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Institut für Textil- und Bekleidungstechnik
Prof. Dr. Peter Offermann
Tel. 0351 46339300

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Wissenschaft und Technik

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Strickmaschinen für den Fahrzeugbau?
Reinhard Seurig

© ITB: Gestrickter Rotor für den Einsatz im Maschinenbau
© ITB: Gestrickter Rotor für den Einsatz im Maschinenbau
Am 16. und 17. Juni fand in Dresden die 7. Dresdner Textiltagung statt. Maßgeblich initiiert wurde die Veranstaltung vom Institut für Textil- und Bekleidungstechnik (ITB) der TU Dresden.

Thematisch gliederte sich die Tagung in vier Sektionen: „Textilien im Bauwesen", „Schutzkleidung/Arbeitswelt", „Biofunktionale Textilien/Medizintextilien" und „Stand und Perspektiven in der textilen Aus- und Weiterbildung". Textile Werkstoffe gehören heute zu den leistungsfähigsten und zukunftsweisenden Konstruktions- und Funktionswerkstoffen.

Das Dresdner Institut für Textil- und Bekleidungstechnik machte in letzter Zeit mit einer Reihe wichtiger Innovationen auf sich aufmerksam. Dem Institut unter Leitung von Prof. Dr. Peter Offermann ist es – weltweit erstmalig – gelungen, Flachstrickmaschinen, die normalerweise zur Herstellung von Trikotagen dienen, so weiter zu entwickeln, dass mit ihnen Mehrlagengestricke zur Verstärkung von Leichtbauteilen hergestellt werden können. Diese Materialien finden beispielsweise in der Fahrzeug-, Luftfahrt- oder Maschinenbauindustrie Anwendung. „Ähnlich einer Strickjacke kann quasi die Verstärkungsstruktur eines Kotflügels oder eines Rotors hergestellt werden", erklärt Prof. Offermann. Vorteile gegenüber herkömmlichen, zumeist aus Metallen hergestellten Bauteilen, liegen im verbesserten Gewichts-Leistungsverhältnis bei mindestens gleichen, oft jedoch verbesserten mechanischen Eigenschaften wie Festigkeit, Dämpfungs-, Schwingungs- oder Crash-Verhalten.

© ITB: Drapierte Glas-Biaxialgestricke für den Einsatz im Fahrzeugbau
© ITB: Drapierte Glas-Biaxialgestricke für den Einsatz im Fahrzeugbau
Bei einem neuen Verfahren werden bis zu neun Verstärkungsfadenlagen teilweise multiaxial „verstrickt". Dabei kommen Kohlenstoff-, Glas-, Aramid- und Hybridgarne zum Einsatz. Um spezielle Eigenschaften zu entwickeln, können die Gestricke drapiert und mit unterschiedlichen Matrixmaterialien getränkt werden. So ist es möglich, relativ komplizierte Formen in einem Stück herzustellen. Beim Einsatz von Hybridgarnen aus Verstärkungs- und thermoplastischen Matrixfilamenten können die Mehrlagengestricke durch Thermopressen direkt zum Bauteil verarbeitet werden. Wichtige Forschungsbereiche sind dabei die Konstruktion und Programmierung der Strickmaschinen. Sie werden dabei überwiegend aus herkömmlichen Maschinen modifiziert. Grundlegende Untersuchungen zum gesamten Entwicklungsprozess von Leichtbaustrukturen mit thermoplastischen Textilverbunden erfolgen an der TU Dresden seit dem 1. Januar 2004 in dem „Sonderforschungsbereich 639" der Deutschen Forschungsgemeinschaft.

Ein weiterer Bereich für die Anwendung textiler Gewebe und Gewirke ist die Bauindustrie. Hier bieten sich durch die Anwendung textilbewehrter Betonelemente ebenfalls vollkommen neue Perspektiven. Seit Jahren wird Beton industriell mit textilen Kurzfasern verstärkt. Die Dresdner Forscher setzen nun auf Strukturen aus Endlosfasern, die im Gegensatz zu den Kurzfasern in gewünschte Richtungen gelegt werden können und damit gezielt Zug- oder Schwerkräfte abfangen können. Die Fasern benötigen eine wesentlich dünnere Betondeckung als Schutz, da sie im Gegensatz zu Stahl nicht rosten. Es entstehen deutlich dünnere und leichtere Bauteile mit gleichzeitig außerordentlich hoher Festigkeit. Mit diesen sehr jungen und innovativen Technologien ist das ITB weltweit führend. Das ist nicht verwunderlich, kann doch Sachsen auf eine Jahrhunderte lange Tradition in der Textilindustrie zurückblicken. Und als einzige deutsche Universität bietet die TU Dresden Textil- und Konfektionstechnik als eigenständigen Studiengang an.