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Susann Mayer
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Schlaglichter Havannas: Eine ganz persönliche Sicht
Susann Mayer

Als Absolventenreferentin war ich eingeladen zur SEMAL in Havanna. Jenseits der Veranstaltungsprogramme konnte ich die Stadt ein wenig kennenlernen. Schlaglichter …

Über den Malecon spritzt das Wasser, die Regenzeit richtet manche Überflutung an. Quietschend und nach billigem Benzin stinkend biegen herrliche Oldtimer um die Ecke, bei denen man nicht weiß, ob gleich ein Teil abfällt. Irgendwie scheint hier die Zeit stehengeblieben zu sein. Koloniale Prachtbauten bröckeln vor sich hin und Che-Guevara-Accessoires gibts an jeder Ecke. 

© S. Mayer; Typische Oldtimer in Havanna
© S. Mayer; Typische Oldtimer in Havanna

85 Prozent der Menschen haben ihre Wohnungen/Häuser gekauft. Dabei kosten Grund und Boden nichts. Ausländern wird ein Kauf nicht gestattet. Arbeitslose gibt es kaum, Fidel Castro ist nach wie vor bei den Älteren anerkannt. Das kostenlose Gesundheitssystem gilt als das beste in Lateinamerika, und auch auf ihr Bildungssystem sind die Kubaner stolz. Mangelwirtschaft? Das sind sie gewohnt: Schlangen vor den Läden, ohne dass sie genau wissen, was genau gerade verkauft wird. Gibt es Toner in der Uni, fehlt das Papier. Oder umgekehrt. Da wird eben ein Liedchen von Buena Vista Social Club" geträllert, der Nebenstehende angelacht, das Leben geht weiter.

Heute fällt leider die Exkursion auf Humboldts Spuren aus. Grund dafür ist die Blockade der USA, die den Schiffen, die Kuba mit Sprit versorgen, danach keine Einreise in ihre Häfen gestatten. Nun gibt es hier riesige Schlangen an den Tankstellen, und auch der öffentliche Nachverkehr ist betroffen.

Mittlerweile drückt die Sonne und unablässig rinnt der Schweiß, es herrscht eine Schwüle mit mehr als 80 Prozent Luftfeuchtigkeit. Gerade bin ich mit dem öffentlichen Bus, Gua Gua“ genannt, gefahren. Vollgestopft bis in den letzten Winkel hat das Gefährt den Vorteil, dass man sich nicht festhalten muss. Die Fahrt kostet einen nationalen Peso, das Ganze muss man nochmal durch 23 teilen, dann ist man beim hiesigen Preis; beim Aussteigen treten die an der Tür Stehenden hinaus und reichen die Hand, wie nett.

© S. Mayer; Angler am Malecon
© S. Mayer; Angler am Malecon

Seit vier Jahren gibt es hier nur noch zehn Prozent der früheren Touristen. Auch dafür ist die amerikanische Blockade der Grund. Legen Kreuzfahrtschiffe auf Kuba an, werden sie danach nicht mehr an die Küsten der USA und anderer karibischer Inseln gelassen. Kein Wunder, dass sich z.B. die Musiker auf dem Malecon auf die wenigen wie mich stürzen. Sie drücken einem die Rassel in die Hand, spielen mit einem zusammen und möchten dann recht fordernd Geld. Das führt dazu, dass man ein freundliches Que tal?“ (Wie geht‘s?“) misstrauisch betrachtet.

© S. Mayer; Straßen"schilder"
© S. Mayer; Straßen"schilder"
Havanna hat ein eigenwilliges Straßenbenennungssystem. Es ist ein quadratisches Muster, das mit Buchstaben und Zahlen benannt wird. So sind beispielsweise die Längsstraßen mit ungeraden Zahlen benannt. Die Querstraßen dann mit geraden. Ich wohne im Stadtteil Vedado, und zwar in der 11, zwischen der 2 und 4.

Frisch geduscht begebe ich mich auf „meine” Terrasse und knalle förmlich gegen eine Hitzewand. Es ist früh um neun! Wie wird dieser Tag werden, den wir verbringen? Schnell reichlich Wasser eingesteckt, Sonnencreme aufs Gesicht geschmiert. Wahrscheinlich ein bisschen sinnlos, denn nach wenigen Minuten wische ich mir zum ersten Mal den Schweiß vom Gesicht.

Zunächst fahren wir Richtung Althavanna an den Hafen, um mit dem kleinen Schiff nach La Regla überzusetzen. Vorher gibt es strenge Taschenkontrollen. Im Jahr 2013 hatten Kubaner ein Schiff zu einer Überfahrt in die USA entführt. Deren Küste ist nur 90 Seemeilen entfernt. Eine Flugzeugentführung soll es auch gegeben haben, mit Toten. Diejenigen, die erwischt wurden, sind erschossen worden. Todesstrafe in einem sozialistischen Land?

Es geht weiter zum Leuchtturm. Was von fern so typisch für Havanna ist, entpuppt sich von Nahem als kleine Festungsanlage mit einem Souvenirmarkt. Die Sonne drückt unbarmherzig mit über 30 Grad und alle fühlen sich platt. Wir finden das „Amigos de mar” im Südosten Havannas. An der Bucht eines kleinen Fischerhafens speisen wir vorzüglich „Sabalo”-Fisch, die fast deutschen Preise sind uns egal. Als wir weiterfahren wollen, knallt das Getriebe schrecklich. Der gefühlt 40 Jahre alte Lada will nicht mehr ... Bleibt wieder nur der „Gua Gua" übrig. Menschenleiber schieben sich in den Bus, ein gellendes „Permiiiiiso” bedeutet: „Ich will jetzt aussteigen”, und der Fahrer raucht entspannt während der Fahrt ...

© S. Mayer; Überfüllte Busse sind Normalität in Havanna
© S. Mayer; Überfüllte Busse sind Normalität in Havanna

Den Abend verbringen wir in der Altstadt. Heute ist der Jahrestag des Komitees zur Verteidigung der Revolution. Er wird auf den Straßen mit Musik, Agitprop-Filmen zur Schweinbucht und gemeinsamem Kochen begangen. Auf vielen Straßen sind dazu kleine Feuer entfacht und es wird ein großer Kessel aufgestellt, in den jeder irgendwas zum Essen eingibt. Der Hintergrund für den Tag ist speziell: Damals befand Fidel, dass in jedem Bezirk ein Komitee sein sollte, das Konterrevolutionäre zu melden hatte ...

Die letzten Tage hatte ich mich schon mit kleinen Trinkwasserflaschen eingedeckt, das Leitungswasser soll man nicht mal zum Zähneputzen nehmen. Es gibt um die Ecke eine kleine 24h-Tienda, da kostet die Flasche umgerechnet 50 Cent, die großen sind ausverkauft. An den Straßenverkaufsständen im Zentrum kostet es das Doppelte ... Doch wie schnell ist hier eine Flasche alle, und sie landet im Müll. Neben Papier, Dosen und Essensresten. Mülltrennung geht anders, denke ich, und noch dazu auf einer Insel ... So habe ich mit meinem deutschen Mülltrennwahn“ bei jedem Wasserkauf ein schlechtes Gewissen.

© S. Mayer; Verkäuferpause
© S. Mayer; Verkäuferpause
Rückblickend: Die kubanische Gelassenheit und Nettigkeit taten gut, und die Lebensfreude steckt schnell an. Kuba, diese kleine trotzige Insel mit großem Stolz, hat mich ein Stück gefangen genommen.