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Campus und Forschung

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Hinsehen – und dann?
Dagmar Möbius

Opfer häuslicher Gewalt brauchen ca. sieben Jahre, bevor sie Hilfe annehmen. Selten ist offensichtlich, was hinter geschlossenen Türen vor sich geht. Besonders die psychischen Folgen solcher Taten wurden bisher auch in Fachkreisen zu wenig beachtet.

Auf einer Fachtagung am 5. September in Dresden informierten sich 300 Teilnehmer über Möglichkeiten eines kompetenten Umgangs mit den psychischen Folgen häuslicher Gewalt. Das Sächsische Sozialministerium fördert das wissenschaftlich begleitete Modellprojekt „Hinsehen – Erkennen – Handeln im Gesundheitswesen“. Dr. med. Julia Schellong, Oberärztin für Psychotraumatologie an der Klinik und Poliklinik für Psychotherapie und Psychosomatik des Universitätsklinikums, plädiert für eine sachsenweite Vernetzung von Fachkräften im Gesundheitswesen und den bestehenden Beratungs- und Behandlungsangeboten: „Damit lässt sich das Leid der Opfer verringern und es können psychische Folgestörungen verhindert werden.“ Vor allem eine gezielte, sensible Ansprache im geschützten Raum ist notwendig, um Betroffene zu ermutigen, sich helfen zu lassen. Aufmerksam sein, ansprechen und Hilfe anbieten könne aber jeder.

Die Klinik und Poliklinik für Psychotherapie und Psychosomatik initiierte das „Traumanetz Sachsen“, das sowohl Betroffenen als auch Behandlern von Traumaopfern eine Plattform der Information bietet. Zwar gebe es zahlreiche Initiativen, Einrichtungen und Beratungsstellen, jedoch wisse man bisher zu wenig voneinander. Sachsenweit gibt es momentan 18 Frauen- und Kinderschutzeinrichtungen, sieben Interventions- und Koordinierungsstellen sowie drei Täterberatungsstellen. 1099 Opfer häuslicher Gewalt wurden 2007 allein in den sächsischen Interventions- und Koordinierungsstellen beraten. 95,5 Prozent waren Frauen.

Was ist ein Trauma?

Ein Trauma ist ein plötzliches und unvorhersehbares Ereignis, das bei fast jedem Menschen eine tiefgreifende Verzweiflung hervorrufen würde. Von einem Trauma wird gesprochen, wenn:
 

  • eine außergewöhnliche psychische oder körperliche Belastung erlebt werden muss
  • ein Mensch mit der Möglichkeit des eigenen Todes oder dem plötzlichen Tod einer nahestehenden Person konfrontiert wird
  • eine lebensbedrohliche Situation mit (subjektivem) Kontrollverlust eintritt
  • das Ereignis in der betroffenen Person Gefühle von Verzweiflung, Hilflosigkeit und Angst auslöst
Die meisten Menschen sind im Laufe ihres Lebens zumindest einer traumatischen Situation ausgesetzt. Die Reaktionen auf das traumatische Geschehen sind jedoch sehr individuell. Nicht alle Menschen reagieren nach einem Trauma mit einer psychischen Störung. Traumata können nach Art und Schwere in folgende Kategorien unterteilt werden:

  • Monotraumata (Typ-I-Trauma) sind eher einmalig und zeitlich begrenzt, zum Beispiel Verkehrsunfälle, Naturkatastrophen, aber auch Überfälle und andere
  • Typ-II-Traumata, sind oftmals in frühem Lebensalter beginnende und fortgesetzte, komplexe, durch Menschenhand verursachte Traumatisierungen und können schwerwiegendere Folgen nach sich ziehen.
Die Folgen eines Traumas können sich sehr unterschiedlich auswirken. Häufig fühlen sich die Betroffenen nicht nur körperlich, sondern auch psychisch und sozial verletzt – deswegen ist die Aufarbeitung eines Traumas sehr vielschichtig.