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Carmen Hänsel
Leiterin Personalwesen
Automobilmanufaktur Dresden GmbH
Lennéstraße 1
01069 Dresden
Tel.: 0351 420-4180

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Carmen.Haensel@volkswagen.de

Absolventenporträts

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Die Personalfrau der Gläsernen Fabrik
Susann Mayer

© privat: Carmen Hänsel, Personalchefin der VW-Manufaktur, studierte an der TU Arbeitswissenschaften
© privat: Carmen Hänsel, Personalchefin der VW-Manufaktur, studierte an der TU Arbeitswissenschaften
Transparent soll die Produktion des VW Phaeton sein, gläsern ist die 22m hohe Fassade, damit das sonst Verborgene sichtbar werden kann.

Dieses Konzept der Gläsernen Manufaktur in Dresden gilt auch für das Büro von Carmen Hänsel, TUD-Absolventin der Arbeitswissenschaften. Durchsichtig sind die Bürowände der Personalleiterin, die meisten ihrer zehn Mitarbeiter sieht sie beim bloßen Kopfheben, von ihrem Büro aus hat sie direkten Blick in die einzigartige und schmucke Produktion.

Die 42-Jährige, mittlerweile für mehr als 400 Beschäftige im Dresdner Tochterunternehmen des VW Konzerns verantwortlich, prägte von Beginn an die Personalstrategie in der Gläsernen Manufaktur.
Wie soll sich das Personal hier zusammensetzen? Welche Verfahren sind günstig, um geeignete Mitarbeiter auszuwählen? Wie sollen die neuen Mitarbeiter auf die bisher unbekannten Aufgaben in der Automobilindustrie vorbereitet und qualifiziert werden? Soll in der Gläsernen Manufaktur später auch ausgebildet werden? All dies hatte Carmen Hänsel relativ selbständig zu entscheiden. Im Frühjahr 2000 (das Richtfest der VW Fabrik wird nach nur einjähriger Bauzeit gefeiert) wurde sie als Personalchefin berufen, um im ersten Jahr im Alleingang die Personalabteilung aufzubauen, Vergütungssysteme und Arbeitszeitmodelle zu entwickeln. „Natürlich in Absprache mit meinen Personalleiter-Kollegen von VW Sachsen in Mosel und dem des Mutterhauses von VW in Wolfsburg," fügt die zweifache Mutter hinzu. „Doch während beispielsweise in Wolfsburg der alte Haustarifvertrag gilt, mussten hier, schon wegen der Öffnungszeiten neue Regelungen bedacht werden," zeigt Carmen Hänsel auf. Denn die Umsetzung neuer Dimensionen, die weltweit einmalige Kombination von Fertigungs- und Erlebniswelt erfordert zum Beispiel neue Arbeitszeitregelungen. Das Kundenforum, der sogenannte ‚Eventbereich' beispielsweise ist täglich von 8 bis 20 Uhr geöffnet. Für Besucher gibt es virtuelle Probefahrten, auch Konzerte und Lesungen. Im Herbst 2001 hat Frau Hänsel als Mitglied der Verhandlungskommission den Ergänzungstarifvertrag mit der Gewerkschaft geschlossen und in Bezug auf Arbeitszeitflexibilität von Montag bis Samstag und Leistungsorientierter Vergütung ein innovatives Regelwerk geschaffen, dass im automobilproduzierende Gewerbe seines Gleichen sucht.

Die Kompetenz für diese Entscheiderposition erarbeitete sich Carmen Hänsel zielstrebig und konsequent. Lehre als Instandhaltungsmechanikerin mit Abitur im Edelstahlwerk Freital mit Orientierung auf technische Studienrichtungen, Studium der Arbeitswissenschaften/Fachrichtung Arbeitsingenieurwesen an der TU Dresden: „Die Vielfältigkeit der Studienrichtung von den technischen Fächern, wie Technische Mechanik und Konstruktionslehre bis hin zu Arbeitsmedizin, Arbeitspsychologie und Arbeitsrecht haben mich sofort angesprochen," reflektiert Frau Hänsel. Zuerst konnte sie ihre Kenntnisse beim EDV-Kombinat Robotron einsetzen und vertiefen. Theoretisch mit allem erforderlichen Wissen über die ergonomische Gestaltung von Bildschirmarbeitsplätzen ausgerüstet, galt es nun, auch die Umsetzungsfähigkeit unter Beweis zu stellen. Wo und wie sollten Monitore stehen, wie setzen wir die Anforderungen an Lärm und Beleuchtung um, welche ergonomischen Grundforderungen sind zu erfüllen – nur wenige der Fragen, die mit der Entstehung der ersten Bildschirmarbeitsplätze durch Hänsels Abteilung „Wissenschaftliche Arbeitsorganisation" zu beantworten waren.

Sehr vielfältiger Natur – von der Analyse logistischer Abläufe, der Zusammenarbeit mit Technologen bei der Ermittlung von Fertigungszeiten in spanbearbeitenden Prozessen bis hin zu Lärmmessungen reichten ihre Aufgaben später bei KOSORA, einem Zusammenschluss kleiner Betriebe auf Bezirksebene.

1990, politische Wende und Neubeginn – für Carmen Hänsel in Form der Etablierung von Commerzbank-Filialen in Sachsen. „Gesucht wurden Leute, deren Ausbildung als Basis für spätere Personalführung dienen sollte." Sie begann nicht als die Personalreferentin, zu der sie sich in den folgenden Jahren qualifizierte: Sie fing vielmehr als (diplomierte) Personalsachbearbeiterin an, um in vielen zusätzlichen Lehrgängen und Seminaren sich die völlig neuen Grundlagen anzueignen. Betriebsverfassungsgesetz, Arbeitnehmerschutzgesetze, Gestaltung von Tarifverträgen, Pflichten und Rechte von Arbeitgeber und Arbeitnehmer, Arbeitszeitregelungen – ein (für Viele trockener) – Paragraphendschungel, den es galt, später aus dem „Eff-Eff" zu können. Und das Alles ergänzt um das Wissen über das Funktionieren eines Kreditinstitutes. Ihr vielleicht naturgegebener Ehrgeiz und die Tiefgründigkeit, mit der sie mit dem neuen Arbeitsfeld auseinander setzte, zahlte sich aus und sie wurde bereits 1992 zur Personalberaterin berufen und wenig später mit einer Prokura belohnt. „Dafür hatte ich allerdings auch den Preis gezahlt, ein halbes Jahr meinen Mann mit den beiden kleinen Kindern nur aller 14 Tage am Wochenende zusehen, denn meine Ausbildung bei der Commerzbank absolvierte ich in Bonn und in Frankfurt am Main."

© H.Goehler: Die Gläserne Fabrik
© H.Goehler: Die Gläserne Fabrik
Die Dresdnerin strahlt Ausgeglichenheit und Souveränität aus. Vielleicht einer der Gründe für die Wolfsburger Personalentscheider, darunter Herr Dr. Hartz, sie nach einigen Vorstellungsgesprächen im Jahre 2000 als „ihre" Frau in Dresden einzustellen. „Es sollte jemand von hier und es sollte eine Frau sein," erzählt sie. Für sie selbst genau der richtige Zeitpunkt, denn mittlerweile gab es für sie keine weiteren Entwicklungsmöglichkeiten in der Commerzbank.

Neider und oberflächliche Menschen urteilen „Die hats geschafft".
Eher würde stimmen – sie hat es sich hart erarbeitet. Denn auch in der Gläsernen Manufaktur bestand der Beginn wieder aus Aneignung neuen Wissens und Zusatzstudien. Immerhin ist ein Automobilwerk keine Bank! Aber sie weiß auch, dass die Grundlage ihr TU-Studium gelegt hat: „Als Personalleiterin in einer Automobilfertigung profitiere ich jetzt genau von dieser Vielfältigkeit der Wissensvermittlung im Studium des Arbeits-Ingenieurwesens: In Bezug auf den Menschen als Leistungsträger mit seinen persönlichen Leistungsvoraussetzungen. Einflüsse, Belastungen, Motivationen tangieren die Arbeitsmedizin und -psychologie; Arbeitsplätze/Arbeitsstätten und deren Gestaltung zur Vermeidung von gesundheitsbeeinträchtigenden Wirkungen (Wirkungen auf Skelett, Muskulatur etc.) tangieren die Ergonomie, den Arbeits- und Gesundheitsschutz, die Arbeitsgestaltung; Arbeitsablauf, Arbeitsaufgabe, Arbeitsumgebung tangieren wiederum Arbeitsanalyse, Arbeitsumweltgestaltung, Ergonomie. Man kann sagen: Im Grunde genommen ist meine Tätigkeit mit direktem und indirektem Einfluss auf die obigen Felder die angewandte Arbeitswissenschaft schlechthin."

Kontakte zur Universität?
„Wir bieten Praktika an, betreuen Diplomarbeiten und arbeiten mit unterschiedlichen Lehrstühlen zusammen. Ein Diplomand, dessen Diplomarbeit in Kooperation zwischen der Gläsernen Manufaktur und dem Institut für Arbeitsingenieurwesen erarbeitet wurde, hat diese gerade erst erfolgreich verteidigt. Und seit kurzem besteht auch wieder direkter Kontakt zwischen mir und Herrn Professor Schmauder, z.Zt. Leiter des Institutes für Arbeits-Ingenieurwesen."

Ein Rat für Studenten?
„Eigeninitiative ist gefragt! Nutzen Sie jede Gelegenheit, um das universitäre Wissen auf Anwendung und Umsetzbarkeit in der Praxis zu überprüfen. Suchen Sie sich gezielt Praktika im In- und Ausland. Sie kennen das – ein Unternehmen sucht einen qualifizierten Spezialisten mit langjähriger Berufserfahrung – nur er darf nicht älter als 26 Jahre sein. Mit Ihrem Diplomabschluss, Ihren Praktika-Erfahrungen und dem Willen, sich breitgefächert zusätzliches Wissen immer wieder anzueignen, sehe ich erfolgversprechende Chancen, bei einer solchen Stellensetzung ernst genommen zu werden. Halten Sie sich vor Augen, was Herr Dr. Harz in seinem letzten Buch Job-Revolution sagte: „Wir befinden uns mitten in einer Job-Revolution – die Bedeutung von Entfernung, Geschwindigkeit und Qualität in unserer Arbeitswelt ändert sich rasant: Zukunft³ ! Aussteigen zwecklos."