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Lesererzählungen

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Freier Geist durch Pensionierung
Erhard Bellermann

Gibt es ein (geistiges) Leben nach der Pensionierung? Ja, und es kann recht vielfältig sein!

© privat; der Autor E. Bellermann
© privat; der Autor E. Bellermann
Als Absolvent der Fakultät für Bauwesen habe ich erfahren, dass ein ingenieurtechnisches Studium bei so hervorragenden Persönlichkeiten wie Professor Bürgermeister, Professor Brendel, Professor Kinze und Professor Lewicki – um nur einige zu nennen –- auch Nachwirkungen auf literarischem Gebiet haben kann.

Geprägt von der Wahrhaftigkeit ingenieurtechnischen Wissens, geschult durch die präzise und praxisorientierte Kombinatorik, gefordert von der notwendigen lebens- und arbeitserhaltenden Wahrheitsverpackung in der ehemals sozialistisch-totalitären Diktatur, entwickelten sich bei mir die Wurzeln einer satirischen Betrachtungs- und Ausdrucksweise.

In leitenden Funktionen oblagen in der DDR besonders die vom Makel der Parteilosigkeit Gekennzeichneten der fürsorglichen Kontrolle durch Funktionäre und deren Beobachtungsorgane. Die gesellschaftlichen Auseinandersetzungen hatten in ihrer Nebenwirkung geistiges Potenzial angespeichert, das mit dem Eintritt in die Pensionärszeit einer Entspannung auf literarischem Gebiet bedurfte und durch die Einheit auch ermöglicht wurde. All den Umständen, sowie meiner Neigung, verdanke ich es, dass ich nach meiner Pensionierung das Leben mit neuem Inhalt erfüllen konnte. Es fand bisher Niederschlag in der Veröffentlichung der Aphorismenbände „Veilchen, soweit das Auge reicht“, „Menschs Tierleben“ und „Dümmer for One“.

Hieraus einige Leseproben:

Es gab ein Schweigen, das sich herumsprach.

Geistesanalphabeten müssen sich mit Statussymbolen verständigen.

Seitdem es Posten gibt, können die Menschen fliegen.

Das Agitier,
das gab’s mal hier.
Nie wurde es ernst genommen,
da ist es umgekommen.

Kleine Dummheiten sind Geschichten, große Dummheiten sind Geschichte.

Der Wetterhahn
ist Veteran.
Man wird so alt mein Kind,
dreht man sich nach dem Wind.

Seit den Anfängen der Diplomatie trifft man sich am Ende in der Mitte.

Ein Abwickler im Haus,
der bringt dir schnell das Aus.
Er wickelt ab zum Schein
und wickelt dich nur ein.

(Abwicklung ist ein Kulturbedürfnis – schon in der kleinsten Sanitärzelle.)

Der Mensch ist humorlos, kann aber im Ernstfall lustig sein.

Ich grüße alle Kommilitonen. Vielleicht konnte ich eine Anregung zur Lebenserfüllung, zum kurzweiligen Lesen oder vergnüglichem Denken geben. Nutzt den Vorteil, Gedanken sind schneller als der Schall!

Entnommen aus: TU-Edition: „Mit dem Motorrad durch den Zeuner-Bau“. Alle bisher veröffentlichten Texte des Buches finden Sie hier!