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Kristin Winkler
B.Sc. Pflege, Gesundheits- und Krankenpflegerin

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Praxis und Weiterbildung

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Tschüss Drehtüreffekt!
Dagmar Möbius

Akademisch ausgebildete Pflegekräfte können und sollen dem Gesundheitswesen neue (Führungs-)Impulse verleihen. Die Dresdner Gesundheits- und Krankenpflegerin Kristin Winkler hat sich in ihrer Bachelor-Arbeit über ein optimales Entlassungsmanagement Gedanken gemacht. Was wissenschaftlich logisch und praktisch nachvollziehbar ist, fordert jedoch ein Umdenken in bestehenden Strukturen.

© D. Möbius; Kaum entlassen, schon wieder aufgenommen - so kann man sich den "Drehtüreffekt" in der Klinik vorstellen.
© D. Möbius; Kaum entlassen, schon wieder aufgenommen - so kann man sich den "Drehtüreffekt" in der Klinik vorstellen.
Vom „Drehtüreffekt“ sprechen im Gesundheitssystem Tätige, wenn stationär behandelte Patienten kurz nach ihrer Entlassung mit der gleichen Diagnose erneut in die Klinik eingewiesen werden. Das Phänomen lässt sich seit der Einführung der Abrechnung über DRG’s (Diagnosis Related Groups, deutsch: diagnosebezogene Fallgruppen) im Jahr 2004 verstärkt beobachten. Die Verschlüsselung von Diagnosen und Prozeduren ist aufwändig und pauschalisiert Krankheitsgruppen samt Therapie – zumindest in finanzieller Hinsicht. Zudem bemängeln Kritiker, dass das DRG-System Anreize bietet, Patienten zu früh zu entlassen. Im Fachjargon spricht man dann von einer „blutigen Entlassung“. Sind beispielsweise Operierte nicht optimal auf die Versorgung zu Hause vorbereitet oder gibt es niemanden, der sich um die Menschen kümmert, können Komplikationen auftreten, die zu einem erneuten Krankenhausaufenthalt führen. 40 Prozent dieser Fälle wären vermeidbar. Das bedeutet nicht nur enorme Kosten, sondern belastet Patienten und Angehörige.

In ihrer an der Dresden International University verteidigten Bachelor-Arbeit „Die führende Rolle der B.Sc. Pflege im Entlassungsprozess“ identifizierte Kristin Winkler deutliche theoretische und praktische Defizite. „Diese lassen sich im Klinikalltag gut beheben“, ist die 35-Jährige überzeugt. „Man muss die Pflegelandschaft kritisch betrachten und den Entlassungsprozess über mehr als ein frisch zu beziehendes Bett wahrnehmen.“ Zwar regelt das Sozialgesetzbuch V den Anspruch auf ein individuelles Entlassungsmanagement, doch wie das konkret zu geschehen hat, ist nicht festgeschrieben.

Kristin Winkler absolvierte ihre Ausbildung zur Gesundheits- und Krankenpflegerin zwischen 2012 und 2016 am Dresdner Universitätsklinikum. In ihrem begleitenden Bachelor-Studium Pflege B.Sc. an der DIU untersuchte sie, ob und wie der vom Deutschen Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege (DNQP) entwickelte „Expertenstandard Entlassungsmanagement“ angewendet wird: Weniger als 50 Prozent der befragten Kliniken nutzen das Instrument. „Besonders im ländlichen Bereich ist das katastrophal, weil es hier besonders darauf ankommt, dass die Patienten nach einer stationären Behandlung pflegerisch nicht in der Luft hängen“, kommentiert sie. Als häufigste Gründe des Nichteinsatzes wurden fehlende personelle, zeitliche und finanzielle Ressourcen genannt. Darauf hat Kristin Winkler eine ganz klare Antwort: „Den Fragebogen kann man für 16 Euro über die Website des DNQP beziehen.“ Sie kritisiert gleichzeitig, dass das basierende Forschungsprojekt mit öffentlichen Geldern gefördert wurde, Dokumente jedoch nicht kostenfrei zur Verfügung gestellt werden.

© PantherMedia_denisismagilov
© PantherMedia_denisismagilov
Akademisierte Pflegekräfte wollen nicht für „etwas Besseres“ gehalten werden, betont Kristin Winkler. Sie hat auch eine Zusatzausbildung als Case Managerin abgeschlossen und sieht sinnvolle Betätigungsfelder vor allem im Entlassungsmanagement. Nicht zuletzt deshalb, weil die geforderten Kompetenzen hinsichtlich Kommunikation und Strukturierung in einem weiterführenden Studium deutlicher vertieft werden können als in der dreijährigen Pflegeausbildung. „Ich stellte aber große Informationsdefizite fest und bin immer wieder mit der Angst vor Neuerungen konfrontiert worden.“ Dass sich diese Skepsis perspektivisch legen wird, hofft die gebürtige Plauenerin sehr. Sie sagt: „Noch gibt es nicht so viele Pflegekräfte mit Bachelor-Abschluss und viele unserer Ideen lassen sich in der Praxis leider nicht umsetzen. Es scheitert nicht am Wollen, sondern am Dürfen.“

Sie selbst hat ihren sicheren Arbeitsplatz in der Klinik deshalb mit einem Außendienstjob für ein Pharma-Unternehmen getauscht. Die Tätigkeit erlaubt ihr ein freieres Arbeiten und lässt sich besser mit ihren Herausforderungen als Mutter zweier Kinder vereinen. „Dass ich irgendwann in die Klinik zurückkehre, ist aber durchaus möglich“, sagt sie. Ihr Bachelorstudium, dessen Kosten sie zur Hälfte selbst trug, hält sie nicht für eine vergebliche Investition. Drehtür-Effekten möchte Kristin Winkler eines Tages nur noch in der wissenschaftlichen Literatur begegnen.