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Prof. Dr. Dirk Windemuth
Institut für Arbeit und Gesundheit der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (IAG)
Königsbrücker Landstraße 2
01109 Dresden
Tel. +49 351 457-1000

dirk.windemuth@dguv.de

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Neujahrsvorsätze am besten gar nicht erst vornehmen!
Dagmar Möbius

Wer kennt sie nicht – die berühmten guten Vorsätze für das neue Jahr. Zu den häufigsten zählt wohl, mit dem Rauchen aufzuhören. Doch Psychologen wissen, wie schwierig der Ausstieg aus der Sucht ist.

© H. Goehler; Neujahrsvorsätze ...? Verhaltensänderungen bedürfen eines inneren Auslösers statt eines Jahreswechsels.
© H. Goehler; Neujahrsvorsätze ...? Verhaltensänderungen bedürfen eines inneren Auslösers statt eines Jahreswechsels.
Ob es Langeweile ist, die der Raucher mit der Zigarette überbrücken möchte, oder Ärger, den er regulieren will – vermutlich tragen die Effekte von Nikotin auf Emotionen und Motivation zum hohen Suchtpotenzial der Zigarette bei. Daher ist ein Aufhören anscheinend so schwierig und bedarf eines starken Willens.

Seit einigen Jahre bietet die TU-Raucherambulanz das „Rauchfrei Programm" an, das die Teilnehmer in ihrer Abstinenz unterstützt.


Für diese Weihnachtsausgabe wollten wir wissen, warum Weihnachten und Prävention zusammengehören und was von Neujahrsvorsätzen – wie dem Plan, am 1. Januar mit Rauchen aufzuhören – wirklich zu halten ist.

Wir befragten dazu Prof. Dr. Dirk Windemuth, Leiter des Instituts für Arbeit und Gesundheit (IAG) Dresden, und Absolvent des Studiums Public Health an der TU Dresden.

Prof. Windemuth, Sie engagieren sich als Psychologe und Gesundheitswissenschaftler beruflich sehr für Prävention. Welche Assoziationen verbinden Sie mit Weihnachten?
Weihnachten ist für mich eine Zeit der Ruhe und Entspannung. Insofern ist es eine Zeit, die viel mit Prävention und Erholung zu tun hat: Die Hektik wird für einige Tage abgestellt und die Zeit für Freunde und Familie wird intensiver. Das ist gerade im Winter besonders wichtig, weil längere Urlaube meistens eher für Frühjahr bis Herbst geplant sind. Deshalb ist das also eine wichtige Unterbrechung vom Alltag für die Gesundheit.

Was halten Sie von Ernährungs-Glaubenssätzen wie "Verdauungsschnaps auf Gänsebraten"?
Wer´s braucht? Nein, im Ernst, das ist Unsinn und nicht selten ein schlechtes Alibi für zu starken Alkoholkonsum. Wer einen Schnaps zur Verdauung wirklich braucht, sollte die Gans einfach weglassen oder sich nach der Gans vernünftig bewegen. Flotte Sprüche sind nur scheinbar gute Alibis und oft wenig gesundheitsverträglich.

Das Jahresende ist traditionell die Zeit, in der sich viele Menschen vornehmen, künftig gesünder zu leben. Wie können sie das auch schaffen?
Die Neujahrsvorsätze hält man am besten ein, wenn man sie sich erst gar nicht vornimmt. Es geht bei den Vorsätzen ja immer um die Veränderungen, die durch die Modifikation von Verhalten herbeigeführt werden. Also zum Beispiel um Gewichtsreduktion durch das Einhalten einer Diät. Verhaltensänderungen bedürfen aber eines inneren Auslösers und einer starken Willenskraft. Ein Jahreswechsel alleine reicht da nicht aus. Der Vorsatz gesünder zu leben ist außerdem viel zu pauschal und abstrakt, um realisiert werden zu können. Wer etwas anders machen möchte in seinem Leben, sollte damit anfangen, wenn er dafür bereit ist – nicht am 1. Januar.

© IAG; Mit Prof. Dr. Dirk Windemuth im Gespräch.
© IAG; Mit Prof. Dr. Dirk Windemuth im Gespräch.
Man sagt immer, Führungskräfte sind Vorbilder und Multiplikatoren – wie ist das bei Ihnen?
In mancher Hinsicht hoffe ich, Vorbild zu sein, beispielsweise was Sport anbelangt. Es gibt aber auch Punkte, in denen stehe ich dazu, dass ich kein Vorbild bin, etwa wenn ich an einige meiner Lieblingsgerichte denke, die angeblich ungesund sind. Mir ist es wichtig zu verdeutlichen, dass Gesundheit ein sehr wichtiges Ziel ist und Gesundheitsverhalten das notwendige Mittel zur Erreichung der Gesundheit – das Leben aber auch noch Spaß machen muss. Es gibt für mich nichts Schlimmeres als Gesundheitsapostel, die so verkniffen sind, dass man das Gefühl hat, dass diese Leute vielleicht zwar lange leben – aber eigentlich vom Leben nichts haben. Leben und Gesundheit dürfen sich nie ausschließen!

Weniger essen, mehr bewegen, weniger Stress – das nehmen sich Viele vor. Welche Dinge in der Arbeitswelt sollte man aber auch ins Visier nehmen?
Die Stressdiskussion wird leider immer nur im Kontext der Arbeitswelt geführt. Oftmals wird quasi dargestellt, dass die Arbeit stressig ist und das Privatleben ruhig, harmonisch und entspannt. Das ist natürlich komplett falsch! Auch das Privatleben hat sich in den letzten Jahren drastisch verändert. Auch dort wimmelt es von Informationen (die kein Mensch wirklich braucht), auch dort gibt es Konflikte und Streit, Multitasking usw. Es gibt ja auch genug Menschen, die Aktien kaufen und sich damit dem Nerventerror der Börse und ihrer Nachrichten hingeben. Deshalb gilt für mich: Jeder Arbeitsplatz muss so gut wie möglich gestaltet sein, um Gesundheitsgefahren vorzubeugen. Dazu gehören Maßnahmen zur Stressprävention genauso wie die gesundheitsgerechte Gestaltung von Nacht- und Schichtarbeit, die Ermöglichung von Monotasking statt Multitasking usw. Aber jeder Beschäftigte muss darüber hinaus auch für sich selbst prüfen, wo er privat etwas abrüsten kann, um ab und zu zur Ruhe zu kommen.

Sie begleiten viele, meist ausgebuchte, Tagungen in Ihrem Haus. Wie gelingt es Ihnen und Ihren Mitarbeitern, Prävention besonders spannend darzustellen?
Das ist leider kein Selbstläufer. Zum einen profitieren wir von einem sehr guten Ruf, den alle Mitarbeiter des Instituts mit aufgebaut haben. Zum anderen haben wir für jede Veranstaltung, die unter unserer Regie läuft, besondere Konzepte für die Veranstaltungsdramaturgie. Bei uns wird fast nie nur frontal vorgetragen und danach diskutiert. Solchen Veranstaltungen kann erstens kein Mensch vollständig folgen und zweitens nutzen sie die Tatsache nicht, dass die Teilnehmer meist schon so viel Fach- und Erfahrungswissen mitbringen, dass man durch einen gut organisierten Austausch dieses Wissen für alle Teilnehmer nutzbar machen kann. Es ist anfangs ungewohnt, wenn sich beispielsweise zu Beginn einer Tagung Führungskräfte von Krankenkassen und Berufsgenossenschaften mit Fachleuten aus der Wirtschaft bei einem Quiz durch den Saal bewegen und dabei direkt ins Gespräch kommen. Es gibt also immer interaktive Parts. Für den Erfolg wichtig ist natürlich auch die Platzierung interessanter Themen zum richtigen Zeitpunkt. An dieser Stelle profitieren wir davon, dass unsere Mitarbeiter gute Fachexperten sind, die immer wissen, was in ihrer Szene gerade diskutiert wird. Pfiffige Titel wie „Wurm sucht Fisch" machen neugierig. Bei dieser Tagung, die kürzlich stattfand, ging es darum, wie man Prävention und betriebliche Gesundheitsförderung so gestalten kann, dass sie auch die Zielgruppe, sprich die Beschäftigten, anspricht.

Gibt es noch Tipps, die Ihnen in diesem Zusammenhang besonders wichtig erscheinen?
Mit unserem neuen Tagungszentrum „DGUV Congress", das wir im kommenden Jahr in Betrieb nehmen, wollen wir Gesundheit und Veranstaltungen zusammenzubringen. Das Motto des Tagungszentrums lautet „Gesund tagen". Neben gesunder Ernährung, Bewegungsförderung und Entspannung sollen viele weitere Elemente dazu beitragen, dass sich unsere Veranstaltungen nicht nur inhaltlich um Sicherheit und Gesundheit drehen, sondern dass sie Gesundheit selbst fördern.

Zur Person
Prof. Dr. Dirk Windemuth, Jahrgang 1963, Studium der Psychologie und Germanistik an der Universität Duisburg, Promotion am Institut für Verhaltensmedizin an der Universität Duisburg mit einer Arbeit über psychische Faktoren bei der Gesundung orthopädischer Patienten, Ausbildung in klinischer Hypnose (MEG), Studium der Gesundheitswissenschaften / Public Health an der Technischen Universität Dresden, tätig als Leiter des Instituts für Arbeit und Gesundheit der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (IAG) in Dresden