 1. Sächsischen Tourismustage 1990.
Auch die HfV entging 1991 nicht der obligatorischen Evaluierung durch eine Kommission des Wissenschaftsrates. Im Ergebnis wurde die Einrichtung als akademische Hochschule mit Promotions- und Habilitationsrecht bestätigt. Das machte uns zunächst viel Mut, aber alsbald empfahl der Wissenschaftsrat die Fortführung der wissenschaftlichen Ausbildung an einer neuen Fakultät der TUD. Gegen diese Empfehlung protestierten nicht nur die Hochschulleitung, sondern vor allem die namhaften Repräsentanten des Friedrich-List-Forums gegenüber Ministerpräsident Kurt Biedenkopf und unserem Wissenschaftsminister Hans Joachim Meyer. Schließlich befasste sich sogar der Verkehrsausschuss des Deutschen Bundestages mit der Zukunft der HfV. Unsere einzigartige Einrichtung wurde gewürdigt und der Fortbestand gegenüber der sächsischen Regierung dringend empfohlen. Völlig überraschend traf uns dann im April/Mai 1992 die Nachricht, dass der Sächsische Landtag mit dem Hochschulstrukturgesetz die Auflösung der HfV zum 30. September 1992 beschlossen hatte. Da stand ich nun mit über 800 Beschäftigten und mehr als 4000 Studenten. Es war an mir, als Noch-Rektor Ruhe und Zuversicht zu verbreiten und einen vorzeitigen Exodus zu vermeiden.

In jedem Ende liegt auch ein Neuanfang, und um klar zu sehen, genügt oft ein Wechsel der Blickrichtung. Für mich hieß das, sofort mit Rektor Professor Landgraf Kontakt aufzunehmen und Modalitäten vorzubesprechen. Ich musste jedoch erfahren, dass keine Rede von einer eigenen Fakultät war. Die TUD war nicht gewillt, eine weitere Fakultät zuzulassen. Die Dekane der verwandten Fachgebiete meinten, eher eigene Professuren auf das Gebiet der Verkehrswissenschaften umprofilieren zu können, um damit die verfügten Planstellenreduzierungen abzufangen.

Es bedurfte wahrlich hartnäckiger Bemühungen, um eine eigene Fakultät Verkehrswissenschaften an der TUD ins Leben rufen zu können. Diese konnte zum 1. Oktober 1992 mit 39 Professuren (heute sind es noch 22) und 80 weiteren wissenschaftlichen Planstellen starten. Neu geformt wurden die Studiengänge Verkehrsingenieurwesen und Verkehrswirtschaft, dazu wurden und werden Vertiefungsrichtungen für die Bauingenieur- und Maschineningenieurstudiengänge angeboten. Außerdem beteiligt sich die Fakultät am Studiengang Mechatronik. Die Fakultät verbindet so die verkehrswissenschaftliche und die universitäre Tradition wieder fest miteinander und wagte zugleich in struktureller und inhaltlicher Hinsicht einen Neubeginn.

Heute können wir wohl sagen, dass unter den gegebenen Umständen die denkbar beste Lösung zur Weiterführung der Verkehrswissenschaften als interdisziplinäres Wissenschaftsgebiet zukunftsorientiert und vernetzt mit der Vielfalt der Wissenschaftsdisziplinen in der TUD zum Erfolg geführt werden konnte. Ich weiß die Fakultät auf einem guten Weg. Wir sprechen zudem mit Stolz von der nunmehr fast 65-jährigen „Dresdner Schule der deutschen Verkehrswissenschaft“ von der Gründung der 1. Fakultät bis heute!
 
Lesetipp 1: Dieser vorliegende Artikel ist (nur) ein Ausschnitt des Vortrages, den Prof. M. Zschweigert zur Festveranstaltung „20 Jahre Volluniversität" hielt. Für die vielen historischen Details lesen Sie HIER den vollständigen Text.
 
Lesetipp 2: Professor Potthoff, Lehrstuhl Betriebstechnik der Verkehrsmittel, prägte ab den 50er-Jahren die Verkehrswissenschaft entscheidend mit. Lesen Sie HIER, wie sich ehemalige Studenten an ihn erinnern.