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Frank Gülicher
Siemens AG Braunschweig
Projekt Realisation Control Systems
Tel.: 0531 2263262

Absolventenporträts

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Achtung – Türen öffnen selbsttätig
Reinhard Seurig

© (2) privat: Frank Gülicher ist Leiter des Projektabwicklungscenters für Betriebsleittechnik der Siemens AG in Braunschweig.
© (2) privat: Frank Gülicher ist Leiter des Projektabwicklungscenters für Betriebsleittechnik der Siemens AG in Braunschweig.
Frank Gülicher, 38 Jahre alt, verheiratet, zwei Kinder, leitet das Projektabwicklungscenter für Betriebsleittechnik im Bereich „Transportation System" der Siemens AG in Braunschweig.

Als der 22 Jahre junge Frank Gülicher im Jahre 1987 zum ersten Mal einen Hörsaal der TU Dresden betrat, hätte er über eine solche Prophezeiung wohl lauthals gelacht. Man studierte Marxismus, feierte Megachips und rechnete sich mit Robotron und Fünfjahrplänen von Parteitag zu Parteitag vorwärts. Türen zur Welt waren rar und zumeist gut verschlossen. Das alles interessierte den jungen Mann jedoch wenig. Er war ein Freak – schon immer. „Meine Vorlieben lagen schon als Kind im mathematischen und naturwissenschaftlichen Bereich. Aber auch nur dort, entsprechend breit war mein Zensurenspektrum."

Bereits nach zwei Semestern wird er in die Meisterklasse des Studienganges Informatik aufgenommen. Zum Beginn des Hauptstudiums kommt die Wende. „Es war eine verrückte Zeit. Innerhalb kürzester Frist bekamen wir von allen möglichen Firmen und Instituten modernste Technik geschenkt. Damals war die TU Dresden besser ausgestattet als die Berliner Uni." Dorthin wechselt er für ein paar Semester. Seine Diplomarbeit war Bestandteil eines Gemeinschaftsprojektes beider Unis. Es folgt ein Jahr Forschungsstudium an der TU Dresden am Lehrstuhl für Rechnernetze. Inzwischen hat er seine Frau kennen gelernt und Vater werden steht an. Schweren Herzens entscheidet er sich dafür, in der Industrie zu arbeiten. Auf vier Bewerbungen erhält er sechs Einladungen zu Vorstellungsgesprächen. „Da waren auch Sachen deutlich unterhalb der Gürtellinie dabei. Damals waren Informatiker sehr gefragt und manche Unternehmen versuchten, junge Leute über die Maßen billig einzukaufen." Er entscheidet sich für Siemens in Braunschweig, wird als Softwareentwickler eingestellt und zwei Jahre später zum Teamleiter befördert. Dann übernimmt er die Verantwortung für ein Projekt in China. „Obwohl ich einen Teil meines Studium noch unter DDR-Verhältnissen absolviert habe, kann ich doch mit dem Fundament gut leben. Erstaunlicherweise habe ich die Wende aus technischer Sicht nicht als Bruch erlebt."

Heute leitet er das Projektabwicklungscenter für Betriebsleittechnik und etwa 140 Mitarbeiter müssen nach seiner Pfeife tanzen. Nur – er pfeift nicht. Er redet sich nicht in den Mittelpunkt, für ihn zählt Kompetenz. Seine „Tür" ist offen. In China hat er den Spitznamen „the thinker" bekommen. Sein Team arbeitet weltweit an Leittechnikprojekten. Überall wo Metros, Eisenbahnen oder Straßenbahnen fahren, haben seine Projektleiter, Softwareentwickler oder Datenbankexperten ihre Finger im Spiel. „Informatik steht bei meinem Job nicht mehr im Mittelpunkt, aber er ist mindestens ebenso spannend."

Was konkret muß man sich unter Leittechnikprojekten vorstellen?
„Unsere Betriebsleitsysteme sind Bediensysteme für Stellwerke oder auch Überwachungszentralen für den Eisenbahn-, Metro- oder Industriebahnbetrieb. Über diese Bediensysteme werden beispielsweise Fahrwege für die Züge eingestellt. Der Fahrweg für einen Zug kann nach bestimmten Kriterien (Beziehung zu anderen Zügen, Zeit, Priorität des Zuges usw.) auch automatisch eingestellt und überwacht werden. Bei unseren Leitsystemen gibt es verschiedene Automatisierungsebenen, von keiner Automatisierung (die Fahrwege werden per Hand eingestellt) bis hin zu vollautomatischen fahrerlosen Systemen. Auf den Monitoren und auf den Großbildwänden wird der gesamte Betrieb auf vielen bunten Bildern dargestellt und überwacht.

Die Hardware-Konfigurationen von unseren Leitsystemen sind sehr unterschiedlich, sie haben die Größe von zwei (einzelner Bedienplatz) bis zu 100 Rechnern (zentrales System für ein ganzes Land oder eine große Stadt), die Rechner können in einer Station stehen oder zentral in einer Stadt oder in einem Land. Bei den großen zentralen Leitsystemen müssen wir meist auch noch andere Einrichtungen steuern, wie z.B. Lüfter bei einer Metro, wo die Züge in einem Tunnel verkehren oder auch den Fahrstrom überwachen.

Auf der einen Seite sind es Leitsysteme die einen automatischen und auch fahrerlosen Betrieb (VAG Nürnberg) ermöglichen werden oder in New York wird es ein riesiges U-Bahnnetz sein, welches wir überwachen und steuern werden und auf der anderen Seite haben wir einfache Bedienplätze für ein Stellwerk."

Was hat er noch für Pläne?
„Große Pläne für meine Karriere habe ich nicht. Jeder muss auch für sich selbst bestimmen was Karriere ist. Job hopper sind in meinem Geschäft nur selten wirklich erfolgreich. Für mein Team und für mich habe ich natürlich kurzfristige Ziele, wir wollen unseren erfolgreichen Kurs fortsetzen und noch in neue Märkte, wie z.B. Australien Fuß fassen.." Und sonst noch Wünsche?
„Etwas mehr Zeit für die Familie, für das eine oder andere Buch oder ein gutes Essen beim Italiener. Und natürlich Gesundheit und vielleicht, dass mein Leben weiterhin so kontinuierlich verläuft – mit ein wenig Glück und ohne große Katastrophen. Immer mal wieder eine offene Tür eben."