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TU Dresden, Fakultät Erziehungswissenschaften
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Weiterbildung

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Interkulturelle Beratung
Reinhard Seurig

© UJ/Eckold(2)
© UJ/Eckold(2)
Seit Ende Februar läuft an der TU Dresden ein in den Neuen Bundesländern bislang einmaliges Pilotprojekt.

Unter dem Titel „Interkulturelle Beratungskompetenzen für MigrantInnen" absolvieren derzeit 29 ausländische AkademikerInnen aus 15 Ländern eine einjährige, berufsbegleitende Weiterbildung. Zugangsvoraussetzungen sind neben der Nationalität ein Wohnsitz in Ostdeutschland und gute Deutschkenntnisse. Die Lehrveranstaltungen finden jeweils am Wochenende statt. Erfahrene Dozenten diverser Hochschulen und praktisch arbeitender Institutionen vermitteln soziologische, psychologische und sozialpädagogische Theorie und Praxis auf Hochschulniveau. Für die Teilnehmer ist die Ausbildung kostenlos. Regelmäßige und erfolgreiche Teilnahme vorausgesetzt, erhalten die Absolventen ein Zertifikat als „ReferentIn für Interkulturelle Beratung" Die Ausbildung findet in Kooperation mit der Deutschen Gesellschaft für Verhaltenstherapie e.V. Tübingen statt.

Drei Schwerpunktthemen prägen die Ausbildung. Zum Einen geht es um das Erkennen rechtlicher, sozialer und politischer Kontexte. Dazu gehören Grundlagen des Ausländer- und Asylrechtes sowie ausgewählte Felder des Sozialrechtes, psychosoziale Bedingungen und Folgen von Migration oder auch die unterschiedlichen Lebenslagen von MigrantInnen in Deutschland und der Europäischen Union.
Ein zweiter Schwerpunkt ist die direkte Interkulturelle Arbeit. Dabei geht es um die Ursachen von und die sozialpädagogische Arbeit gegen Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Gewalt oder auch um die psychologischen Aspekte von Opferberatung. Der dritte Punkt befasst sich mit dem, was gemeinhin unter psychosozialer Beratung verstanden wird. Es geht dabei um fundierte Kenntnisse in der Theorie und den Grundlagen psychosozialer Abläufe. Beratungskonzepte und Methoden werden vermittelt und unterschiedliche Formen wie Paar- und Familienberatung, Gruppenberatung oder auch die Beratung ganzer Netzwerke werden bearbeitet. Der professionelle Umgang mit den psychischen Belastungen, die solche Tätigkeit oftmals mit sich bringt, ist ein ebenfalls wichtiger Punkt.

Durch Globalisierung, zunehmende Internationalisierung und nicht zuletzt durch die Erweiterung der EU wird die Zahl an MigrantInnen in Deutschland auch in Zukunft weiter steigen. Die Betroffenen müssen oft zunächst religiöse, kulturelle oder auch nur sprachliche Barrieren überwinden. Dabei kann es durchaus nützlich sein, wenn dann Beratung von einer Person durchgeführt wird, die quasi ein „Schicksalsgenosse" ist. Dadurch sinkt die Hemmschwelle und die Akzeptanz steigt. In einigen westdeutschen Großstädten werden beispielsweise zur Ausländerberatung ausschließlich Ausländer eingestellt. In diesen Städten hat man einige Jahrzehnte Vorsprung hinsichtlich der Erfahrung in der Migrantenberatung.

MigrantInnen
MigrantInnen
Auch im Osten Deutschlands arbeiten bereits viele MigrantInnen ehrenamtlich in Vereinen oder Initiativen. In vielen Fällen fehlt jedoch sowohl das nötige Papier, um eine reguläre Beratungstätigkeit ausüben zu können, als auch eine professionelle Ausbildung im Umgang mit den spezifischen Problemen des genannten Klientels. Auch im wirtschaftlichen Bereich dürfte zukünftig der Bedarf an interkultureller Beratung steigen. Produktionsstätten und Märkte entwickeln sich zunehmend über Ländergrenzen hinweg. Es gilt, mentale oder kulturelle Unterschiede wahrzunehmen und zwischen ihnen zu vermitteln.

Das Modellprojekt wird zu 60 Prozent durch das Programm „Xenos" des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds und zu 25 Prozent durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung finanziert. Die restlichen 15 Prozent sind Eigenmittel der TU Dresden. Das Projekt wird gleichzeitig aus wissenschaftlicher Sicht begleitet und ausgewertet.
Ob der Ausbildungsgang im nächsten Jahr erneut stattfinden kann, ist noch unklar. Das Interesse ist schon jetzt groß, aber entsprechende Finanzierungsmodelle sind noch nicht geklärt. Die Projektleiterin Antje Beckmann ist optimistisch: „Am liebsten möchten wir einen festen Studiengang einrichten. Erste Gespräche haben schon stattgefunden und fast jede Woche melden sich Interessenten. Aber bis dahin ist es noch ein weiter Weg."