Artikelsuche

Rubrik: Autor:

TU Dresden, Institut für Akustik und Sprachkommunikation,
Dr. Gunter Ziegenhals,
Tel. +49 37467 23481

Ziegenhals@freenet.de

Wissenschaft und Technik

Url senden | Seite drucken

Die Schönheit liegt im Ohr des Betrachters
Martin Morgenstern

Knapp 700 Violinen des Geigenbauers Antonio Stradivari, so schätzt man, sind heute noch irgendwo auf der Welt erhalten. Gelangen die Instrumente ausnahmsweise einmal zur Versteigerung, erzielen sie garantiert Rekordpreise.

© Marmor; Von wegen unverwechselbarer Klang: Der Einfluss des Geigers ist größer als der des Instruments
© Marmor; Von wegen unverwechselbarer Klang: Der Einfluss des Geigers ist größer als der des Instruments
Warum? Weil „eine Stradivari“ eben einzigartig klingt: süß und scharf irgendwie gleichermaßen; wiedererkennbar, völlig unverwechselbar, herrlich, golden, festlich.

Gunter Ziegenhals, Mitarbeiter des Instituts für Musikinstrumentenbau, verteidigte Anfang 2010 am Institut für Akustik und Sprachkommunikation der TU Dresden seine Doktorarbeit zur „subjektiven und objektiven Beurteilung von Musikinstrumenten“. Er konnte nachweisen, dass die Bauart eines Musikinstruments selbst bei der qualitativen Expertenwertung nur den allerkleinsten Teil ausmacht. Viel wichtiger für die Bewertung sind drei andere Einflussfaktoren: der spielende Musiker, das gespielte Stück und der Raum, in dem die Probe-Aufnahme entsteht.

Ziegenhals, der am Institut bereits jahrelang Instrumentenforschung betreibt, war vom Ergebnis seiner auf Fallstudien basierenden Arbeit selbst etwas überrascht. „Mit den erhobenen Daten ist zum ersten Mal zweifelsfrei nachgewiesen, dass bei allen vier von mir untersuchten Instrumentengruppen – Klarinette, Trompete, Gitarre und Geige – die Instrumente selbst den geringsten Einfluss auf die Ausprägung der Merkmale ausüben“, berichtet der Forscher. „Die konkrete Verteilung des Einflusses schwankt zwar je nach Instrumententyp; interessant ist, dass bei Gitarren und Trompeten die Musiker den größten Einfluss ausüben. In jedem Falle ist jedoch der Musikereinfluss größer als der der Instrumente!“ Dieses Phänomen war zwar immer wieder in Diskussionen angesprochen worden, ein Beweis stand jedoch bislang aus.

Betrachtet man übrigens alle Aufnahmen mit den vier Instrumententypen als Gesamtheit, so weisen die Gitarren mit Abstand die geringste Variation im Klang auf. Aufgrund der Tatsache, dass sich auf dem Gitarrensektor im Gegensatz zum Beispiel zu den Streichinstrumenten in Sachen Entwicklung heute sehr viel tut und Gitarren auch wirtschaftlich ein interessantes Produkt darstellen, wurden in der Vergangenheit Untersuchungen zur musikalischen Akustik häufig an der Gitarre vorgenommen. Die Brauchbarkeit der Ergebnisse und insbesondere ihre Verallgemeinerung, merkt Gunter Ziegenhals an, sollte anhand seiner Ergebnisse nun wohl noch einmal überdacht werden. Wer also vorhatte, sein Erspartes demnächst in ein namhaftes italienisches Streichinstrument zu investieren, „der sollte es vergessen“, lächelt Dr. Ziegenhals. „Kaufen Sie sich lieber ein schönes Einfamilienhaus am Elbhang – und eine gute Geige eines lebenden Geigenbaumeisters.“