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Niels von Festenberg
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Wissenschaft und Technik

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Schnee, der auf Zedern fällt
Martin Morgenstern

Eine möglichst perfekte Abbildung der Wirklichkeit in virtuellen Computerwelten ist ein Ziel, dem Programmierer in den letzten Jahren näher und näher gekommen sind. Sogar höchst komplexe Phänomene wie Rauch, Wasser oder ganze Pflanzen wurden dabei bereits in befriedigender Qualität simuliert.

Erstaunlicherweise existiert jedoch in virtuellen Welten – man denke an „Second Life“ oder wesentlich elaboriertere Computerspiele – noch kein einziger brauchbarer Algorithmus, um eine vorgegebene Landschaft virtuell zu beschneien. „Schnee ist eben eines der komplexesten Materialien, das auf der Welt existiert“, sagt Niels von Festenberg. „Ein Quadratzentimeter Schnee wird von Tausenden von Schneeflocken verschiedener Form und Größe gebildet, und je nach Temperatur und Luftdruck verhält sich Schnee völlig unterschiedlich im Fallen und im Zusammenhalt der Flocken.“ Der Mitarbeiter am Institut für Software- und Multimediatechnik der TU Dresden hat nun im Rahmen seiner Doktorarbeit ein gänzlich neues „Schnee-Modell“ für virtuelle Landschaften entwickelt.

© N. v. Festenberg: Links ein Foto, rechts das Ergebnis der künstlichen Schneeerzeugung.
© N. v. Festenberg: Links ein Foto, rechts das Ergebnis der künstlichen Schneeerzeugung.
„Frühere Arbeiten auf diesem Feld modellierten Schnee entweder sehr rechenaufwendig, indem sie jede einzelne Flocke simulierten, oder vereinfachten das Problem zu weit, indem sie Schnee wie eine durchgehende dicke Decke über die Landschaft legten“, erklärt von Festenberg. Für sein Dissertationsprojekt geht der Software-Entwickler einen Mittelweg. Für sein Simulationsmodell analysierte er im ersten Schritt, wie sich Schnee in der realen Welt um komplexe Strukturen herum anlagert. Dabei untersuchte er auch ungewöhnliche Spezialfälle – wie etwa Schnee an einem glatten Straßenschild „festpappt“. In einem zweiten Schritt übertrug er die Erkenntnisse auf ein Schneemodell, das topografische Höhendaten verarbeitet und eine ganzheitlich beschneite Szenerie errechnet, die realen Verhältnissen an Detailtreue kaum nachsteht.

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„Das sehr komplexe Problem des Beschneiens einer Landschaft könnte man dem des realistischen Beleuchtens als verwandt ansehen“, sagt der Dresdner Physiker und Informatiker. „Es gibt eine Art weicher Schatten, wie durch Überlagerungen von reflektiertem und gebrochenem Licht. Schnee, der beispielsweise auf einen Nadelbaum fällt, wird von kleinen Zweigen und Nadeln mehrmals in seinem Fall umgeleitet, bevor er endgültig liegen bleibt.“ Das Resultat seiner Berechnungen ist ein komplexes Wahrscheinlichkeitsmodell von Schneemassen-Verteilungen (snow mass probability distribution), das später weiter beeinflusst werden kann, wenn etwa jemand in der simulierten Schneedecke Fußspuren hinterlässt.

Auf dem diesjährigen „Eurographics Workshop Natürliche Phänomene“ in München hat von Festenberg seine bisherigen Arbeiten einem Fachpublikum präsentiert. Und auch wenn es bis zur Echtzeit-Simulation von wilden Schneestürmen noch ein paar mehr Schritte sind – „das neue Modell hat sich in bisherigen Demonstrationen zuverlässig bewährt und die Kollegen zu Beifallsstürmen hingerissen!“