Artikelsuche

Rubrik: Autor:

Wissenschaft und Technik

Url senden | Seite drucken

Analyse des Hochwassers 2002 an der TU Dresden
PI/TUD

An der TU Dresden hat sich im Rahmen des Kompetenzzentrums Wasser eine Arbeitsgruppe gebildet, die sich mit den Hintergründen des Hochwasserereignisses 2002 und den Konsequenzen für den Hochwasserschutz beschäftigt.
 
In einer dringlichen Sitzung wurde auf Basis der z.Zt. zugänglichen Informationen (prognostizierte und eingetroffene Niederschläge, Abflüsse, Steuerung der Talsperren, Hochwasserverläufe und Hochwasserschäden) eine erste fachliche Bewertung der Ereignisse durchgeführt und die folgende Stellungnahme verfasst:

Die vergangenen zehn Jahre waren nachweisbar die wärmsten des letzten Jahrhunderts. In diesem Zeitraum gab es durch typische hochwasserauslösende Wetterlagen (Vb-Wetterlage) 1997 an der Oder und jetzt 2002 an der Elbe und im Erzgebirge zwei extreme Hochwasser. Diese typische Hochwasserwetterlage war besonders 2002 durch große Dauer und Intensität gekennzeichnet. Vom 11. bis 13. August 2002 kam es in Sachsen und im Einzugsgebiet der Elbe zu großräumigen Niederschlägen in bis dahin nicht gemessener Höhe. Die Summe betrug häufig das dreifache der bisherigen Maximalwerte! Die daraus folgenden Hochwasser betrafen sowohl die Erzgebirgsflüsse, z.B. die Weißeritz, als auch mit entsprechender zeitlicher Verzögerung die Elbe. Allein für die TU Dresden entstand ein Schaden von geschätzten 30 Mio. Euro, die sich auf Tharandt und Dresden etwa gleich verteilen.

Welche Lehren können aus fachlicher Sicht daraus gezogen werden, um zukünftig Opfer zu vermeiden und das Ausmaß der materiellen Schäden zu verringern? Eine Vorwarnung des Deutschen Wetterdienstes (DWD) am Sonntag, 11. August 2002, gab die Regenmengen von 40 bis 80 mm für ganz Sachsen am Montag an. Sonntag Nacht wurde zwar eine Unwetterwarnung ausgesprochen, die voraussichtlichen Niederschlagsmengen aber nicht korrigiert. Ähnliche Prognosen wurden von privaten Wetterdiensten gestellt. Tatsächlich wurden aber Werte über 300 mm in 24 Stunden gemessen! Die Erzgebirgstalsperren sind im allgemeinen Mehrzweckspeicher, die zur Trinkwasser- und Stromgewinnung genutzt werden und einen vorher definierten Hochwasserschutzraum bereithalten müssen. Eine zusätzliche Vorsorge der Talsperrenbetreiber begann laut Medienberichten erst, als sich die Talsperren überraschend schnell füllten. Nach der Füllung hatte die Talsperrensteuerung bei diesen dramatisch hohen Zuflüssen einen relativ geringen Einfluss auf den Ablauf des Hochwasserereignisses. Die Schäden bis einschließlich Mittwoch entstanden ausschließlich durch die Flüsse des Erzgebirges! Auch in Dresden wurden zu diesem Zeitpunkt die größten Schäden durch die Weißeritz verursacht, die sich – wie bereits 1957 – durch Teile des Stadtzentrums fließend in die Elbe ergoss.

Inzwischen hatten sich aufgrund der gleichen Vb-Wetterlage die Wassermengen aus den Einzugsgebieten der Moldau und Elbe zu einer Hochwasserwelle mit einem historischen Höchststand von 9.40 m in Dresden formiert, der aber erst am Sonnabend, 17. August, eintrat. Der kurze Vorhersagezeitraum seitens des Sächsischen Landesamtes von nur 12 Stunden erlaubte eine langfristige Prognose des Wasserstandsmaximums nicht. Die Vorwarnung der Elbanrainer musste entsprechend häufig korrigiert werden, was die notwendigen Hochwasserschutzmaßnahmen deutlich erschwerte.

Aus dieser Katastrophe sind dringend praktische Konsequenzen zu ziehen, die auf einem zu aktualisierenden Forschungsstand aufbauen müssen. Dazu gehören:

- Gründliche, objektive Analyse der Hochwasserereignisse, die alle Entscheidungsgrundlagen, Steuerungsabläufe und Hochwasserschutzmaßnahmen transparent macht,
- Überprüfung aller relevanten Bemessungsgrundlagen auf Basis der neuen Datensituation und vor dem Hintergrund des regionalen Klimawandels,
- Verbesserte gekoppelte meteorologische und hydrologische Diagnose- und Prognosesysteme bestehend aus den Komponenten Beobachtung und Modell,
- An die Einzugsgebiete angepasste integrierte Hochwasserschutzkonzepte inklusive eines effizienten Hochwasserwarnsystems (z.B. optimierte Steuerung der Talsperren, um die Speicherräume auch in kritischen Situationen zu nutzen),
- Anpassung der Flächennutzung mit kritischer Bewertung stark gefährdeter Siedlungsräume, Ausweisung möglicher zusätzlicher Retentionsräume und Sicherstellung der Leistungsfähigkeit der Fließgewässer,
- sowie adäquate Gestaltung der Infrastruktur und Bebauung.

Wir fordern dringend konzertierte Aktivitäten auf unterschiedlichen Ebenen, um die praktischen Probleme unter Hinzuziehung unabhängiger Experten zu lösen, und fordern die Bundesregierung und die Verantwortlichen in den Ländern auf, die Forschungslücken im Hochwasserschutz durch ein Sofortprogramm rasch zu schließen, um nicht nur die Reparatur der Schäden sondern auch eine effiziente Hochwasservorsorge zu betreiben.

Arbeitsgruppe „Kompetenzzentrum Wasser-Hochwasser 2002“
Professur Meteorologie:
Prof. Dr. Ch. Bernhofer

Professur Technische Hydromechanik:
Prof. Dr. H. Martin

Professur Wasserbau:
Prof. Dr. H.-B. Horlacher

Professur Hydrologie:
Dr. F. Lennartz in Vertretung von Prof. Dr. G. Schmitz

Weitere Informationen:
Dr. Franz Helmut Lennartz
Telefon (0351) 463-36373 oder
Prof. Christian Bernhofer, Tel. 01 72 / 3 53 45 90