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TU Dresden, Fakultät Maschinenwesen, Lehrstuhl für Technisches Design
Jens Krzywinski
Tel. 0351 463-35750

tdesign@rcs.urz.tu-dresden.de

Wissenschaft und Technik

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Die Lichthöhle als Rettungs- und Aktionszelt
Susann Mayer

Alarmglocken schrillen, ein Auffahrunfall auf der nahegelegenen Autobahn erfordert rasche Hilfe. Helfer werden aktiviert, sie packen das Rettungszelt ein, das zusammengefaltet etwa Tischgröße hat und damit nicht mehr als einen Kombi zum Transportieren benötigt. Am Unfallort angekommen dauert es nur wenige Minuten, bis die beiden Rettungskräfte das Zelt mit nunmehr 20 qm Grundfläche aufgestellt haben und behandeln können. Das Geheimnis: ein solch pneumatisches wird nicht wie ein Hauszelt mit zeit- und personalaufwändigem Gestänge aufgebaut, sondern per angeschlossenen Druckluftflaschen "aufgepustet".

"Pneumatische Zelte selbst existieren seit den 70er Jahren", erklärt Jens Krzywinski des Lehrstuhls Technisches Design an der TU Dresden. "Bis jetzt werden sie jedoch fast ausschließlich wie ein Hauszelt mit nach innen geneigten Wänden und Spitzdach eingesetzt. Mit einer pneumatischen Struktur sind aber ganz andere Formen möglich", so Krzywinski weiter, der das bisherige zu einem "völlig anderen" Rettungszelt weiter entwickelt hat. Es verbindet neue Materialien mit visionären gestalterischen und konstruktiven Ansätzen. "Mit dieser Idee haben wir Ende November den 3. Platz des ’Sonderpreises Juniordesign’ vom Wirtschaftsministerium gewonnen!"

Was nun ist das Konzept?

"Lichthöhle" hat der Promotionsstudent sein Produkt genannt, das im Gegensatz zu den herkömmlichen Rettungszelten mit den rein technisch bestimmten Lösungen ein ganzheitlich gestaltetes Produkt ist. In den Mittelpunkt stellt er die Anforderungen der Nutzer ? Betroffene und Helfer ? und damit die Idee einer Schutzzelle, die sowohl eine räumliche wie auch eine atmosphärische Trennung gegenüber dem chaotischen Katastrophenumfeld schafft.

Die Grundstruktur
Statt der bisherigen Hauszeltform mit nach innen geneigten Wänden und Spitzdach nutzt die neue Lösung den geometrischen Spielraum. Über der 20 qm Grundfläche wölbt sich eine pneumatische Struktur, die das Gestänge nach draußen trägt. Ein Oberlicht ermöglicht den natürlichen Lichteinfall. So wird der Innenraum geklärt und beruhigt.

Die Versorgungsmedien
Durch die geschaffene Dachwölbung müssen Elektro- und andere Vorsorgungskabel nicht wie bisher auf dem Boden verlegt werden, sondern laufen in einem "Infrastrukturring" an der Decke entlang. Dieser "Schlauch", bestehend aus vier mit einander verbundenen Lagen, sorgt für die Warmluftverteilung und die Beleuchtung, beherbergt die komplette Versorgung und dient außerdem als flexibles Raumordnungssystem. Daran können alle erforderlichen Hilfsutensilien befestigt werden und - wenn erforderlich - Zwischenwände eingehängt werden.

© Ein Infrastrukturring an der Decke aufgehängt organisiert die Ausrüstung, verteilt Wärme und spendet Licht.
© Ein Infrastrukturring an der Decke aufgehängt organisiert die Ausrüstung, verteilt Wärme und spendet Licht.
Das Material

Ob in Mitteleuropa an einem feuchtkalten Herbsttag, im sonnendurchglühtem
Wüstenort oder in eisigen Höhen ? die Dresdner Forscher um Jens Krzywinski
sind mit Abstandsgewebe als isolierende Zeltwände für jedes Klima gewappnet. Leichte luftundurchlässig beschichtete Gewebe für die pneumatische Struktur und faltbare Lichtfolien für Innen, ohne den Einsatz innovativer Materialien sind derart visionäre Lösungen nicht mehr möglich.

Die Einsatzgebiete
Die Anwendungsmöglichkeiten des Zeltes sind vielfältig: zur Behandlung von Verletzten, zur Evakuierung anderer beteiligter Personen, als Leitstellen der Einsatzkräfte, als Pressestelle und zur Dekontaminierung bei Chemieunfällen. Das Basiszelt kann je nach Bedarf zu großen und kleinen Einheiten kombiniert werden, ein zusätzliches Aktionszelt lässt weitere Aufbauvarianten zu, geeignet zum Beispiel als mobiler Sichtschutz. Darüber hinaus wäre es durch den extrem schnellen Aufbau und die ungewöhnliche Gestalt auch für Messen und Veranstaltungen hervorragend geeignet.

Die Zukunft
"Durch Befragung von Rettungskräften in Jena und Halle/Saale sowie Messen wie Materialica ist unserem Produkt die Akzeptanz der Nutzer gewiss", so Krzywinski. "Aber der Markt in Deutschland ist konservativ, es gibt nur drei bis vier Hersteller und diese haben momentan nicht die Kapazität, einen Prototypen herzustellen, der für eine Produktionsreihe notwendig ist." Im Moment heißt es also für die Dresdner Forscher, sich auf die Suche nach Finanzierungsmöglichkeiten zu begeben, um die "Lichthöhle" Realität werden zu lassen.