Lesererzählungen | |
Dresden Revisited |
© Dresden heute inspirierte J. Brenner zu dieser Skizze.
Heute ist es fast vergessen, aber die Äußere Neustadt war schon zu DDR-Zeiten Gegenstand von Bemühungen um die städtebauliche Sanierung. Die manchmal unberechenbaren Schwankungen der kommunistischen Städtebaupolitik eröffneten neben dem industriellen Massenwohnungsbau manche Nischen. Im Falle Dresdens mag auch die unausgesprochene Erwägung eine Rolle gespielt haben, dass nach der Zerstörung des historischen Stadtkerns der Stellenwert der Gründerzeitgebiete deutlich zugenommen hat. Jedenfalls wurde in einigen Häuserblöcken an der Förstereistraße und an der Jordanstraße unter der Leitung von Professor Bernhard Klemm (TU Dresden) der Versuch unternommen, durch Blockentkernung und durch teilindustrialisierte Modernisierung der Blockrandbebauung eine deutliche Verbesserung der Situation herbeizuführen.
Ich ging also die Alaunstraße entlang, versuchte wiederzuerkennen, wo die besagte Kneipe wohl gelegen haben mag, konnte das Haus aber nicht mehr genau identifizieren. Ich schnüffelte in die Treppenhäuser, sah in unsanierten Häusern noch die ausgetretenen Sandsteinstufen. Insgesamt macht das Viertel insofern den Eindruck erfreulichen Gleichgewichts, als dass neben den schickeria-aufgemotzten Künstlerhöfen durchaus schrille Kneipen zu sehen sind, und das Publikum ist gemischt: Punks und Studenten neben sich selbst erkennbar für wichtig haltenden Rechtsanwälten und Werbeleuten, auf jeden Fall mit viel Leben auf der Straße. Am spannendsten war vielleicht immer noch der Straßenzug Rothenburger und Görlitzer Straße, mit dem ganz leichten Versatz an der Kreuzung mit der Böhmischen Straße, im Straßenprofil so eng, dass die Straßenbahn hier wie eh und je eingleisig fährt. Zu meiner Studentenzeit wies das Viertel schon unverkennbare Spuren des langsamen baulichen Verfalls auf – bröckelnde, verrußte Fassaden und von überall her wehte der unverkennbare Rauch der verfeuerten Braunkohle. Das Hotel „Rothenburger Hof“ hat die Zeitenwende überlebt – ich kann mich noch an den leicht rauchvergilbten Gardinen von damals in den Erdgeschossfenstern erinnern. Man konnte ungeachtet aller sozialistischen Parolen damals spüren, dass hier noch die Sozialgeografie der Vorkriegsstadt galt und dies eben keine „Adresse“ war. Einige Straßenzüge weiter wohnten Freunde meiner Eltern in einer Gründerzeitvilla, umgeben von einem großzügigen, fast parkartigen Garten. Ungefähr zur gleichen Zeit gab es allerdings die ersten, halblegalen Haus-Instand-Besetzungen in anderen Stadtteilen, teilweise gefördert durch Mitarbeiter der Denkmalpflege.
hier gehts weiter!