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Campus und Forschung

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Vom Abtauchen-Können und Nervenkitzel
Dagmar Möbius

Was verbindet das Wasserrondell „Poseidons Flotte“ mit der Mega-Achterbahn „Huracan“? Anders gefragt: Was haben die Attraktionen des Vergnügungsparks BELANTIS mit Architektur zu tun? Vielleicht sogar mit Wissenschaft?

© David Pinzer; Erlebnispark BELANTIS
© David Pinzer; Erlebnispark BELANTIS
Ein im März 2011 abgeschlossenes Forschungsprojekt der TU Dresden (TUD) beschäftigte sich mit Erlebnislandschaften. Die Ergebnisse wurden kürzlich auf einem Symposium in Dresden diskutiert. „Erlebnislandschaft – Erlebnis Landschaft?“ hieß das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderte zweijährige Projekt. Untertitel: „Die Gestaltung und Nutzung von Erlebnis- und Konsumwelten als Ausdruck praktizierter Lebensformen“. Das klingt abstrakt und ist für den Laien schwer verständlich. „Wir wollten herausfinden, wie Freizeitparks aus den im Verlauf der Biographie entwickelten Denk-und Lebensformen von Gestaltern entstehen und von Besuchern angeeignet werden“, erklärt Dipl.-Ing. Stefan Nothnagel, der als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Projekt mitwirkte. Unter der Leitung von Achim Hahn, Professor für Architekturtheorie und Architekturkritik am TUD-Institut für Baugeschichte, Architekturtheorie und Denkmalpflege, interviewten Landschaftsarchitekten, Architekten, Soziologen und Technikphilosophen, Gestalter-Experten und Besucher im BELANTIS Park Leipzig und der Kulturinsel Einsiedel.

Die Ergebnisse des Forschungsprojektes wurden Mitte April auf dem Symposium „Raum und Erleben“ in Dresden vorgestellt, zu dem auch die interessierte Öffentlichkeit eingeladen war. Die einführenden Worte der Architekturexperten erinnerten zunächst an Philosophievorlesungen. Ausrichtung der Architekturtheorie. Mensch im Verhältnis zu den Dingen. Lebensweltkrise der Architektur. Wirksamkeit des Wirklichen. Doch sie fragten: „Lassen sich positive Erlebnisse und Gefühle entwerfen?“ Spätestens dann war klar, dass Architekten nicht nur Bau-Dienstleister, sondern auch (Lebens-)Künstler sein müssen. Interaktionen zwischen Mensch und Raum, zwischen Raum und Erleben, zwischen gestimmtem Raum und gestimmtem Mensch müssten in Betracht gezogen werden.

Wie Räume erlebt werden, entscheidet darüber, ob Freizeitwelten funktionieren. Besucher „tauchen ab in Scheinwelten“, lassen sich treiben, verlieren die Orientierung oder freuen sich über Entdeckungen, verspüren „Lust am Schauen“ oder beschreiben „Nervenkitzel“. Damit das gelingt, müssen die Architekten die Bedürfnisse der Menschen ergründen.

© David Pinzer; Tal der Pharaonen, Erlebnispark BELANTIS
© David Pinzer; Tal der Pharaonen, Erlebnispark BELANTIS
Rüdiger Renno vom Leipziger Büro „Denk Architekten Ingenieure“ leistete als Entwickler, Planer und Bauer von Ostdeutschlands erstem Vergnügungspark BELANTIS Pionierarbeit. Und das, obwohl er Erlebnisparks privat überhaupt nicht spannend findet, wie er schmunzelnd zugab. „Für wen bauen wir?“ müsse stets die bestimmende Frage sein. Weil angenehme Erlebnisse helfen, sich jeden Tag den Belastungen des Lebens zu stellen, halte er die Auffrischung von Energiereserven der Leute für eine Architekten-Aufgabe. Unter anderem. „Unsere bisherigen Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Kategorie des Raumes von grundlegender Bedeutung für das Erleben in diesen Freizeitwelten ist“, schlussfolgert das Studien-Team der DFG-Studie. Die Erlebnisland-Wissenschaftler kommen in ihrer Studie zu dem Fazit, den „Erlebnisbegriff, wie er derzeit in der Architektur diskutiert wird, einer Revision zu unterziehen.“

Ein Tagungsband über das zweitägige Symposium „Raum und Erleben“ ist geplant.