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Lesererzählungen

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Einmal Siam und zurück um 1900 – Das Leben des Baumeisters Karl Siegfried Döring
Steffi Eckold

„Wenn jemand eine Reise tut, so kann er was erzählen", dichtete Matthias Claudius 1774. Karl Siegfried Döring kam rund 100 Jahre später auf die Welt und hätte dem spontan zugestimmt. Der Baumeister brachte nicht nur deutsche Architekturstile nach Siam, sondern den Deutschen mit seinen Büchern auch Kultur und Traditionen des heutigen Thailand näher.

© Karl Siegfried Döring um 1910
© Karl Siegfried Döring um 1910
Karl Siegfried Döring kam 1879 in Köln als Sohn eines Pfarrers zur Welt. Er legte 1899 das Abitur in Neustettin ab und studierte anschließend an der Technischen Hochschule Berlin-Charlottenburg Architektur. An der Universität Berlin besuchte er gleichzeitig auch Vorlesungen für Kunstgeschichte – besonders begeisterte ihn die Kultur und Architektur Hinterindiens. Döhring beendete sein Studium 1905 als Diplom-Architekt und bewarb sich im selben Jahr um eine Position im siamesischen Staatsdienst. Nach kurzer Zeit bei der Eisenbahndirektion in Berlin wurde Dörings Traum schon 1906 wahr: Am 1. Mai trat er in den siamesischen Staatsdienst in Bangkok ein.

Wie schon in Berlin erstreckte sich Dörings Aufgabenbereich zunächst auf Arbeiten im Bahnbereich. Bis 1909 war er Ingenieur im Königlich Siamesischen Eisenbahndepartement, entwarf Eisenbahndirektionsgebäude und Bahnhofsgebäude für die siamesische Provinz. Auch Wohnhäuser für Beamte waren unter seinen Entwürfen, von denen einige umgesetzt wurden. Erhalten haben sich unter anderem zwei Bahnhofbauten: Um 1900 errichtete Döhring den Bahnhof Thonburi in Bangkok –- im europäischen Backsteinexpressionismus. Das 1945 zerstörte Gebäude wurde nach Ende des Zweiten Weltkriegs originalgetreu wiederaufgebaut und ist heute Teil des Sirirat-Krankenhauses. Ebenso außergewöhnlich ist Dörings Entwurf des Bahnhofs in Phitsanulok, einer Provinzstadt nördlich von Bangkok. Der ab 1906 umgesetzte Bau erinnert an Fachwerkbauten, wie sie in Süddeutschland typisch sind.

© Foto: Heinrich Damm/Hdamm, Bahnhof Phitsanulok Lizenz: CC BY-SA 3.0
© Foto: Heinrich Damm/Hdamm, Bahnhof Phitsanulok Lizenz: CC BY-SA 3.0
Der siamesische König Chulalongkorn war der europäischen Kultur verfallen. Wie schon sein Vater König Mangkut modernisierte er Siam nach europäischem Vorbild. Als erster siamesischer König besuchte er zudem das westliche Ausland und ließ seine Söhne in Europa ausbilden. Es überrascht daher nicht, dass Dörings Arbeiten den König begeisterten – so sehr, dass er ihn 1909 in das Innenministerium Siams berief. In seiner neuen Funktion als Oberintendant, Architekt und Ingenieur des Innenministers hatte Döring direkten Kontakt zum siamesischen Königshaus. Bereits im September 1909 ernannte ihn der König zu seinem ersten Architekten. Prinz Dilok Nabarath beauftragte Döring, ihm einen neuen Palast zu bauen und auch andere Mitglieder des Königshauses gaben bei Döring Palastneubauten in Auftrag. Er verstand es dabei, in seinen Bauten nicht nur europäische Stilrichtungen mit asiatischen zu verbinden und so architektonische Unikate hervorzubringen. Seine Bauten scheinen sich zudem dem Besitzer in erstaunlicher Weise anzupassen. Prinz Dilok Nabarath erhielt ein funktionales, einfaches Palastgebäude in geraden Formen. Königin Sukhumala Mahasiri hingegen wohnte bald in einem geradezu anmutigen Palast im Art-Déco-Stil mit femininen Türmchen und Bögen. Am beeindruckendsten jedoch ist Dörings palastartige Villa für König Chulalongkorn, die ab 1910 erbaut wurde. Sie brachte in ihren Verzierungen den Jugendstil nach Siam. Heute erinnert dort eine kleine Ausstellung unter anderem mit Bauplänen Dörings an den Architekten aus Deutschland.

© Foto: Kawpodmd, Villa für König Chulalongkorn in Phetchaburi, Lizenz: CC BY-SA 3.0
© Foto: Kawpodmd, Villa für König Chulalongkorn in Phetchaburi, Lizenz: CC BY-SA 3.0
Dörings Aufenthalt in Siam wurde jäh unterbrochen, als seine Ehefrau 1911 überraschend verstarb. Auch die Konkurrenz mit anderen internationalen Baumeistern setzte Döring zu und so kehrte er 1911 für ein Jahr nach Deutschland zurück. An der TH Dresden verteidigte er bereits im Juli 1911 seine Doktorarbeit über „Das Prachedi in Siam", also über die turmartigen Bauten buddhistischer Tempelanlagen, in denen Buddha verehrt wird. Doktorvater wurde der damalige Professor für Geschichte der Baukunst Cornelius Gurlitt, der sich in Sachsen als „Retter des Barock" einen Namen gemacht hat. Bereits 1912 kehrte Döring mit seiner neuen Ehefrau nach Siam zurück. Sein Aufgabenbereich hatte sich nun deutlich erweitert. Er plante als Architekt unter anderem den Bau der ersten Universität Siams, war als Ingenieur aktiv und wurde zusätzlich 1912 Aufseher des Museums siamesischer Altertümer. Damit verbunden waren Ausgrabungsreisen, die ihn in zahlreiche Ruinenstädte Nordsiams führten. Die Mehrbelastungen setzten ihm zu und er erkrankte so schwer, dass ihn die Ärzte im Herbst 1913 zu einer Kur nach Deutschland schickten. Er nutzte die Zeit, um sich in Erlangen mit einer Arbeit zu Haupttempeln siamesischer Tempelanlagen zum Dr. phil. promovieren zu lassen. Döring wollte vollkommen gesundet 1914 nach Siam zurückzukehren: Der Erste Weltkrieg machte seine Pläne zunichte. Er nahm ab 1915 in einem Luftschifferbataillon am Krieg teil. Bezeichnend für seine Energie und seinen Wissensdurst ist seine dritte und letzte Dissertation, die er während des Krieges 1916 in Greifswald zu einem juristischen Thema einreichte. Auch nach Ende des Krieges 1918 erfand sich Döring chamäleonartig immer wieder neu. Er gab seine Arbeit als Architekt auf und widmete sich kunsthistorischen und kunstgeschichtlichen Arbeiten. In Werken wie „Siam, Land und Volk" oder „Buddhistische Tempelanlagen in Siam" brachte er den Deutschen das Land Siam und seine Bewohner näher. Daneben machte er sich als Kunstgewerbler selbstständig, entwarf Teppiche, Tapeten und Porzellane. Am meisten Menschen hat er jedoch auf vollkommen andere Weise erreicht: Unter dem Pseudonym „Ravi Ravendro" schrieb er nicht nur eigene Romane wie „Im Schatten Buddhas", sondern übersetzte auch zahlreiche Kriminalromane von Edgar Wallace ins Deutsche. Sie werden bis heute aufgelegt. Der Katalog der Deutschen Nationalbibliothek führt den 1941 verstorbenen Döring daher als „deutschen Schriftsteller und Übersetzer, Jurist, Philologen und Ingenieur" – ein internationales Multitalent.

Mehr zu Döring und anderen Promovenden der TU Dresden gibt es in der Buchreihe „Von Dresden in die Welt. Frühe Promovenden der TU Dresden in Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft".