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Uni im Notbetrieb – ein organisatorischer Kraftakt
Dagmar Möbius/Susann Mayer

Die Corona-Pandemie stellte alle Menschen in Deutschland vor nie gekannte Herausforderungen. Innerhalb kürzester Zeit mussten auch an der TU Dresden (TUD) zahlreiche Entscheidungen getroffen werden, für die es keine vorbereitete Checkliste gab. Wie hat Rektor Professor Hans Müller-Steinhagen die vergangenen Monate erlebt und was nimmt er daraus in seine berufliche Zukunft mit?

© R. Lohse; Prof. Hans Müller-Steinhagen, Rektor der TU Dresden
© R. Lohse; Prof. Hans Müller-Steinhagen, Rektor der TU Dresden
Kontakt befragte ihn dazu.

Wie viel Zeit blieb der TUD vom Normalbetrieb in den Notbetrieb? Konnten Sie auf ein Krisenteam und einen Krisenplan zurückgreifen? Wie muss man sich die Lage logistisch vorstellen?
Seit dem Jahreswechsel haben wir sehr genau die Entwicklung beobachtet und unsere Maßnahmen auf die jeweilige Situation ausgerichtet. Anfang Februar haben wir damit begonnen, die TUD in einen neuen Modus zu führen. Zuerst waren die Schwerpunktthemen Dienstreisen ins Ausland und die Verschiebung des Starts der Präsenzlehre sowie Großveranstaltungen. Mitte März haben wir den Krisenstab (K-Stab) eingesetzt – eine auf die Situation angepasste Form des Katastrophenstabs der Universität, dem das gesamte Rektorat angehört sowie beratende Personen für Fachgebiete wie Personal- und Rechtsfragen, Kommunikation, Liegenschaften und Sicherheit, Studium und Weiterbildung, IT sowie der Gesundheitsdienst. Der K-Stab beschäftigte sich täglich mit den vielfältigen Themen, die eine solche Krise mit sich bringt. Am 19. März haben wir dann bekanntgegeben, dass die TUD ab 21. März in den Notbetrieb geht. Oberstes Ziel dabei war die Gesundheit aller Mitglieder der Universität. Mit rückläufigen Infektionszahlen und in Abstimmung mit den staatlichen Maßnahmen sind wir ab 20. April wieder in einen eingeschränkten Präsenzbetrieb für die Forschung und ab 4. Mai auch für die Lehre gewechselt, den wir seitdem schrittweise und in aller Vorsicht weiter öffnen. Eine Organisation mit rund 40.000 Mitgliedern in einen völlig anderen Modus zu bringen in Forschung, Lehre und Verwaltung ist ein organisatorischer Kraftakt.

Bitte beschreiben Sie für nicht mehr an der TU Dresden Studierende und Arbeitende an konkreten Beispielen, wie sich das Arbeiten von zu Hause in Lehre, Forschung und Verwaltung gestaltete.
Alles verlagert sich in den virtuellen Raum: Gremiensitzungen, Lehrveranstaltungen, Prüfungen, Forschungsarbeiten, selbstverständlich auch das Rektorat. Innerhalb weniger Wochen müssen die rechtlichen, technischen und inhaltlichen Voraussetzungen geschaffen werden, dass der Betrieb einer großen Exzellenzuniversität weiterläuft – ohne dass sich Menschen persönlich begegnen. Das bringt die gesamte Organisation an ihre Belastungsgrenze. Arbeit und Privates vermischen sich im Home Office. Familie und Beruf zu vereinbaren ist weiterhin eine besondere Herausforderung, gerade wenn Kinder zu Hause unterrichtet werden müssen. Wir haben diese Prüfung unserer Leistungsfähigkeit sehr gut bestanden, aber mit sehr hohem Einsatz von Kraft und Zeit.

Was waren die größten Probleme beim Übergang in den Ausnahmezustand? Welche kreativen Lösungen überraschten Sie am meisten?
Die Menge der gleichzeitig zu regelnden Themen ist eine echte Herausforderung, weil sämtliche Facetten der Universität betroffen sind und die Zeit für Entscheidungen und deren Umsetzung meist sehr begrenzt ist. Tief beeindruckt haben mich die Flexibilität, das Engagement und die Findigkeit, mit der alle an der TUD dafür gesorgt haben, dass dieser riesige Veränderungsbedarf in so kurzer Zeit gestemmt wurde. Und zwar jede und jeder in seiner oder ihrer Zuständigkeit.

Seit Anfang Mai wird stufenweise in Präsenzphasen zurückgekehrt. Wie läuft der Prozess und welche Erkenntnisse werden die künftige Arbeit der Universität beeinflussen?

Die Erkenntnis ist, dass es „einfacher“ ist, eine Großorganisation kurzfristig in einen strikten Notbetrieb zu schicken, als daraus stufenweise wieder in einen zunehmenden Präsenzbetrieb zurückzukehren. Der Ermessensspielraum und damit auch der Entscheidungs- und Kommunikationsbedarf sind bei der Rückkehr nochmals höher als beim Eintritt.

Im August endet Ihre zehnjährige Tätigkeit als Rektor. Was waren rückblickend die herausforderndsten Zeiten für Sie, worauf sind Sie am meisten stolz und wie geht es für Sie beruflich weiter?
Die TU Dresden ist eine so dynamische und vielfältige Universität, dass sie mich ständig weiter herausgefordert hat. Am Beginn mit dem Kennenlernen und Verstehen, in der ersten und zweiten Amtszeit mit dem gemeinsamen Ringen um eine erfolgreiche Exzellenzbewerbung und die nachhaltige Weiterentwicklung dieser großartigen Universität hin zu einer internationalen Spitzenuniversität in Forschung, Lehre und Wissenstransfer – und jetzt am Ende die wiederum gemeinsame Herausforderung durch die Pandemie. Es erfüllt mich mit Stolz, Teil dieser ganz besonderen Gemeinschaft zu sein, die sich nicht nur in Forschung und Lehre hohe Ziele setzt und erreicht, sondern auch klar für Weltoffenheit und gegen Intoleranz und Rassismus eintritt. Als Präsident der Dresden International University (DIU), der Weiterbildungsuniversität der TU Dresden, werde ich Dresden erhalten bleiben und weiterhin für meine akademischen und gesellschaftlichen Werte eintreten.

Was möchten Sie Ihren Absolventen zum Abschied sagen?
Ich hoffe, dass sie wie ich fühlen können: Die Zeit an der TU Dresden war einer der Höhepunkte in meinem Leben.

Vielen Dank und alles Gute für Sie als Präsident der DIU!