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Ist die Weihnachtsgans ethisch vertretbar? |
Bevor Julia Enxing Theologin wurde, studierte sie Tiermedizin. Aktuell forscht sie im Bereich der theologischen Schöpfungslehre, der theologischen und philosophischen Anthropologie sowie der Tier-Theologie. Einfache Antworten garantiert das nicht, aber überlegenswerte.
Seit Frühjahr 2020 ist Julia Enxing Lehrstuhlinhaberin für Systematische Theologie am Institut für Katholische Theologie der TU Dresden. Speziell zur Rolle des Menschen in der Schöpfung stellen sich ihr viele offene Fragen. „Dazu sollte sich die Theologie positionieren“, meint die Universitätsprofessorin. Die 37-Jährige blickt dazu auf das Zusammenspiel von menschlichem und nicht-menschlichem Leben. Tieren fühlt sie sich besonders verbunden: Vor ihrem Studium der Theologie studierte sie Veterinärmedizin. Möglichweise fiel ihr deshalb auf, dass die Theologie Tiere gern vergisst. Sie findet, dass Christ/innen hinterfragen sollten, was andere Menschen als Lebensentwürfe definiert haben. „Weil alles mit allem zusammenhängt.“
Schwein auf dem Teller, aber Meerschweinchen auf rosa Kissen?
In einem Interview sagte sie: „In unserem Kulturkreis haben wir beispielsweise entschieden, dass wir Schweine essen, Meerschweinchen aber auf rosa Kissen setzen. Wir tun so, als sei das selbstverständlich, doch anderswo hat man ganz anders entschieden.“ Durch menschliches Einwirken sei der Schöpfungsauftrag der Tiere, fruchtbar zu sein und sich zu vermehren, gefährdet. Auch wenn es unvermeidlich sei, „an anderem Leben schuldig zu werden“, gibt sie zu bedenken: „Würden wir Menschen einander in der gleichen Geschwindigkeit töten wie wir andere Tiere töten, wären wir innerhalb von 17 Tagen ausgestorben.“ Tieren respektvoller und wertschätzender zu begegnen, hält die Theologin für machbar, beispielsweise durch bewussteren Konsum.
Wer Tiere abwertet, wertet auch bestimmte Menschengruppen ab
Mit Blick auf die Corona-Pandemie verdeutlicht Julia Enxing: „Wir können nicht alles kontrollieren und beherrschen.“ Und sie weist noch auf einen anderen aus Studien bekannten Zusammenhang hin: „Menschen, die Tieren weniger Wert zubilligen, werten häufig bestimmte Menschengruppen ab.“ Was das gesamtgesellschaftlich bedeutet, sei nicht jedem bewusst. Auch in der heutigen Lebenswelt sei die Überzeugung anzutreffen, „dass andere Lebewesen uns zur Verfügung stehen und von uns ‚gebraucht‘ werden können.“ Sie verweist auf biblische Zeiten, in denen Tiere als Mitarbeiter des Menschen galten und genauso wie dieser ein Recht auf Ruhe hatten. Heutzutage würden Tiere durch industrielle Schlachtung zu einer Ware, zu der viele Menschen keinen Bezug mehr haben – anders als beispielsweise in Bereichen der ökologischen Landwirtschaft.
Biologische Trockennasenaffen und krönender Sabbat
In einem Beitrag, der sich mit der Frage beschäftigt, warum sich ausgerechnet die Kirchen auf die Fahnen geschrieben haben, dass Tiere nicht mit Menschen bestattet werden dürften, aber nichts dagegen einzuwenden haben, wenn Menschen „bedenkenlos tierliche Leichenteile mit Pommes verzehren“, gibt die Theologin unter anderem folgende Argumente zu bedenken:
Das mag säkulare Personen und Nichtwissenschaftler/innen verwundern, zumindest ist es nicht ganz einfach zu verstehen. Einfacher dürfte das Auseinandersetzen mit dem Begriff „planetarische Solidarität“ fallen, der voraussetzt, die Erde als Gemeinschaft zu erleben. „Weil Sexismus, Rassismus und Diskriminierung oft kombiniert auftreten, ist die Theologie gut beraten, sich diesen Themen nicht in ‚Einzel-Exkursen‘ anzunehmen, sondern sie zunehmend in ihr Zentrum zu stellen“, sagt Julia Enxing und ist überzeugt: „Der Respekt vor dem Leben, das Reflektieren etablierter Denkmuster und der Mut zum Neuland können eine transformative Kraft entwickeln.“ Die Ressourcen und Potenziale der Theologie hierfür zu entdecken und zu entfalten beschreibt sie „als eine Alphabetisierungskampagne im besten Sinne.“
Die Eingangsfrage beantwortet Professorin Enxing persönlich: „Ein schmackhaftes Weihnachtsmenü muss für mich tierfrei sein. Auch theologisch ergäbe sich sonst ein Widerspruch für mich: Ich kann nicht einerseits die Fleischwerdung Gottes feiern und damit anerkennen, dass Gott Lebewesen geworden ist, und andererseits ein ebensolches zum Festmahle töten und essen.“
Seit Frühjahr 2020 ist Julia Enxing Lehrstuhlinhaberin für Systematische Theologie am Institut für Katholische Theologie der TU Dresden. Speziell zur Rolle des Menschen in der Schöpfung stellen sich ihr viele offene Fragen. „Dazu sollte sich die Theologie positionieren“, meint die Universitätsprofessorin. Die 37-Jährige blickt dazu auf das Zusammenspiel von menschlichem und nicht-menschlichem Leben. Tieren fühlt sie sich besonders verbunden: Vor ihrem Studium der Theologie studierte sie Veterinärmedizin. Möglichweise fiel ihr deshalb auf, dass die Theologie Tiere gern vergisst. Sie findet, dass Christ/innen hinterfragen sollten, was andere Menschen als Lebensentwürfe definiert haben. „Weil alles mit allem zusammenhängt.“
Schwein auf dem Teller, aber Meerschweinchen auf rosa Kissen?
In einem Interview sagte sie: „In unserem Kulturkreis haben wir beispielsweise entschieden, dass wir Schweine essen, Meerschweinchen aber auf rosa Kissen setzen. Wir tun so, als sei das selbstverständlich, doch anderswo hat man ganz anders entschieden.“ Durch menschliches Einwirken sei der Schöpfungsauftrag der Tiere, fruchtbar zu sein und sich zu vermehren, gefährdet. Auch wenn es unvermeidlich sei, „an anderem Leben schuldig zu werden“, gibt sie zu bedenken: „Würden wir Menschen einander in der gleichen Geschwindigkeit töten wie wir andere Tiere töten, wären wir innerhalb von 17 Tagen ausgestorben.“ Tieren respektvoller und wertschätzender zu begegnen, hält die Theologin für machbar, beispielsweise durch bewussteren Konsum.
Wer Tiere abwertet, wertet auch bestimmte Menschengruppen ab
Mit Blick auf die Corona-Pandemie verdeutlicht Julia Enxing: „Wir können nicht alles kontrollieren und beherrschen.“ Und sie weist noch auf einen anderen aus Studien bekannten Zusammenhang hin: „Menschen, die Tieren weniger Wert zubilligen, werten häufig bestimmte Menschengruppen ab.“ Was das gesamtgesellschaftlich bedeutet, sei nicht jedem bewusst. Auch in der heutigen Lebenswelt sei die Überzeugung anzutreffen, „dass andere Lebewesen uns zur Verfügung stehen und von uns ‚gebraucht‘ werden können.“ Sie verweist auf biblische Zeiten, in denen Tiere als Mitarbeiter des Menschen galten und genauso wie dieser ein Recht auf Ruhe hatten. Heutzutage würden Tiere durch industrielle Schlachtung zu einer Ware, zu der viele Menschen keinen Bezug mehr haben – anders als beispielsweise in Bereichen der ökologischen Landwirtschaft.
Biologische Trockennasenaffen und krönender Sabbat
In einem Beitrag, der sich mit der Frage beschäftigt, warum sich ausgerechnet die Kirchen auf die Fahnen geschrieben haben, dass Tiere nicht mit Menschen bestattet werden dürften, aber nichts dagegen einzuwenden haben, wenn Menschen „bedenkenlos tierliche Leichenteile mit Pommes verzehren“, gibt die Theologin unter anderem folgende Argumente zu bedenken:
- „Rein biologisch gehören wir zur Gattung der Trockennasenaffen.
- Menschliche und nicht-menschliche Tiere sind biologisch abbaubar.
- Weder das tierliche Tier noch das menschliche Tier ist die Krönung der Schöpfung – es ist der Sabbat.
- Die bestehenden Bemühungen, tierlichen Tieren den Gebrauch von Werkzeugen, Sprache, sozialer Kompetenz, Schmerzempfinden, Emotionen et cetera abzusprechen, konnte widerlegt werden. Die krampfhafte Suche nach Unterscheidungsmerkmalen geht jedoch weiter und wird immer absurder.
- Die Relevanz jener psychologischen Studien, die die immense Bedeutung der Gemeinschaft von tierlichen und menschlichen Tieren herausstellen, wird – da nicht zur Agenda passend – ignoriert.“
Das mag säkulare Personen und Nichtwissenschaftler/innen verwundern, zumindest ist es nicht ganz einfach zu verstehen. Einfacher dürfte das Auseinandersetzen mit dem Begriff „planetarische Solidarität“ fallen, der voraussetzt, die Erde als Gemeinschaft zu erleben. „Weil Sexismus, Rassismus und Diskriminierung oft kombiniert auftreten, ist die Theologie gut beraten, sich diesen Themen nicht in ‚Einzel-Exkursen‘ anzunehmen, sondern sie zunehmend in ihr Zentrum zu stellen“, sagt Julia Enxing und ist überzeugt: „Der Respekt vor dem Leben, das Reflektieren etablierter Denkmuster und der Mut zum Neuland können eine transformative Kraft entwickeln.“ Die Ressourcen und Potenziale der Theologie hierfür zu entdecken und zu entfalten beschreibt sie „als eine Alphabetisierungskampagne im besten Sinne.“
Die Eingangsfrage beantwortet Professorin Enxing persönlich: „Ein schmackhaftes Weihnachtsmenü muss für mich tierfrei sein. Auch theologisch ergäbe sich sonst ein Widerspruch für mich: Ich kann nicht einerseits die Fleischwerdung Gottes feiern und damit anerkennen, dass Gott Lebewesen geworden ist, und andererseits ein ebensolches zum Festmahle töten und essen.“