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TU Dresden
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Erinnerungen an den „Weg der pädagogischen Erneuerung“
Friedrich W. Busch

Von Juni 1991 bis zu meiner „Entpflichtung” im Juli 1993 war ich als Gründungsdekan der Fakultät Erziehungswissenschaften an der TU Dresden (TUD) tätig.

© privat; Prof. Friedrich W. Busch erinnert sich der Fakultätsgründung.
© privat; Prof. Friedrich W. Busch erinnert sich der Fakultätsgründung.
Der damalige Staatsminister für Wissenschaft und Kunst, Prof. Hans-Joachim Meyer, kannte mich aus der „Vorwendezeit” und wusste von meinen Bemühungen seit Mitte der 1960er Jahre, durch regelmäßige Begegnungstreffen in Berlin-Ost und in Bautzen das Leben der Menschen unter den Bedingungen der deutschen Teilung kennen zu lernen. Und er hatte von meinen Vorstellungen über eine Reform der Lehrerausbildung durch den Modellversuch „Einphasige Lehrerausbildung” an meiner Heimatuniversität Oldenburg gehört. Als er mich im Februar 1991 bat, an der Erneuerung der Hochschulen in Sachsen mitzuwirken, um auch die Reform der Lehrerausbildung zu realisieren sowie Studiengänge für außerschulische pädagogische Tätigkeitsfelder zu entwickeln, habe ich zugesagt, die Aufgaben eines Gründungsdekans zu übernehmen.

Die Entscheidung der Staatsregierung, künftig alle Lehrer an Universitäten auszubilden, kam meiner Auffassung einer zeitgemäßen Lehrerausbildung außerordentlich entgegen. Hatte ich doch in den 1970er Jahren an meiner Heimatuniversität Oldenburg den oben erwähnten Modellversuch bildungspolitisch zu realisieren versucht und Erfahrungen in der Reform der Lehrerausbildung gesammelt.

Um die Institute für Lehrerbildung in Nossen, Radebeul und Großenhain sowie die Pädagogischen Hochschule (PH) Dresden aufzulösen, setzte das Ministerium eine „Integrationskommission“ ein, deren Vorsitz mir der Minister übertrug. Sie hatte die Aufgabe, konzeptionelle und strukturelle Vorstellungen zur Integration der PH und einzelner Struktureinheiten zu entwickeln und Schritte zu beraten, wie Studiengänge weiter- oder zusammengeführt werden sollen bzw. wie die Studenten sowie das vorhanden Personal überführt werden könnten. Zugleich sollte durch Beratungen der an der Integration Beteiligten bzw. von ihr Betroffenen dazu beigetragen werden, Konflikte zu mindern oder zu vermeiden.

Konfliktpotenzial lag insbesondere im Umgang mit den Studierenden, die in mehreren Protestveranstaltungen versuchten, die Integration zu verhindern. In einer solchen von mehr als 400 Studierenden besuchten Veranstaltung gelang es, den Widerstand soweit zu minimieren, dass eine Studierendengruppe sich bereit erklärte, sich mit dem Integrationskonzept konstruktiv auseinanderzusetzen.

Kernstück dieses Konzeptes war eine „Fach-zu-Fach-Integration“, d.h. die „Wissenschaftsdisziplinen” der PH – unter Einschluss der Fachdidaktiken – zu denen der TUD zu machen. Diese fand allerdings erst nach anstrengenden Diskussionen im TUD-Senat mehrheitliche Zustimmung. Ausschlaggebend für die Zustimmung waren letztendlich die leitenden Argumente des Integrationskonzeptes:

  • Die universitäre Ausbildung für alle Lehrämter muss eine wissenschaftliche Ausbildung sein. Denn Lehrer sollen wissenschaftlich fundiertes Wissen vermitteln und die Weiterentwicklung des Wissensstandes in ihren Fächern verfolgen können.
  • In der akademischen Lehre ist die Vermittlung von Lehrstoffen immer wieder neu zu hinterfragen. Aktuelle Forschungsergebnisse der Fachwissenschaften als auch zu deren Didaktiken und die Rückkoppelung aus aktuell durchgeführten Lehrveranstaltungen zwingen zu deren ständiger Neugestaltung.
  • Bei jeder anzustrebenden Organisationsform muss die Nähe von Fachwissenschaft und Fachdidaktik gesichert sein.
© Archiv UJ/Eckold; Beim Gründungs-Festakt der Fakultät Erziehungswissenschaften 1993; Prof. Friedrich W. Busch (l.) und der neue Dekan Prof. Dietmar Waterkamp (M., stehend)
© Archiv UJ/Eckold; Beim Gründungs-Festakt der Fakultät Erziehungswissenschaften 1993; Prof. Friedrich W. Busch (l.) und der neue Dekan Prof. Dietmar Waterkamp (M., stehend)
Die Fakultät Erziehungswissenschaft hatte einen wesentlichen Teil der erziehungswissenschaftlichen Anteile für alle Lehramtsstudiengänge sicherzustellen. Daher musste mit den zuständigen Ministerien gerungen werden, damit die notwendige Quantität von erziehungswissenschaftlichen Studienanteilen (in Semesterwochenstunden) den Aufgaben zukünftiger Lehrer gerecht werden. Dieses Ringen war nicht erfolgreich, da sich die Kultusverwaltung an Vorgaben aus dem Bundesland Baden-Württemberg orientierte, wo die erziehungswissenschaftlichen Anteile für alle Lehrämter eher marginal sind.

Mit Blick auf die Aufgaben der Erziehungswissenschaft in der Lehrerausbildung musste zudem der Entscheidung der Staatsregierung Rechnung getragen werden, bei der Strukturierung des sächsischen Schulwesens einen neuen und eigenen Weg zu gehen. Der 4-jährigen Grundschule folgen eine 6-jährige Mittelschule und – parallel dazu – ein 8-jähriges Gymnasium. Die ansonsten geltende Dreigliedrigkeit wird durch eine neue Zweigliedrigkeit abgelöst.

Am 1. Oktober 1992 wurde die Integration formal vollzogen. Die TUD erfuhr dadurch einen enormen Zuwachs an Studierenden. Dieser lag nun bei ca. 3.500. Sie verteilten sich auf die Lehrämter Grundschule, Mittelschule, Gymnasium und Berufliche Schulen, für die nach der Integration Studiengänge bereitgestellt wurden.

Eine mir 1996 verliehene Honorarprofessur gab mir die Möglichkeit, an der weiteren Entwicklung der Fakultät und der Lehrerausbildung mitzuwirken und mich einzubringen.