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Institut für Politikwissenschaft
Professur für Politische Theorie und Ideengeschichte
Prof. Hans Vorländer
Tel. +49 351 463-35811
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Campus und Forschung

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Wer geht zu PEGIDA und warum?
UJ/Susann Mayer

PEGIDA-Demonstranten entstammen zu einem großen Teil der Mittelschicht, sind gut ausgebildet, berufstätig, verfügen über ein für sächsische Verhältnisse leicht überdurchschnittliches Nettoeinkommen, sind mittleren Alters, männlich, gehören überwiegend keiner Konfession an, weisen kaum Parteiverbundenheit auf und stammen aus Dresden oder Sachsen.

Das sind die Kernaussagen einer Studie vom Januar 2015, in der Prof. Dr. Hans Vorländer von der TU Dresden erstmals die soziale Zusammensetzung und Motivation der Teilnehmer von PEGIDA in
Dresden empirisch untersucht hat. Dabei wurden insgesamt 400 Teilnehmer am 22. Dezember 2014 sowie am 5. und 12. Januar 2015 befragt. Die Ergebnisse, aus einer Zufallsstichprobe gewonnen, sind nicht repräsentativ für alle Demonstranten, geben jedoch einen Eindruck von sozialer Zusammensetzung und Motivation. Laut Prof. Vorländer und seinem Team trug die Studie „zu einer deutlichen Differenzierung der öffentlichen Diskussion über PEGIDA bei, und sie konnte deshalb auch einen ersten, wichtigen Beitrag zu einer besseren Erklärung der PEGIDA-Bewegung liefern.“

© Ronald Boss; Pegida-Demonstranten in Dresden
© Ronald Boss; Pegida-Demonstranten in Dresden

Wesentliche Fakten seiner o.g. Untersuchung sind:

Der Protest wird keineswegs von Rentnern und Arbeitslosen getragen – 70 Prozent der befragten Demonstrationsteilnehmer stehen im Beruf.

Die befragten Teilnehmer der Demons­trationen gegen die „Islamisierung des Abendlandes“ sind nur zu knapp einem Viertel durch „Islam, Islamismus oder Islamisierung“ motiviert.

Das Hauptmotiv für die Teilnahme an PEGIDA-Demonstrationen ist eine generelle „Unzufriedenheit mit der Politik“. An zweiter Stelle wird die Kritik an Medien und Öffentlichkeit genannt; an dritter Stelle folgen grundlegende Ressentiments gegenüber Zuwanderern und Asylbewerbern. Dabei sind Vorbehalte gegen Muslime bzw. den Islam besonders ausgeprägt. Zu den neun Prozent, die unter „Sonstiges“ zusammengefasst sind, fallen „Motive, die etwa ein allgemeines Interesse, Neugier oder eine grundlegende Aufgeschlossenheit gegenüber den Zielen von PEGIDA nahelegten, ohne diese genauer zu konkretisieren“, erläutert Vorländer. „Oft wurde in diesem Zusammenhang auch das mit einer impliziten Kritik der Massenmedien verbundene Bedürfnis artikuliert, sich einmal jenseits aller möglicherweise ‚verzerrten‘ Darstellungen ein ‚eigenes Bild‘ der Geschehnisse vor Ort in Dresden zu machen. Weitere – nur vereinzelt genannte – Motive für eine Teilnahme waren die Kritik an der europäischen Staatsschuldenkrise und der entsprechenden ‚Euro-Rettungspolitik‘ sowie die pauschalisierende Kritik am ‚Kapitalismus‘ und ‚Finanzsystem‘.“

© H. Vorländer; Folien (3) aus der Studie „Wer geht zu PEGIDA und warum?”
© H. Vorländer; Folien (3) aus der Studie „Wer geht zu PEGIDA und warum?”

In den Befragungen kommt die Wahrnehmung einer tiefen Kluft zum Ausdruck: zwischen den Massenmedien, der veröffentlichten Meinung und der etablierten Politik auf der einen Seite und den Problemen des Bürgers und dem „Willen des Volkes“ auf der anderen Seite. „Die Befragten kritisierten vor allem die ‚Realitätsferne‘ und ‚Abgehobenheit‘ der politischen Verantwortungsträger, die schon längst nicht mehr ‚auf das Volk hören‘ würden“, so Vorländer weiter. „Diese häufig artikulierte Klage wurde gelegentlich um den Vorwurf ergänzt, dass, wie im Falle der Asylpolitik so empfunden, politische Entscheidungen nur unzureichend kommuniziert würden.“



Daraus lässt sich schließen: Auch wenn sich PEGIDA dem Namen nach gegen die Islamisierung des Abendlandes wendet, sind die Kundgebungen für die Mehrheit der Teilnehmer in erster Linie eine Möglichkeit, tief empfundene, bisher nicht öffentlich artikulierte Ressentiments gegenüber politischer und meinungsbildender Elite zum Ausdruck zu bringen. Diese Gegenüberstellung von „Die da oben“ und „Wir hier unten“ in Kombination mit fremdenfeindlichen Einstellungen wird traditionell zum rhetorischen Arsenal rechtspopulis­tischer Strömungen gerechnet.

Nachdenkenswert und gleichwohl interessant findet Prof. Vorländer, dass „die PEGIDA-Bewegung ihren zentralen Protestgrund als Behauptung bereits im Namen trägt: die sogenannte ‚Islamisierung des Abendlandes‘. Inwiefern aber wird dieses Motiv auch von den Teilnehmern der PEGIDA-Versammlungen aufgegriffen?“ Die Umfragen ergaben, dass für nur etwa ein Viertel aller Befragten mögliche Bedrohungen und Ängste durch den Islam, den Islamismus oder die Islamisierung als Begründung für ihre Teilnahme eine Rolle spielen.



Ob sich PEGIDA dauerhaft als Bewegung etablieren kann oder ob es sich nur um eine temporäre Erscheinung handelt, ist eine noch offene Frage, die auch von der vorliegenden Untersuchung nicht beantwortet werden kann. Die Spaltung des Initiatorenkreises Ende Januar 2015 hat jedenfalls nicht dazu geführt, dass PEGIDA von der Strasse verschwunden ist.