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Prof. Dr. Günter Vollmer
Fachrichtung Biologie
Professur für Molekulare Zellphysiologie und Endokrinologie

guenter.vollmer@tu-dresden.de

Campus und Forschung

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Bioaktiven Naturstoffen auf der Spur
Susann Mayer

Echinacea wirkt bei Erkältungen, Wurzelextrakte der Kapland-Pelargonie helfen in „Umckaloabo" bei akuter Bronchitis. Arzneimittel mit pflanzlichen Inhaltsstoffen liegen im Trend. Für die biologische Wirkung von Heilpflanzenextrakten sind Naturstoffe verantwortlich, zu denen auch die Isoflavone zählen. Derzeit untersuchen Forscher der TU Dresden (TUD), wie Isoflavone im Zusammenhang mit hormonbedingten Krebserkrankungen wirken können.

Echinacea ist als pflanzliches Arzneimittel zugelassen. Foto: John Baker/Flickr, Lizenz: CC-BY-2.0
Echinacea ist als pflanzliches Arzneimittel zugelassen. Foto: John Baker/Flickr, Lizenz: CC-BY-2.0
Grundlage für die Heilpflanzenprodukte sind einzelne Inhaltsstoffe der Pflanzen, auf denen eine vermutete Wirkung beruht. Sie werden als wässrige oder alkoholische Extrakte bzw. als Extrakte aus Alkohol-/Wassergemischen gewonnen. Wie sie tatsächlich wirken und wie sicher ihre Anwendung ist, belegen in der Regel eine langjährige traditionelle Verwendung sowie entsprechende Studien. Da es sich aber bei Extrakten um Stoffgemische handelt, ist es zum Teil äußerst schwierig und häufig unvollständig erforscht, welche Inhaltsstoffe wie zur beobachteten Wirkung beitragen. Pflanzliche Arzneimittel müssen wie andere Arzneimittel auch behördlich zugelassen werden, das heißt, ihre Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit muss nachgewiesen sein.

Neben diesen zulassungspflichtigen Arzneimitteln hat sich ein zweiter Markt mit den so genannten Nahrungsergänzungsstoffen entwickelt, die mit einer gesundheitsfördernden Wirkung beworben werden. Nahrungsergänzungsmittel durchlaufen einen wenig aufwändigen Zulassungsprozess. Ihr vermuteter gesundheitsfördernder Effekt wird häufig aus Beobachtungen abgeleitet, in denen das Ernährungsverhalten mit einem relativ niedrigen Auftreten bestimmter Krankheiten in Verbindung steht. So zeigte sich beispielsweise, dass Menschen mit einem hohen Sojakonsum ein vergleichsweise geringes Risiko haben, an hormonabhängig wachsenden Tumoren zu erkranken.

An der Fachrichtung Biologie der TUD beschäftigt sich die Arbeitsgruppe von Günter Vollmer, Professor für Molekulare Zellphysiologie und Endokrinologie, unter anderem mit den Naturstoffen, die hormonartig wirken. Ein besonderer Fokus liegt dabei auf den Isoflavonen, meist gelblich gefärbten, sekundären Pflanzenstoffen. „Naturstoffe wie die Isoflavone sind es, die für die biologische Wirkung von Heilpflanzenextrakten und Lebensmittelinhaltsstoffen verantwortlich sind", erklärt Professor Vollmer. „Dabei handelt es sich um relativ kleine Moleküle." Aufgrund der großen Vielfalt des pflanzlichen Sekundärstoffwechsels stellen Naturstoffe eine nahezu unerschöpfliche Quelle für bioaktive Stoffe dar. Deshalb ist es nur logisch, dass etwa die Hälfte der in den letzten Jahren zugelassenen Medikamente ihren Ursprung in pflanzlichen Stoffwechselprodukten hat.

© H. Goehler; Kresse gilt seit Langem schon als Heilpflanze ? wissenschaftlich nachgewiesen ist die Wirkung (noch) nicht, alle Arten enthalten Senfölglykoside (sekundäre Pflanzenstoffe).
© H. Goehler; Kresse gilt seit Langem schon als Heilpflanze ? wissenschaftlich nachgewiesen ist die Wirkung (noch) nicht, alle Arten enthalten Senfölglykoside (sekundäre Pflanzenstoffe).
Die Wechselwirkung eines solchen bioaktiven Stoffs mit einem Eiweiß bewirkt dabei eine Funktionsveränderung dieses Eiweißes. Steht das Eiweiß dabei noch im Zusammenhang mit einer Erkrankung, spricht man von einem „Druggable Target". Diese Eiweiße können also zum Beispiel durch bioaktive Stoffe ihre Funktion dahingehend verändern, dass der Organismus gesund wird. „Druggable Targets sind also potenzielle Zielstrukturen für Medikamente", erklärt Professor Vollmer. Allerdings sind nur etwa rund zehn Prozent aller Gene des menschlichen Genoms potenzielle Druggable Targets. Dazu zählen auch alle sogenannten kernständigen Hormonrezeptoren, zu denen zum Beispiel jene für weibliche (Östrogene) und männliche (Androgene) Geschlechtshormone gehören. Mit diesen Rezeptorsystemen wechselwirken nicht nur die körpereigenen Hormone oder speziell entwickelte Pharmaka. Es sind auch mehrere hundert Naturstoffe unterschiedlichster chemischer Natur bekannt, die über diese Rezeptorsysteme hormonartige Wirkungen auslösen, die wiederum höchst relevant für die Gesundheit und die Ausprägung von Krankheitssymptomen sind.

In dem aktuellen Projekt „Lebenslange Exposition gegenüber Isoflavonen (IF) über die Ernährung – Untersuchungen zum Einfluss auf die Krebsentstehung in der Brustdrüse" untersuchen die TUD-Forscher um Günter Vollmer, wie Isoflavone im Zusammenhang mit hormonbedingten Krebserkrankungen wirken können. Isoflavone kommen in Klee oder Soja vor. Ihre molekularen und zellulären Funktionen werden schon länger auch in der Öffentlichkeit sehr kontrovers diskutiert. Um hormonbedingten Krebserkrankungen vorzubeugen, werden sie einerseits von vielen Medizinern empfohlen und in zahlreichen Nahrungsergänzungsmitteln angeboten. Eine lebenslange isoflavonreiche Ernährung, gerade wenn sie über mehrere Generationen erfolgt, scheint einen präventiven Charakter zu haben. Andererseits sind sie als Medikament auf dem deutschen Arzneimittelmarkt nicht zugelassen, weil die Wirksamkeit bisher nicht bewiesen ist und die Stoffe gar im Verdacht stehen, die Schilddrüsenhormonproduktion zu hemmen.

Die Forscher um Professor Vollmer möchten dazu beitragen, diesen scheinbaren Widerspruch zu lösen, und die – trotz zahlreicher Studien – bestehenden Kenntnislücken hinsichtlich der molekularen Wirkungsmechanismen von Isoflavonen schließen. Seit vielen Jahren erforschen sie daher pflanzliche Naturstoffe unterschiedlichster Herkunft, die für die Behandlung von Wechseljahresbeschwerden auf dem Markt sind. Dabei untersuchen die Wissenschaftler nicht nur, wie die Stoffe wirken, also wie sie zum Beispiel die für die Wechseljahre typischen Hitzewallungen lindern. Sie versuchen auch auszuschließen, dass die zu prüfenden Substanzen zum Beispiel Brustkrebs fördern. In zellbasierten experimentellen Modellen werden zudem die molekularen Wirkmechanismen der zu prüfenden Substanzen geklärt. So hoffen die Forscher genauer abschätzen zu können, wie eine Langzeitaufnahme von Isoflavonen über die Nahrung wirkt und welche Bedeutung Isoflavone für die Entstehung von Brustdrüsentumoren haben.

Mit ihrer Untersuchung leistet die TUD-Arbeitsgruppe einen Beitrag zur Erkenntnis, wie Heilpflanzenextrakte auf molekularer Ebene wirken, und wie Wirksamkeit und Sicherheit von Nahrungsmittelinhaltsstoffen zu bewerten ist.

Prof. Günter Vollmer initiiert Anfang Oktober gemeinsam mit dem Leonardo-Büro das Alumni-Symposium zum Thema „Bioactive principles of medicinal plants and diet". Dabei sind 25 internationale TU-Alumni zu Gast, die sich zum Thema eine Woche lang austauschen.