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Campus und Forschung

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Seegras – Rohstoff der Zukunft?
Susann Mayer

Angeschwemmtes Seegras kann richtig teuer werden. Da es nur mit einer geldintensiven Vorbehandlung entsorgt werden darf und auch das Aufbringen auf die Felder inzwischen verboten ist, haben viele Gemeinden Mecklenburg-Vorpommerns ein Problem. Denn wie auch die Strände des Atlantiks und des Mittelmeeres stellen die der Ostsee ein bedeutendes Wirtschaftsgut dar. Touristen – als wichtiger Wirtschaftsfaktor für diese Regionen – erwarten u.a. saubere Strände. So wird täglich neben Getränkedosen/Plasteflaschen auch angeschwemmtes Strandgut (Seegras/Algen) entfernt. 

Wohin mit dem ungeliebten Strandgut?

Seegras und Algen galten bisher zum größten Teil als Abfall. Aber schon die alten Fischer erkannten den Nutzen von getrocknetem Seegras – z.B. zur Verkleidung der Wetterseiten ihrer Fachwerkhäuser. Seegras war wirksam, wenn man sich vor grimmiger Kälte oder gar brütender Hitze schützen wollte. Heute kommt hinzu, dass steigendes Umweltbewusstsein und europäische Umweltgesetzgebung verlangen, biogene Rohstoffe eher zu verwerten und nicht als Abfall zu deponieren.

Sören Tech, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Holz- und Papiertechnik (IHP) der TUD, trug die Idee zur stofflichen Nutzung von Seegras schon eine Weile mit sich herum. Dann trat er an die Ostseegemeinde „Am Klützer Winkel“ heran: ob man dort nicht testen wolle, wie Seegras eventuell als Bau- und Dämmstoff verwendet werden könnte, statt für eine aufwändige Entsorgung zu bezahlen? Man wollte. Ein EU-Projekt mit neun Partnern aus fünf Ländern wurde ins Leben gerufen, das sich verschiedenen Teilaspekten des Problems widmete; etwa, welche Inhaltsstoffe die verschiedenen Seegras-Sorten haben, wie es am einfachsten getrocknet werden kann, und welche Vermarktungsstrategien sich für das außergewöhnliche Material anbieten.

Das IHP beschäftigte sich mit der Frage, welche Materialeigenschaften bei verschiedenen Mischungsverhältnissen am besten zum Tragen kommen. In einer Pilotanlage wurde untersucht, wie das Seegras kostengünstig so zu reinigen ist, dass es weiterverwendet werden kann. Je nach Produkt wird das Seegras zwischen 15 bis 80 mm gekürzt und anschließend mittels Luftstromtrocknung für die Lagerung oder die Weiterverarbeitung vorbereitet.

So kann Seegras mitteldichten Faserplatten beigemischt werden und damit andere, wertvollere Rohstoffe ersetzen. Es besitzt hervorragende Eigenschaften als Dämmstoff in der Bauindustrie und kann als Platte oder flexible Matte mit guten Isolationswerten eingesetzt werden. Hinzu kommt, dass es durch seinen natürlichen Salzgehalt schwerer entflammt werden kann als vergleichbare nachwachsende Rohstoffe. Das bedeutet, dass dem Rohstoff keine zusätzlichen brandhemmenden Mittel zugesetzt werden müssen. Zudem lässt es sich einfacher verarbeiten als Stein- oder Glaswolle.

Die Wissenschaftler wiesen nach, dass für folgende Produkte und Werkstoffe Seegras als Rohstoff geeignet ist:

  • plattenförmige Dämmmaterialien mit geringer Dichte
  • mitteldichte Faserplatten und -formteile für den Möbel- und Innenausbau
  • leichte plattenförmige Sandwichmaterialien für den Innenausbau
  • Seegras-Zement-Bauplatte
  • Semitranspartenter Verbundwerkstoff aus Seegras und Kunststoff
Auch an Künstlerprodukten aus Seegras wurde gearbeitet – mit Partnern wie der Algenwerkstatt in Damshagen sowie der dänischen Künstlerin Ida Guldhammer. Entstanden sind bisher Lampen mit Schirm und Ständer aus Seegras oder semi-transparenten Leuchten sowie verschiedene Designprodukte aus Seegras.

Insgesamt wird das Thema Seegras-Verwertung in den Zeiten der Rohstoffknappheit (Einjahrespflanzen wie Stroh, Flachs, Hanf sowie Holz) an Interesse gewinnen, ist sich Tech sicher. Bisher verwendet er nur solches, welches an Land gespült wird. Zukünftig kann er sich eine – ökologisch vertretbare – Ernte des Seegrases direkt im Wasser vorstellen. So könnten wertvolle Inhaltsstoffe schonend gewonnen und der Rohstoff sandfrei für hochwertige Anwendungen unabhängig von meteorologischen Gegebenheiten bereit gestellt werden. In Zukunft können so neue maritime Rohstoffquellen für nachwachsende Rohstoffe zur stofflichen Nutzung zur Verfügung stehen.

Tipp: Im Juli 2008 eröffnete der Neubau des Meeresmuseums Stralsund. Dort werden dann auch diese aus Seegras hergestellte Produkte unter dem Motto: „Erforschung & Nutzung der Meere“ zu sehen sein.

Web: http://www.meeresmuseum.de/start/index.htm