diesen Artikel: drucken

Wie PEGIDA-Demonstranten denken

UJ/Susann Mayer

Die meisten PEGIDA-Demonstranten sind besorgte und empörte Bürger, nur ein Drittel besteht aus  „rechtsnationalen Xenophoben". Dies ist das zentrale Ergebnis einer Studie von Prof. Werner Patzelt, Professor für Politische Systeme und Systemvergleich an der TU Dresden. 

Seine Analyse der PEGIDA-Demonstranten bestätigt im Wesentlichen die Befunde bisheriger Studien zur sozialen Zusammensetzung der Demonstranten oder zum Stellenwert einer befürchteten Islamisierung als Motiv. Fremden- und Islamfeindlichkeit sind demnach zwar Kristallisationspunkte gemeinsamer Empörung, zentrales Motiv ist aber Unzufriedenheit mit Politikern, Parteien und Medien.

© Ronald Boss; PEGIDA-Demonstration in Dresden
© Ronald Boss; PEGIDA-Demonstration in Dresden

Wie und mit welchen Methoden kam es zu dieser Studie, dessen Ergebnisse nachfolgend aufgeführt sind?

Prof. Patzelt meint dazu: „Zunächst einmal möchte ich hervorheben, dass die Leitfrage nicht so sehr war, WER bei PEGIDA demonstriert, sondern folgende Fragen: Was motiviert die Demonstranten? Wie denken sie über ihnen wichtige Dinge? In welche Zusammenhänge betten sie das ihnen Wichtige ein?“

Um dies herauszuarbeiten, bedienten sich die drei Mitstreiter der Studie – allesamt Master-Studenten – einer klassischen Fallstudienmethode. „Das bedeutet, dass jeder Studierende sich einen ‚Fall‘ auszusuchen hatte, an dem praktisch zu erproben war, was ich in meinem Methodenseminar des vergangenen Wintersemesters vermittelt habe“, so Patzelt. „Die Studenten legten ihr Projekt in drei Ebenen an: Analyse des Orga-Teams, der Internet-Kommunikation und der Demonstranten selbst. Sie nahmen an den ‚Abendspaziergängen‘ teil und sprachen mit den Teilnehmern; sie untersuchten die Internetkommunikation der ‚Pegidianer‘ in sozialen Netzwerken und werteten die zum Thema veröffentlichte Texte in Print- und Onlinemedien aus.“ Neben diversen offenen Befragungen fand eine standardisierte Befragung im Januar 2015 mit 242 Teilnehmern statt.

Zudem konnte diese Studie auf bereits vorliegende zum Thema aufbauen – so die von Prof. Hans Vorländer „Wer geht zu PEGIDA und warum?“ bzw. von Prof. Wolfgang Donsbach „Welche Ein­stellungen führen zu PEGIDA"?

Auch wenn – wie die erwähnten Studien auch – die vorliegende Untersuchung keinen definitiven Anspruch auf Repräsentativität erheben kann, sind die Ergebnisse methodisch fundiert und aufschlussreich. „Es ist einfach methodisch unmöglich, eine unverzerrte Zufallsstichprobe aus der Grundgesamtheit der Demonstrationsteilnehmer zu ziehen“, betont Patzelt. „Doch wir konnten z.B. auf den Ergebnissen der Vorländer-Studie zur sozialen Zusammensetzung der Demonstrationsteilnehmer aufbauen und so den Interviewern Quoten vorgeben, welche Zielpersonen (Geschlecht, Alter) sie befragen sollen.“

Welches sind die wichtigsten Erkenntnisse aus der Untersuchung?


© W. Patzelt; Folien (2) aus der Studie „Was und wie denken PEGIDA-Demonstranten?”
© W. Patzelt; Folien (2) aus der Studie „Was und wie denken PEGIDA-Demonstranten?”




Aufgrund der Studienergebnisse gibt der Politikwissenschaftler Prof. Werner Patzelt für den Umgang mit PEGIDA folgende Handlungsempfehlungen: PEGIDA-Gegner sollten verbal, emotional und symbolisch abrüsten, um ein weiteres Anwachsen der Bewegung durch Solidarisierungseffekte zu vermeiden. PEGIDA selbst soll zur Formulierung politischer Ziele veranlasst werden mit dem Ziel, die Moderaten von den Radikalen abzuspalten. Zivilgesellschaft und Politik sollten mit den sogenannten gutwilligen PEGIDA-Demonstranten sachlich und offen diskutieren, um praktische Probleme zu erkennen und einen Konsens für den Wandel zu einer Einwanderungsgesellschaft zu schaffen. Nicht zuletzt fordert Patzelt Zivilcourage gegen jede Form von Aggressivität, Einschüchterung und Ausgrenzung.

Unlängst hielt Patzelt den Vortrag „Was ist PEGIDA – in Dresden und anderswo?“, der die Erkenntnisse soziokulturell erläutert, denn häufig kommt die Frage auf, mit der der Politikprofessor seinen Vortrag beginnt: „Was war – oder ist weiterhin – jene Dresdner PEGIDA-Bewegung, die so großen Zulauf, auch so viele Ableger bis in andere Länder fand? Wird in ihr wohl etwas sichtbar, was den Dresdner Fall übersteigt, ja was vielleicht ein allgemeines Problem von Städten in einer globalen Migrationsgesellschaft sein mag?“

Um mit beinahe mahnenden Worten zu enden. „Blickt man von soziokulturellen Tiefenschichten her auf PEGIDA, so drängt sich die Vermutung auf, dass es sich dabei um ein in Ostdeutschland zwar besonders ausgeprägtes, doch auf die neuen Bundesländer durchaus nicht begrenztes Phänomen handelt. Es scheint eher so zu sein, dass der Osten, und zwar aufgrund seiner fragilen Umstände, einmal mehr als jene ‚Avantgarde‘ fungiert, die – wie bei der Auflösung von gewerkschaftlich gesicherten Arbeitsbeziehungen oder bei der zunehmenden sozialen Bindungslosigkeit politischer Parteien – frühzeitig erkennen lässt, was bei Fortgang der laufenden Veränderungsprozesse wohl auch auf den Westen zukommen wird.“