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Begreifbares Elbsandsteingebirge

Astrid Renger

© K. Eckold: Begreifbare Felsmassive
© K. Eckold: Begreifbare Felsmassive
Wenn Blinde und Sehbehinderte in das Nationalparkzentrum Sächsische Schweiz kommen, können sie sich am Modell die Gegend erst einmal ertasten. Gleich am Eingang empfängt den Besucher das „Reliefmodell der Sächsisch-Böhmischen Schweiz“. „Da es sehr präzise ist, kann man sich einen guten Eindruck von den landschaftlichen Gegensätzen zwischen den Sandsteinfelsen der Grenzregion und den angrenzenden Mittelgebirgen machen. Die Besuchergruppe hat sonst kaum die Möglichkeit, einen Überblick über die Sächsisch-Böhmische Schweiz als Ganzes zu bekommen“, erläutert Dr. Sabine Stab vom Nationalparkzentrum Sächsische Schweiz in Bad Schandau.

Zuvor hatte es bereits ein ähnliches Modell gegeben, allerdings nur für den Sächsischen Teil. Das neue, etwa 1,2 mal 0,8 Meter große Geländemodell beruht auf Daten des Institutes für Photogrammetrie und Fernerkundung der TU Dresden. Die grenzüberschreitende Schutzgebietsregion wurde vollständig vermessen und ein digitales Geländemodell berechnet. Ein mit Laserscanner und Digitalkamera ausgestattetes Flugzeug hatte dafür das gesamte Gebiet insgesamt 284-mal überflogen. Aus den rund sechs Milliarden Einzelmessungen entstanden etwa 220 Gigabyte Vermessungsdaten, die in 776 Einzeleinheiten zerlegt wurden. Für jede dieser Einheiten wurden mit geeigneten mathematischen Methoden digitale Geländemodelle berechnet. Schlussendlich wurden die Daten sortiert und auf Fehler untersucht. „Dabei haben wir sehr eng mit den drei Schutzgebietsverwaltungen zusammengearbeitet, da der Nationalpark einige topografische Schwierigkeiten für die Modellierung aufweist. An senkrechten Wänden oder stark reflektierenden Flächen waren einige Korrekturen der Programmierung notwendig“, erläutert Marco Trommler, Projektmitarbeiter an der TU Dresden.

„Zum ersten Mal liegen digitale Geodaten tatsächlich für das gesamte Gebiet der Sächsisch-Böhmischen Schweiz vor, das nun auch ein einheitliches grenzüberschreitendes Management möglich macht. Bisher verwendeten die Mitarbeiter der Verwaltungen zum einen ältere und wesentlich ungenauere Daten sowie auch unterschiedliche digitale Daten, die meist an der Grenze nicht zusammen passten“, erklärt Marco Trommler. Der Wissenschaftler wünscht sich in Zukunft grenzüberschreitende Wanderkarten und die Beschilderung des gesamten Gebietes in tschechischer und deutscher Sprache.

Die Kombination von Laserscanner und Digitalkamera hat für die Datenerhebung den Vorteil, dass nicht nur ein Oberflächen-, sondern auch ein Bodenmodell erstellbar ist. Die Signale des Laserscanners durchdringen die Baumkronen und lassen so auch Oberflächendetails sichtbar werden, die mit einem Luftbild nicht erkennbar sind. Auf diese Weise ist am Pfaffenstein eine Wallanlage aus der Bronzezeit (11. bis 9. Jh. vor unserer Zeitrechnung) sichtbar, die auf einem Oberflächenmodell oder Luftbild aufgrund des Waldbewuchses nicht erkennbar ist.

„Mit Hilfe des digitalen Geländemodells sind auch durchschnittliche Baumhöhen bestimmbar, die für die Forstkartierung wichtig sind. Es lassen sich aber auch Hochwasserszenarien modellieren und Feuchtgebiete auffinden, die seltene Tiere und Pflanzen beherbergen“, erläuterte Marco Trommler einige Anwendungsmöglichkeiten der Daten. In Zukunft könnte das digitale Geländemodell auch für die Planung von Baumaßnahmen oder Windkraftanlagen genutzt werden, denn mit dessen Hilfe sind Windverteilung oder Sichtbeziehungen im Gelände zu ermitteln. Auch zum Felsmonitoring oder zur Berechnung lärmmindernder Eigenschaften des Waldes ist das Geländemodell nutzbar.

Die Exponate im Nationalparkzentrum in Bad Schandau sind bereits vollständig zweisprachig aufbereitet und der haptische Eindruck des Geländemodells ist sowieso von Sprache unabhängig. Folgerichtig ist ein gleiches Modell für das neue Nationalparkzentrum auf tschechischer Seite in Krásná Lípa im Gespräch.