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Praxis und Weiterbildung

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Mehr als schöne Worte – ein Rhetorikseminar
Reinhard Seurig

Kürzlich fand an der TU Dresden ein Rhetorik-Workshop für Lehrkräfte und Tutoren statt. Ziel des Workshops war es, methodische Grundlagen zu vermitteln für die spezifische und fachintegrative Kommunikation zwischen Lehrenden und Lernenden.

Dozent war Dr. Dietmar Rode. Er arbeitet derzeit als Trainer, Dozent und Berater für Unternehmerkommunikation in der Wirtschaft und an mehreren Bildungseinrichtungen.

© privat: Dr. Dietmar Rhode ist
Berater für Unternehmerkommunikation
© privat: Dr. Dietmar Rhode ist Berater für Unternehmerkommunikation
Reinhard Seurig sprach für
„Kontakt-online" mit ihm über sein Anliegen:

Auf Ihrer Visitenkarte steht Unternehmerkommunikation. Das ist sicher kein Druckfehler?

Natürlich nicht. Ich bin überzeugt, dass in unserer heutigen Gesellschaft zu viel technokratisches Denken herrscht. Das Wissen verdoppelt sich alle vier bis fünf Jahre und gleichzeitig veraltet es rasend schnell. Das führt zu dem Glauben, man könne alles immer schneller und effektiver und möglichst „maschinell" kommunizieren. Aber genau das halte ich für einen Trugschluss. Wir müssen uns wieder klar machen, dass es Menschen sind, die miteinander kommunizieren. Ein Unternehmen kann nicht sprechen. Die direkte, interpersonelle Kommunikation ist durch nichts zu ersetzen. Aber sie wird nur zu oft vernachlässigt. Und die Rhetorik, mit der ich mich nun schon etwa 20 Jahre beschäftige, ist eine Möglichkeit zu ihrer Optimierung.

Ich habe immer geglaubt, Rhetorik sei der sprachliche Anteil der Kommunikation. Das stimmt heute offenbar so nicht mehr?

Der Begriff stammt aus dem alten Griechenland. Der Legende nach soll Demostenes einer der Ersten gewesen sein, der seine rednerischen Fähigkeiten bewusst und gezielt trainiert hat. Er soll beispielsweise mit Kieselsteinen im Mund versucht haben, sein Lispeln zu beseitigen und zum Atemtraining gegen die Meeresbrandung Gedichte deklamiert haben. Bis zum Mittelalter und danach galt Rhetorik dann als eine der sieben freien Künste, als die „Kunst der schönen Rede" und war ausschließlich den Eliten vorbehalten. Mit der Renaissance, der Reformation und dem Humanismus gewann Rhetorik an neuen Aspekten und trat immer mehr aus Dogmatik, Poetik und proklamatorischer Selbstdarstellung heraus in den Dienst gesellschaftlicher Veränderungen. Heute bezeichnen wir eine ganze Palette von Möglichkeiten zur Optimierung zwischenmenschlicher Verständigung als Rhetorik, die von den kommunikativen Grundlagen über sprecherische Wirkungsfaktoren sowie die Rede- und Gesprächsgestaltung bis hin zur Körpersprache reicht.

Also werde ich mit klugen Sätzen alleine nicht viel weiter kommen?

Dazu gebe ich jetzt zwei Antworten. Erstens, der verbale Anteil an Kommunikation beträgt durchschnittlich nur etwa 15 Prozent von der Gesamtwirkung. Weitere 30 Prozent erfolgen durch parsverbale Faktoren, also die Stimme, Tempo, Klang, Melodie, Dialekt und so weiter, also Faktoren die hörbar, jedoch nicht direkt mit dem Wort verbunden sind. Mit ca. 55 Prozent aber geht der wichtigste Anteil an die nonverbalen Komponenten, also an die sichtbare Körpersprache. Das können Gesichtsausdruck, Gestik, Körperhaltung oder Kleidung und vieles mehr sein. Der Irrglaube ist tatsächlich noch weit verbreitet, ein toller Inhalt allein bewirke automatisch Überzeugung. Und zum Zweiten stellt sich die Frage, wer denn meine Sätze interessant findet. Wenn Sie am Schreibtisch zu Hause tagelang „basteln" und dann zwei Stunden ohne Pause reden, heißt das noch lange nicht, dass Ihre Zuhörer das Ergebnis als klug beurteilen müssen. Und genau diese Wechselwirkung, der mehr oder weniger tiefe Riss zwischen Selbsteinschätzung und Fremdeinschätzung, die Wechselwirkung von Sender und Empfänger, das ist das Betrachtungsfeld der Rhetorik. Dazu gehört eben auch ein ganzer Komplex von Komponenten, die sich um das Wort herum kristallisieren.

Es gibt doch aber Experten, die an genau diesen „Äußerlichkeiten" den Charakter einer Persönlichkeit erkennen wollen. Um seine Rhetorik zu verbessern, müsste man ja dann seine ganze Persönlichkeit umkrempeln. Machen Sie Gehirnwäsche oder Psychotherapie?

Nein, natürlich nicht. Die grundlegende Ausstrahlung eines Menschen ist nicht allein mit Rhetorik und schon gar nicht im Crashkurs zu ändern. Das ist ein lebenslanger Lernprozess. Aber auch diese Frage hat wieder mindestens zwei Seiten. Jeder Mensch hat seine eigenen positiven Wirkungsfaktoren. Diese kann man fördern. Man kann ihm Mut machen, authentisch zu sein. Egal, welchen Bereich des Lebens Sie hernehmen – jeder, der zu etwas gezwungen wird, was ihm nicht liegt, wird sich mehr oder weniger schaden. Andererseits sind vielen von uns die Muse und die Methodik verloren gegangen, gut und zweckmäßig zu kommunizieren. Wir müssen wieder lernen, uns auf die Persönlichkeit unseres Partners einzustellen. Das heißt nicht, dass wir uns verbiegen müssen. Es geht um etwas mehr Bewusstheit, um Aufmerksamkeit, um „Höflichkeit". Und es geht um das Verständnis für die sensiblen Vorgänge, die da ablaufen. Wenn ein famoser Nobelpreisträger der Physik zu Studenten sprechen will, muss er eben auch Einiges über Kommunikation wissen und anwenden können. Und vielleicht muss jeder Lehrer, Teamleiter oder Projektingenieur auch immer ein wenig "Bühnenkünstler" sein.

Sie bieten dennoch „Crashkurse" an. Worauf konzentrieren Sie sich dabei?

Ich bin gegen den Begriff Crashkurs, zumindest im Zusammenhang mit dem Ziel eines Rhetorik-Seminars. Aber ich beginne nicht selten mit einem „Crash". Der Teilnehmer muss sofort aktiv kommunizieren, muss sich kurz vorstellen und wird dabei gefilmt, ohne theoretischen Vorspann. Dann wird ihm die Frage gestellt: Wie fanden Sie sich? Und die anderen werden gefragt: Was fanden Sie gut? Da werden schon spannende Dinge sichtbar und oft ist für die Person selbst der Spiegel verblüffend und neu. In vielen Fällen ist die Selbsteinschätzung kritischer und schlechter als die Einschätzung durch die Anderen. Schon aus diesen Differenzen werden erstaunliche Erkenntnisse sichtbar, und daran lässt sich konstruktiv anknüpfen und eine Theorie für die praktische Anwendung erschließen. Weiterhin verwende ich sehr gern Rollenspiele. In der Hauptsache geht es mir darum, den Anteil des Unbekannten, den „blinden Fleck" zu reduzieren. Die Selbsterkenntnis wird angestoßen und immer wieder gilt es, die Rückmeldungen auszuwerten. Ein Kernsatz der Rhetorik lautet: Der Sender ist im Wesentlichen verantwortlich für das Gelingen der Kommunikation! Wenn einem Akteur das Publikum wegschläft, muss das eben nicht am Publikum liegen, zumindest nicht vorrangig.

Wird die Sprache selbst, das eigentliche gesprochen Wort, damit nun zur Nebensache?

Nein. In die rechten Worte gefasste Sachkenntnis ist immer noch die elementare Voraussetzung. Aber nur mit Worten allein, wie ein Trommelwirbel heruntergerasselt, erreichen Sie oft gar nichts. Der „Zeichenvorrat" des Senders muss mit dem des Empfängers wenigstens kompatibel sein. Also – verständliche Worte benutzen. Unser Gehirn muss wesentlich mehr Eindrücke verarbeiten, als allein die Worte beinhalten. Also - kurze Sätze bilden. Pausen einfügen. Klar strukturieren und Sinnblöcke sauber gliedern. Langsam und deutlich sprechen. Anschaulich argumentieren. Medien nutzen - von der Wandtafel bis zum Beamer. Schwierige Inhalte wiederholen. Das klingt alles ganz selbstverständlich und einfach – wie Binsenweisheiten. Aber praktizieren das alle Politiker, Lehrer, Leiter oder Wissenschaftlern auch so selbstverständlich? Da gibt es noch sehr viel zu tun, stimmt`s?

Vielen Dank!