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TU Dresden, Zentrum für Weiterbildung
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Praxis und Weiterbildung

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Zukunftswerkstatt
Reinhard Seurig

© H. Goehler
© H. Goehler
Warum sollen nur die Jungen Pläne machen und Visionen haben?


Nie in der bisherigen Geschichte haben Menschen die Phase „Alter" so lange erleben können, wie das heute möglich ist. Dennoch stoßen älter werdende Menschen heute schnell auf Vorurteile, Widerstände und Diskriminierungen; manche erleben das in der Berufswelt bereits mit 40 Jahren. Die jetzige Generation der Älteren hat keine tauglichen Vorbilder; sie sind eine Pioniergeneration in eigener Sache.

Das Zentrum für Weiterbildung bietet allen, die sich darüber Gedanken machen wollen, eine Zukunftswerkstatt mit dem Titel „Ein anderes Alter ist möglich" an. Reinhard Seurig sprach dazu mit Waltraud Beck.

Diese Veranstaltung ist nicht die erste ihrer Art. Worum geht es, was läuft ab während einer solchen Werkstatt? Woher stammt die Idee?

Fangen wir mal von hinten an: Die Idee der Entwicklung von Zukunftswerkstätten stammt von dem Zukunftsforscher Robert Jungk, der damit eine Demokratisierung der Gesellschaft erreichen wollte. Zukunft sollte etwas sein, was man aktiv mit gestaltet und nicht fatalistisch über sich ergehen lässt. Zukunftswerkstätten werden Gruppen angeboten, die an einem Thema interessiert sind, die bestimmte Probleme lösen oder auch als Gruppe weiterkommen wollen, wenn Blockierungen eingetreten sind. Die besondere Art dabei ist, dass Kreativ- und Phantasiepotential angeregt werden, um zu außergewöhnlichen Ideen zu kommen. Manchmal entstehen daraus „soziale Erfindungen", wie Robert Jungk das genannt hat. In den einzelnen Phasen der Werkstatt haben Viel- und Dauerredner bzw. Selbstdarsteller geringe Chancen. Jeder und Jede kommt zu Wort und kann sich einbringen.

Worin besteht das spezielle Anliegen der Dresdner Veranstaltung?

Eine Gruppe aktiver, neugieriger älterer Menschen zusammenzubringen um gemeinsam den „eigenen Sinn" für diese Lebensphase, die Wünsche und Träume näher zu beleuchten, über Möglichkeiten der eigenen Zukunft und deren Gestaltung zu sprechen und vielleicht auch Umsetzungsmöglichkeiten für einzelne oder Gruppen herausfinden. Wir wissen im Übrigen, wovon wir reden, da wir mit 58 und 68 Jahren unsere eigene Zielgruppe sind.

© privat: Waltraut Beck gestaltet die Zukunftswerkstatt
© privat: Waltraut Beck gestaltet die Zukunftswerkstatt
Sie gliedern das Geschehen in drei Phasen. Was passiert da jeweils?


Zuerst die „Kritik"
In dieser Phase wird das Thema von allen Seiten beleuchtet. Aller Unmut, aller Ärger, alle Wut am jetzigen Zustand kann geäußert werden. Wir vergleichen das oft mit einem Ballon, der deshalb hoch steigt, weil Ballast abgeworfen wird. Wenn aller „Ballast" im übertragenen Sinne abgeworfen ist und man eine andere Sichtweise hat, nämlich von oben, ist der Blick auf die Probleme ein anderer; der Kopf ist frei für neue Ideen.

Dann die „Phantasie"
In der Phantasiephase lassen wir zuerst einmal die Kritik am Bestehenden hinter uns, um positiv denken und träumen zu können. Nur so erhalten Ideen, Wünsche und Träume eine Chance. In dieser Phase gibt es keine Begrenzungen, alles ist möglich. Kreative Methoden erleichtern den Teilnehmern den Zugang zum Phantasieren.

Und schließlich die „Verwirklichung"

In der Verwirklichungsphase werden die vielfältigen Ideen auf ihren Gehalt geprüft: Welche Teile davon sind möglicherweise doch umsetzbar? Was ist vielleicht gar nicht so verrückt an einer Idee und lässt sich realisieren? Daraus werden dann „Forderungen" erstellt, Projektumrisse erarbeitet und eventuell erste Schritte konzipiert. Das Ergebnis von Zukunftswerkstätten ist immer offen; die Teilnehmenden bestimmen sowohl die Themen als auch, was mit den Ergebnissen geschieht.

Wer alles soll sich von dieser Zukunftswerkstatt angesprochen fühlen? Gibt es Voraussetzungen, die mitzubringen wären - ein Mindestalter etwa oder eine akademische Vergangenheit?

Wir erwarten Menschen, die ihre berufliche Phase freiwillig oder unfreiwillig hinter sich haben beziehungsweise vor dem Ausstieg aus dem Berufsleben stehen. Wir wollen weder ein Höchst- oder Mindestalter vorgeben; es ergibt sich wahrscheinlich aus dem Thema selbst: Bei einer ähnlichen Zukunftswerkstatt hier in Frankfurt/M haben sich die 57-jährige Tochter und ihre 20 Jahre ältere Mutter angemeldet. Die Bildungslaufbahn spielt keine Rolle, wohl aber, dass die „Pioniere" neugierig und bereit sind, sich auch mal auf ungewöhnliche, spielerische Methoden einzulassen.