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Mein Studium in der DDR
Ursula Wonneberger

Nach dem Abitur stand für mich einem Studienbeginn nichts mehr im Wege. Mein Traum war es Sportlehrer zu studieren, aber durch unsere Planwirtschaft wurden 1973 keine Sportlehrer ausgebildet.

© Die Autorin Ursula Wonneberger in den 1970ern.
© Die Autorin Ursula Wonneberger in den 1970ern.
Also habe ich auf dem Gebiet der Elektronischen Datenverarbeitung (EDV) studiert, da ich bereits 1972 den Facharbeiterbrief eines Datenverarbeiters in der Tasche hatte. Am 01.September 1973 begann das Studium an der Ingenieurhochschule (IHS) in Dresden. Sehr viel Marxismus-Leninismus wurde in den ersten vier Semestern gelehrt. Das war für alle Studenten die Grundsäule.

Unsere Studienschwerpunkte beinhalteten:

  • Marxismus/Leninismus
  • Automatisierung des technischen Ablaufes
  • Betriebsökonomik
  • Systeme der Datenverarbeitung und Programmierung

Im Grundstudium studierten wir in den Fächern Mathematik und Physik, Fremdsprachen Russisch und Englisch, Marxismus/Leninismus, im Fachstudium Technologie der Produktion, Programmierung, Technologie der Informationsverarbeitung, ökonomische Wissenschaft und EDV-Systeme.

Ein Facharbeiterabschluss und das Abitur waren für unser Studium Voraussetzung. Sieben Semester studierten wir insgesamt. Sechs Semester an der Hochschule und im siebenten Semester war die Ausbildung in der Praxis sowie die Anfertigung der Hochschulabschlussarbeit. Mein Vertragspartner war der VEB Kombinat Elektronische Bauelemente Teltow.

Aller 14 Tage hatten wir in den sechs Semestern am Samstag Vorlesungen. Das Grundstipendium betrug 190,- Mark der DDR.

Die SG 73-11-03 der IHS
Die SG 73-11-03 der IHS


Auf der Güntzstraße 22 in Dresden wohnte ich im Internat. Studiert, gewohnt und geschlafen wurde im Internat, fein säuberlich nach Geschlecht getrennt, zu viert in einem Zimmer. Dieses kostete alle Studenten im Monat nur 10,- Mark der DDR. Sogar die Bettwäsche wurde uns kostenlos gestellt. Ausnahmen zur Zimmerbelegung gab es für die jung verheirateten Ehepaare mit oder ohne Kind sowie für Muttis mit Kind. Sie wohnten natürlich in einem Zimmer zusammen. Die kleinen Kinder unserer Mitstudenten gingen in die hochschuleigene Kinderkrippe auf der Gerokstraße. So konnten auch die jungen Muttis unbelastet ihrem Studium nachgehen.

Die Mädchen sowie die Jungen nutzten gesondert Gemeinschaftswaschräume für die körperliche Hygiene.

Für uns alle war es zu viert eine große Herausforderung, auf engstem Raum zu leben und zu studieren. Gegenseitige Rücksichtsnahme hatte Priorität. Gemeinsam verbrachten wir Studenten die Wochenenden. Das schmiedete auch sehr den kollegialen Zusammenhalt. In der Woche versorgten wir uns früh und abends selbst. Mittagessen gab es für 50 Pfennige in der Hochschulmensa.

Am Sonnabend holte jeder mal vom Bäcker frische Brötchen. Die Bäcker, die Fleischer, die Gemüsehändler et cetera, waren staatlich subventioniert. Ein Brötchen kostete in der DDR 5 Pfennige, ein kleines Mischbrot weniger als eine Mark. Jeden zweiten Sonnabendfrüh wurde gemütlich miteinander gefrühstückt. Auf den Tisch kamen viele leckere regionale Lebensmittel. Von zu Hause brachte jede etwas zum Essen mit, denn die Studenten kamen aus der gesamten DDR. Ich konnte die selbst geschlachtete Leberwurst und den Hackepeter im Glas beisteuern sowie die frischen Hühnereier. Andere brachten selbst eingekochte Marmeladen mit. Das Frühstück war immer ein Hochgenuss. Dabei wurden Pläne für das Wochenende geschmiedet. War am Samstag Tanz, ging es zum gemütlichen Beisammensein in unseren Kellerclub.

© Ursula Wonneberger (2); Studentenleben in den 1970ern
© Ursula Wonneberger (2); Studentenleben in den 1970ern


An das Apfelpflücken in Borthen erinnere ich mich auch sehr gern. Oktober 1974. Die Apfelbäume waren übermäßig mit den leckeren Äpfeln bestückt, sodass auch wir Studenten aufgerufen worden sind, uns beim Apfelpflücken zu beteiligen. Der Plantagenobstbau Borthen wuchs zum Zentrum des Obstbaus in Sachsen heran. Im Volkseigenen Gut Obstproduktion Borthen halfen wir Studenten an einem Wochenende, die Apfelernte einzubringen. Als Belohnung durften wir uns so viel Äpfel mitnehmen, wie jeder tragen konnte. Die Arbeit an der frischen Luft war ein Ausgleich zum Studium im Hörsaal. Viel Spaß und gute Laune kam auf. Auch zum Naschen der leckeren Äpfel gab es reichlich Gelegenheit. Die gepflückten Äpfel mussten wie rohe Eier behandelt werden, um eine lange Lagerfähigkeit zu erhalten.

Um auch auf einen eventuellen feindlichen Atomwaffenabwurf vorbereitet zu sein, mussten die weiblichen Studenten im Oktober 1975 ins Zivilverteidigungslager (ZV-Lager) nach Glowe auf Rügen zur Ausbildung. In festen Baracken wurden wir Mädchen untergebracht. Täglich bekamen wir Vollverpflegung, da wir während der Schulungen das ZV-Lager nicht verlassen durften. Neben sportlicher Betätigung bekamen wir Hinweise und Anregungen für das tägliche Leben; auch die DRK-Ausbildung kam nicht zu kurz. Hartgesottene sprangen sogar noch im Oktober ins kühle Nass der Ostsee. Der Herbst 1975 meinte es wettermäßig mit uns sehr gut.

Studentenleben in den 1970ern
Studentenleben in den 1970ern

Nach dem Studium waren wir in der Industrie und in allen Rechenzentren der Firmen einsetzbar. Alle Absolventen wurden im Rahmen des 5-Jahres-Planes bilanziert. Wo nach dem Studium Absolventen gebraucht wurden, dort waren dann unsere beruflichen Einsatzgebiete.

Tipp der Redaktion:
Seit Jahren werden Erinnerungen von TUD-Absolventen in diesem Magazin veröffentlicht. Betrachtet man sie in der Gesamtschau, so zeichnen sie ein recht farbiges und anschauliches Bild von der Universität während ihrer Anfangszeit wieder. Einen Großteil der Erzählungen ist im Buch „Mit dem Motorrad durch den Zeuner-Bau” veröffentlicht, dies ist HIER bestellbar.