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TU Dresden
Professur für Arbeits- und Organisationspsychologie
Dr. Dominika Wach

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Studie

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Pandemie und Selbstständigkeit
Dagmar Möbius

Im April 2020 rief die Professur für Arbeits- und Organisationspsychologie der TU Dresden Unternehmer/innen auf, sich an einer Online-Befragung zu COVID-19-bedingten Herausforderungen in Deutschland, Polen, Spanien und Großbritannien zu beteiligen.

Kontakt-online fragte Dr. Dominika Wach, die die Studie mitentwickelt hat, nach dem Stand der Dinge.

© privat; (von links) B.sc. Denise Doan und Dr. Dominika Wach von der Professur für Arbeits- und Organisationspsychologie der TU Dresden
© privat; (von links) B.sc. Denise Doan und Dr. Dominika Wach von der Professur für Arbeits- und Organisationspsychologie der TU Dresden
Wie entstand die Idee zu dieser Studie?

Ursprünglich wurde eine Studie zu herausfordernden und hinderlichen Stressoren bei kleinen und mittelständischen Unternehmern im Rahmen der Masterarbeit von Frau Denise Doan (Fakultät Psychologie, Masterstudiengang Human Performance in Socio-Technical Systems) geplant.
Aufgrund der COVID-19-Pandemie war die methodische Umsetzung der Studie (face-to-face-Interviews) nicht mehr durchführbar. Zudem offenbarte sich die Krise als ein enormer Stressor für die Unternehmer/innen und vor allem für Solo-Selbstständige, der wissenschaftlicher Betrachtung bedarf. Gleichzeitig wurden wir von einer Arbeitsgruppe um Frau Prof. Ute Stephan (King’s College London) zur Kooperation eingeladen. Auch hier war das Ziel, die mit diesem Coronavirus assoziierten Herausforderungen bei Unternehmern in Polen, Spanien und Großbritannien zu untersuchen. Aktuell umfasst diese globale Studie 31 Länder weltweit.

Wie war die Resonanz auf Ihren Aufruf?
Unsere in Deutschland durchgeführte Studie umfasst 160 Unternehmer/innen sowie Solo-Selbstständige aus Sachsen und 267 Teilnehmende deutschlandweit. Davon sind 163 Personen solo-selbstständig (Sachsen: 94 Personen) und 104 Personen Inhaber/in von kleinen und mittelständischen Unternehmen (Sachsen: 66 Personen). Eine zweite Untersuchungswelle ist für Oktober/November 2020 geplant. Wir freuen uns auf Bewilligung entsprechender Finanzierung durch die transCampus Initiative der TU Dresden. 

Wie umfangreich war die Befragung und was wollten Sie konkret wissen?
Insgesamt gab es 127 Fragen mit einer ungefähren Bearbeitungsdauer von 25 bis 30 Minuten. Die meisten Fragen wurden standarisierten Fragebögen entnommen, einige mussten selbst entwickelt werden (z. B. Stressoren, die direkt mit der COVID-19-Krise assoziiert sind). Wir fragten nach den Auswirkungen auf das Unternehmen (z. B. hinsichtlich Personal, finanzieller Lage, Gewerbebetrieb), nach dem Umgang mit der Lockdown-Situation, nach arbeitsbezogenen Stressoren (z. B. Unsicherheit), aber auch nach Wohlbefinden, Arbeits- und Lebenszufriedenheit und Stresserleben. Die meisten Fragen konnten in Form von mehrstufigen Antwortskalen beantwortet werden, bei manchen Fragen wurden offene Antworten zugelassen.

Was sagen die Ergebnisse?
Mit Blick auf die Frage, inwieweit die COVID-19-Pandemie das eigene Unternehmen verändert hat, berichtete die Mehrheit der Befragten, dass die Pandemie ihr Unternehmen eher verändert, als nicht verändert hat. Vor allem finanzielle Engpässe, die die Aufrechterhaltung des Unternehmens erschweren, spielten dabei eine Rolle sowie Probleme dabei, Angestellte und/oder Lieferanten nicht mehr bezahlen zu können. Als weitere Herausforderungen zeigten sich Engpässe bei der Versorgung mit Materialien und Gütern sowie eine ausbleibende oder verzögerte Zahlung von Kunden. In Bezug auf den Gewerbebetrieb gab knapp ein Viertel an, dass sie ihr Unternehmen aufgrund der COVID-19-Pandemie schließen und den Gewerbebetrieb einstellen mussten. Während sich bei nur 1,9 Prozent die Auftragslage verbesserte, berichteten knapp zwei Drittel von einem Rückgang der Auftragslage. Außerdem expandierten 11,9 Prozent der Unternehmen in einen Online-Handel oder Lieferservice. 75 Prozent taten dies nicht und 13,1 Prozent berichteten davon, dass es so etwas schon vorher gab.

© H. Goehler; Ein Viertel der Befragten gaben an, dass sie aufgrund der Pandemie gar nicht arbeiten konnten.
© H. Goehler; Ein Viertel der Befragten gaben an, dass sie aufgrund der Pandemie gar nicht arbeiten konnten.

In Hinblick auf die Arbeitsbedingungen der Befragten gaben 31,9 Prozent an, dass sich ihr Hauptarbeitsplatz nicht verändert hat, wohingegen 16,2 Prozent davon berichteten, dass sie aufgrund von COVID-19 ihren Arbeitsplatz ins Home-Office verlegten. Besonders auffällig war, dass 24,4 Prozent davon berichteten, aufgrund der COVID-19-Pandemie momentan gar nicht arbeiten zu können.

Ob COVID-19 für die Befragten eine Existenzbedrohung darstellt oder eher als Innovationschance wahrgenommen wird, wurde außerdem untersucht. Es zeigte sich, dass COVID-19 von knapp zwei Drittel als Bedrohung für die Existenz ihres Unternehmens erlebt wird, wobei die Mehrheit davon ausgeht, ihr Unternehmen nicht länger als ein halbes Jahr unter der COVID-19-Situation weiter aufrechterhalten zu können. Auf die Frage, ob COVID-19 neue Geschäftsmöglichkeiten eröffnet hat, antwortete ein geringerer Anteil mit „Ja“ und der größere Anteil mit „Nein“. Demzufolge geht die Mehrheit der Befragten davon aus, dass COVID-19 weniger eine Innovationschance und eher eine Existenzbedrohung darstellt. Dennoch gaben 29,4 Prozent an, dass sie sich langfristig auch positive Auswirkungen von COVID-19 vorstellen können.

In Bezug auf die erfassten Stressoren von Unternehmer/innen zeigte sich, dass der Großteil der Befragten ihre Besorgnis um ihre Gesundheit und/oder die ihrer Familie als „wenig“ bis „sehr wenig“ einschätzte, wohingegen sich nur ein geringer Anteil von 14,4 Prozent „stark“ oder „sehr stark“ dadurch bedroht fühlte. Auch die Frustration und Langweile als Folgen der Isolation wurden von mehr als einem Drittel der Befragten eher als „wenig“ bis „sehr wenig“ empfunden und nur von knapp einem Viertel als „stark“ oder „sehr stark“. Es zeigte sich des Weiteren, dass sich 27,7 Prozent „wenig“ bzw. „sehr wenig“, 37,7 Prozent „mittelmäßig“ und 34,6 Prozent „stark“ bzw. „sehr stark“ vom Stressor Unsicherheit bedroht fühlten. Konkret wurde der Umgang mit unvorhergesehenen Problemen bei der Arbeit von den Befragten als besonders belastend eingeschätzt. Mit Bezug auf die subjektiv erlebte Einsamkeit gab die Mehrheit an, dass sie sich bei der Arbeit „wenig“ bis „sehr wenig“ einsam und allein fühlten.

Mit Blick auf die untersuchten persönlichen sowie gesundheitlichen Auswirkungen, berichteten fast Dreiviertel von einer „hohen“ bis „sehr hohen“ Arbeitszufriedenheit. Die Frage, wie zufrieden die Befragten gegenwärtig und alles in allem mit ihrem Leben sind, ergab, dass 15,6 Prozent „nicht zufrieden“, 45,6 Prozent „mittelmäßig zufrieden“ und 38,7 Prozent „zufrieden“ mit ihrem Leben waren. Außerdem schätzte ein Drittel der Befragten das Stresserleben als „wenig“ bis „sehr wenig“ ein, wobei niemand von einem „sehr hohen“ Stresserleben berichtete.

Bezüglich des arbeitsbezogenen psychologischen Wohlbefindens schätzte der Großteil das eigene Wohlbefinden als „hoch“ und „sehr hoch“ ein und niemand berichtete sich „sehr wenig“ wohlgefühlt zu haben. D. h., dass die Mehrheit der Befragten die Angelegenheiten bezüglich ihrer Arbeit in den letzten vier Wochen als Zeithorizont als vorwiegend positiv betrachtete.

Zuletzt zeigte sich, dass vor allem der Stressor Unsicherheit einen Zusammenhang mit den persönlichen sowie gesundheitlichen Auswirkungen der Befragten aufwies, wobei mehr Unsicherheit mit weniger Arbeits- und Lebenszufriedenheit, weniger Wohlbefinden und mehr Stresserleben assoziiert war.

© H. Goehler; Trotz oder gerade wegen aller Schwierigkeiten während der Pandemie entstand vielerorts ein neues Solidargefühl.
© H. Goehler; Trotz oder gerade wegen aller Schwierigkeiten während der Pandemie entstand vielerorts ein neues Solidargefühl.