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Campus und Forschung

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Psychisch Gesund für ZWEI
Dagmar Möbius

Das Dresdner Universitätsklinikum initiierte ein innovatives Versorgungsmodell, mit dem seelisch kranke oder belastete Schwangere und Wöchnerinnen deutlich besser als vorher betreut werden können.

Für das Projekt „Psychisch Gesund Für ZWEI“ kooperieren die Kliniken für Psychotherapie und Psychosomatik sowie Psychiatrie und Psychotherapie des Klinikums mit dem Jugendamt der Landeshauptstadt Dresden und dem städtischem Krankenhaus Dresden-Neustadt. Das sachsenweit einzigartige Modellprojekt unterstützt der Freistaat Sachsen mit rund 250.000 Euro. Zudem wird das Vorhaben wissenschaftlich begleitet. KONTAKT sprach dazu mit Privatdozentin Dr. med. habil. Kerstin Weidner, stellvertretende Klinikdirektorin und Leiterin der Poliklinik und CL-Dienst an der Klinik und Poliklinik für Psychotherapie und Psychosomatik des Universitätsklinikums Dresden.

© Fotos (2): Mutter-Kind-Tagesklinik UKD; Ein Teil des am Modellprojekt beteiligten Teams,
links: Privatdozentin Dr. Kerstin Weidner
© Fotos (2): Mutter-Kind-Tagesklinik UKD; Ein Teil des am Modellprojekt beteiligten Teams, links: Privatdozentin Dr. Kerstin Weidner
Frau Dr. Weidner, ist das Projekt
„Psychisch gesund Für ZWEI“ nur bezüglich der Kooperation einzigartig in Sachsen oder betritt Ihre Forschungsgruppe auch wissenschaftliches Neuland?

Psychische Erkrankungen während Schwangerschaft und Postpartalzeit sind als Forschungsgegenstand ein noch relativ junges Thema, zu welchem auch international noch nicht so viele Ergebnisse vorliegen. Gerade in Dresden widmen sich nun verschiedene Arbeitsgruppen diesem wichtigen Bereich. Während sich jedoch die mari-Studie am Lehrstuhl für Klinische Psychologie der TU Dresden mit epidemiologischen Fragestellungen beschäftigt, stehen bei „Psychisch Gesund Für ZWEI“ vorwiegend Versorgungsfragestellungen und die Untersuchung einer klinischen Stichprobe im Vordergrund. Ziel ist es, die Behandlungsangebote in diesem Bereich zu verbessern und gleichzeitig zu evaluieren. Dabei ist unser Ansatz, eine Verknüpfung und differenzierte Betrachtung ambulanter, teilstationärer und stationärer Versorgung vorzunehmen, sehr umfassend und gleichzeitig notwendig, um ein vollständiges Bild zu erhalten.

Es ist immer öfter von einer zunehmenden Zahl an Betroffenen die Rede. Wie erklären Sie sich das?

Es ist generell, nicht nur bei Frauen in Schwangerschaft und Postpartalzeit, eine Zunahme psychischer, speziell depressiver, Erkrankungen zu verzeichnen. Der Druck, der heutzutage auf den Frauen lastet, sich nach der Geburt möglichst schnell wieder beruflich zu integrieren, tut sicher sein Übriges.

Wie viele Mütter haben die Tagesklinik seit Eröffnung in Anspruch genommen?

Seit der Eröffnung der Tagesklinik Mitte Mai 2010 sind bisher zehn Patientinnen tagesklinisch aufgenommen und behandelt worden bzw. werden aktuell noch behandelt. Der Behandlungszeitraum beträgt in der Regel sechs Wochen. Dazu kommen viele Frauen, die sich ambulant vorstellen.

Aus welchem Umkreis kommen Schwangere und Mütter zu Ihnen?

Die tagesklinischen Patientinnen kommen aus dem Großraum Dresden. Hier muss man berücksichtigen, dass die tagesklinische Behandlung erfordert, dass die Frauen gemeinsam mit ihren Kindern täglich den Weg zur Klinik und zurück nach Hause bewältigen. Die Frauen, die sich ambulant vorstellen, kommen aus ganz Sachsen und nehmen auch weite Anfahrtswege in Kauf.

Was können Väter und Angehörige Sinnvolles tun?

Sie können vor allem die betroffene Mutter entlasten und bei der Alltagsbewältigung unterstützen. Wichtig ist, Verständnis zu zeigen, die Frau und sich als Familie nicht zu überfordern und bei Bedarf Hilfe zu suchen und auch anzunehmen.

Blick in einen Therapieraum
Blick in einen Therapieraum
Wie hoch ist die Bereitschaft der Mütter, an Ihrer Studie teilzunehmen?


Die Bereitschaft, an der Begleitforschung im Projekt teilzunehmen, ist bei den Patientinnen sehr hoch. Die Frauen unterstützen unsere Bemühungen, die Versorgung weiter zu verbessern, den Kenntnisstand zu erweitern und das Thema vor allem auch gesellschaftlich durch vermehrte Öffentlichkeitsarbeit zu verankern.

Was sollte die Bevölkerung über das Projekt unbedingt wissen?

Psychische Erkrankungen während Schwangerschaft und postpartal sind leider noch immer ein gesellschaftliches Tabuthema und sehr mit Scham und Schuldgefühlen bei den betroffenen Frauen besetzt. Auch Befürchtungen, nicht gut genug für das Kind sorgen zu können, führen zu Ängsten, sich jemandem anzuvertrauen. Das führt dazu, dass noch immer zu wenige Frauen mit psychischen Erkrankungen auch und vor allem rechtzeitig in Behandlung kommen. Es ist für die Patientinnen sehr entlastend festzustellen, dass es auch andere Frauen mit ähnlichen Problemen gibt und dass sich die Erkrankungen gut behandeln lassen.

Interview: Dagmar Möbius

In der Psychosomatischen Mutter-Kind-Tagesklinik am Universitätsklinikum Dresden stehen Behandlungsplätze für fünf Mütter mit ihren Kindern im Alter von 0 bis 1,5 Jahren zur Verfügung. Aufgenommen werden können Mütter mit folgenden Erkrankungen und Problemen: 

  • Postpartale Depressionen
  • Angst- und Zwangserkrankungen
  • Persönlichkeitsstörungen
  • Bindungsstörungen zum Kind
Die Behandlung umfasst ein multimodales Therapiekonzept auf interaktionszentrierter Basis:

  • störungsspezifische Therapie für die Mütter
  • Mutter-Kind-Bindungsarbeit (videogestützt)
  • Einbindung der gesamten Familie durch Paar- und Familiengespräche
  • schrittweise Unterstützung zum Kompetenzaufbau bei der Kindesversorgung
  • Stressmanagement, Yoga