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Regionalbotschafter im Porträt

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Regionalbotschafter vorgestellt: Süchtig nach London
Steffi Eckold

„Regionalbotschafter vorgestellt" heißt eine neue Rubrik, in der internationale Absolventen porträtiert werden. Mehr als 300 TUD-Alumni weltweit engagieren sich als Regionalbotschafter für die TU Dresden (TUD). Sie erleichtern Austauschstudenten oder Hochschullehrern der TUD in ihren Heimatländern den Einstieg und stehen im Vorfeld für Anfragen zu Verfügung – einfach per E-Mail über die Absolventenwebsite. Einer von ihnen ist Nikolai Press.

„London kann süchtig machen", schwärmt Nikolai Press. Er muss es wissen: Seit zwölf Jahren lebt und arbeitet der TUD-Absolvent in der britischen Hauptstadt. Seiner Alma Mater ist er dennoch treu geblieben, er engagiert sich seit drei Jahren als Regionalbotschafter.

© Lutz Liebert; Nikolai Press ist mit ganzem Herzen
Regionalbotschafter.
© Lutz Liebert; Nikolai Press ist mit ganzem Herzen Regionalbotschafter.
Nikolai Press stammt aus Bad Schwartau unweit von Lübeck und wuchs in der Nähe von Hamburg auf. Seine familiären Wurzeln liegen jedoch im sächsischen Zittau und so besuchte der heute 44-Jährige Sachsen bereits zu DDR-Zeiten. Nach dem Abitur ließ er sich zunächst zum Außenhandelskaufmann ausbilden, entschied sich jedoch schnell für ein Studium – in Dresden. „Ich wollte in den neuen Bundesländern leben, um hautnah die Zeit und die Veränderungen nach der Wiedervereinigung mitzuerleben. Als ich im März 1993 nach Dresden kam, war es eigentlich schon ein bisschen spät, aber dennoch gerade eben rechtzeitig", so Nikolai Press rückblickend. Er schrieb sich in Neuerer und Neuester Geschichte sowie Nordamerika- und Großbritannienstudien ein. Geschichte und Englisch waren schon zu Schulzeiten seine Lieblingsfächer gewesen, seine Faszination für die USA und Großbritannien kam dazu.

Veränderungen erlebte Nikolai Press nicht nur in der Stadt Dresden. Als er 1993 sein Studium begann, waren das Institut für Anglistik/Amerikanistik und das Institut für Geschichte gerade im Aufbau begriffen. Es gab kaum Bücher und die entsprechenden Bestände in der Bibliothek waren sehr übersichtlich. Trotzdem schätzt er diese Situation heute als positiv ein. „Es gab an beiden Instituten weniger Studenten als heute. Dadurch war der Kontakt zu den Lehrenden häufig sehr eng".

Gern erinnert er sich an die Freundschaft mit Dr. Herbert Sirois, der damals am Lehrstuhl für Neuere und Neueste Geschichte arbeitete und maßgeblich am Aufbau dieses Lehrstuhls beteiligt war. Insbesondere am Institut für Anglistik/Amerikanistik herrschte zunächst eine fast familiäre Atmosphäre und die Tatsache, dass man oft improvisieren musste, hat viel dazu beigetragen. „Trotz schwieriger Bedingungen hatten wir oft viel Spaß und die Aufbruchstimmung hat uns zusammengeschweißt. Weil noch nicht alles in Stein gemeißelt war, gab es viel Raum für Eigeninitiative". Ab dem Wintersemester 1993 wurden am Institut für Anglistik/Amerikanistik die Fächer Nordamerikastudien und Großbritannienstudien eingeführt und damit auch die Kulturstudien – damals in Deutschland einmalig. Nikolai Press besuchte damals auch Veranstaltungen bei den Professoren Walter Grünzweig (Nordamerikastudien) und Jürgen Kamm (Großbritannienstudien). „Beide haben mich – neben anderen – nachhaltig beeinflusst". Auch das Auslandssemester an der britischen University of Sussex at Brighton war prägend, der Studienablauf anders als in Dresden. „Es gab im Semester deutlich weniger Seminare, weniger Studenten in den Kursen und damit eine intensivere Beschäftigung mit dem Lernstoff. Es war schlicht unmöglich, unvorbereitet zu einem Seminar zu erscheinen", so erinnert er sich. „Interessanterweise habe ich dort American Studies studiert, da mein Fokus damals noch die USA waren", fügt er schmunzelnd hinzu. Effektiver sei der Lernansatz in seinen Augen gewesen, aber auch verschulter. „Studierende an deutschen Universitäten sind oft auf sich allein gestellt. Das hilft aber auch dabei, selbstständig zu werden, Eigeninitiative zu entwickeln und zu lernen, sich zu motivieren", schätzt er ein.

Eigeninitiative war für den Geisteswissenschaftler, der während des Studiums als studentische Hilfskraft an der Fakultät Sprach-, Literatur- und Kulturwissenschaften gearbeitet hatte, auch bei der Jobsuche gefragt. Journalismus hätte er noch während des Studiums als Berufswunsch genannt. Auch eine akademische Karriere hatte er ins Auge gefasst, entschied sich jedoch ein Jahr nach seinem Abschluss im Jahr 2000, den großen Schritt über den Ärmelkanal zu wagen.

London macht süchtig, meint Nikolai Press. Photo: David Iliff; Lizenz: CC-BY-SA 3.0
London macht süchtig, meint Nikolai Press. Photo: David Iliff; Lizenz: CC-BY-SA 3.0
Er zog nach Großbritannien und ließ sich in London nieder. Der Akademiker mit sehr guten Englischkenntnissen wurde ein klassischer Quereinsteiger: Er arbeitete zunächst im Kundendienst einer Investmentfirma und ist inzwischen beim Unternehmen Specialty Group tätig. Im Auftrag von Reiseversicherungen hilft die Firma Personen, die im Ausland medizinische Hilfe benötigen, sei es bei der Abwicklung von Behandlungskosten oder der Rückführung von erkrankten oder verletzten Personen. „In dieser Branche bin ich durch Zufall gelandet", lacht Nikolai Press. Ein Glückstreffer. „Mir macht die Arbeit großen Spaß. Am Ende haben auch meine Deutschkenntnisse dazu beigetragen, dass ich diesen Job bekommen habe, obwohl sich meine Tätigkeit bei weitem nicht nur auf Fälle im deutschsprachigen Raum beschränkt."

Seit 2009 wirbt Nikolai Press in London als Regionalbotschafter für die TUD und für ein Studium in der sächsischen Landeshauptstadt. Eine Herzensangelegenheit. „Ich hatte eine tolle Zeit in Dresden und gebe meiner Universität nun ein klein wenig zurück", so der Wahl-Londoner. Ehrenamtlich verteilt er TUD-Flyer in der Stadt und kontaktiert Germanistik-Institute und Fakultäten in Großbritannien und Irland. Sie erhalten von ihm Informationsmaterialien zum Studium an der TUD. Es ist nicht immer leicht, für ein Studium in Deutschland zu werben. „Deutschland und Deutsche sind in Großbritannien nicht sehr populär", stellt er bedauernd fest. „Gerade mit Dresden gibt es manchmal Berührungsängste, was mit der Bombardierung der Stadt durch die britische Luftwaffe während des Zweiten Weltkrieges zusammenhängt". London wiederum sei bei TUD-Studenten äußerst populär. Oft beantwortet er daher ihre Fragen zum Leben in der britischen Hauptstadt, die sich schon mal um Handytarife und Fahrkartenkäufe drehen können. Umfassende Informationen hat er daher in einem Leitfaden zusammengefasst. „Leben und Arbeiten in London" beantwortet die wichtigsten Fragen zu Land und Leuten – und natürlich zur Stadt.

Wenn Nikolai Press über seinen Wohnort redet, kommt er schnell ins Schwärmen: „Ich lebe unwahrscheinlich gerne in London. Die Stadt bietet unendlich viel, ist ungeheuer dynamisch und international – man kommt im Freundeskreis, am Arbeitsplatz oder einfach beim Einkaufen nahezu täglich mit fast allen Teilen der Welt in Kontakt". Ob er je nach Deutschland und Dresden zurückkehren will? Eine schwierige Frage. „Für den richtigen Job könnte ich mir das vorstellen," sinniert er, und ergänzt „vielleicht".