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Campus und Forschung

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Innovativ, leicht und formbar – Textilbeton hat Zukunft
Dagmar Möbius

„Man kriegt ’nen Blick dafür in der Gegend, wo ich wohn’, na ja, die Schuhe daraus sind ziemlich unbequem, doch man kann prima damit unter Wasser geh’n“, sang Edo Zanki schon vor 15 Jahren in seinem Lied „Beton“. Während dem Song eine gewisse Ironie eigen ist und gegenüber Beton nach wie vor einige Vorurteile bestehen, sagen Experten dem Textilbeton eine große Zukunft voraus. Das schlechte Image von Beton sei vollkommen unbegründet, meint unter anderem der Deutsche Beton- und Bautechnikverein und wirbt mit dem Slogan „Beton – es kommt darauf an, was man daraus macht“. 

Foto: Archiv TUD
Foto: Archiv TUD
An der Entwicklung von Textilbeton wird an der TU Dresden seit über zehn Jahren geforscht. Ursprünglich initiiert von den Professoren Peter Offermann (Institut für Textil- und Bekleidungstechnik) und Manfred Curbach (Institut für Massivbau), arbeiten heute über 50 Wissenschaftler in interdisziplinären Teams des Sonderforschungsbereiches 528 in der Grundlagenforschung.

Im Januar 2009 gründeten namhafte Unternehmen mit der TU Dresden den Markenverband TUDALIT®. Inhaberin der Marke ist die TUDAG (Technische Universität Dresden AG), unter deren Dach auch das Deutsche Zentrum Textilbeton (DZT) agiert.

Als TUDALIT® soll Textilbeton künftig weltweit vermarktet und nach entsprechenden Qualitätsstandards gegenüber Kopien geschützt werden. Das Vorhaben gehört zu den fünf erfolgreichen Bewerbungen, die aus 90 Projekten vom Deutschen Stiftungsrat ausgewählt und für zwei Jahre gefördert wurden.

„Nach alternativen Bewehrungsmaterialien, die beispielsweise Betonstahl ersetzen können, wird schon lange gesucht“, erzählt Diplom-Ingenieur Silvio Weiland, Geschäftsführer des TUDALIT®-Markenverbandes, „allerdings haben vor 30 Jahren entstandene Textilbeton-Vorläufer wenig mit heutigem Textilbeton gemeinsam.“ Der moderne Verbundwerkstoff ist hervorragend geeignet, um Bauwerke zu verstärken oder instand zu setzen. Immerhin 60 Prozent der jährlich in Deutschland erbrachten Bauleistungen von rund 150 Milliarden Euro fallen in diesen Bereich. Das Zwickauer Finanzamt, ein Bau aus dem Jahre 1903, konnte so zum Beispiel mit einer Textilbetonverstärkung erhalten werden.

„Textilbeton ist noch kein Werkstoff, den man irgendwo bestellen kann, er muss individuell hergestellt werden“, erklärt Silvio Weiland. Anstelle von Kurzfasern werden heute Endlos-Hochleistungsgarne, zum Beispiel aus Carbon, zu textilen Strukturen verarbeitet und in den Beton gelegt. Moderner Textilbeton zeichnet sich durch eine lange Haltbarkeit aus. Die speziellen Bewehrungstextilien werden übrigens bisher nur an der TU Dresden hergestellt. Die hier vorhandene Technik ist in der Lage, bis zu 15 Meter pro Minute zu produzieren. Da diese nachhaltige Technologie wesentlich weniger Material als bei anderen Verfahren benötigt, spart sie zudem Kosten.

„Die Möglichkeiten und Potenziale von Textilbeton sind immens“, schwärmt Silvio Weiland und erwähnt die erste Brücke aus Textilbeton. Sie entstand für die Landesgartenschau Oschatz 2006, ist neun Meter lang und hat nur drei Zentimeter starke Wände. „Mehr braucht man nicht für eine Fußgänger- und Radwegbrücke“, so Silvio Weiland. Anstelle einer üblichen Konstruktion, die 25 Tonnen wiegen würde, bringt die Oschatzer Textilbetonbrücke nur fünf Tonnen auf die Waage. Und erhielt dafür einen Innovationspreis! Bei Brücken, einer klassischen Ingenieursdisziplin, soll es nicht bleiben. Ob Dach- oder Balkonbauteile, Lärmschutzwände, Behälter und Rohre, ja sogar beheizbare Bauteile wie Stufen, die eisfrei bleiben können, sind ebenso denkbar wie Möblierungen im öffentlichen Raum, denn Textilbeton ist langlebig, wetterbeständig und brandsicher.

Foto: Archiv TUD
Foto: Archiv TUD
Glatt bis rau, geschliffen, gewaschen, gesäuert, gestrahlt, profiliert und in nahezu jedem Farbton herstellbar, ist der innovative und formbare Werkstoff auch für Künstler reizvoll. Die für die Sächsische Landesgartenschau 2002 entstandene Bioskulptur „Die Gabe des Wassers“ von Jackie Brookner aus New York kann in der Badesaison im Naturerlebnisbad in Großenhain besichtigt werden. Im Herbst vorigen Jahres stellte der sächsische Künstler Einhart Grotegut seine „Beton-Blätter“, Bilder aus Textilbeton, erstmals öffentlich im Gebäude-Ensemble Hellerau aus.

Im Juni 2009 werden sich Wissenschaftler der beiden deutschen DFG-Sonderforschungsbereiche „Textile Bewehrungen zur bautechnischen Verstärkung und Instandsetzung“ (SFB 528, TU Dresden) und „Textilbewehrter Beton – Grundlagen für die Entwicklung einer neuartigen Technologie“ (SFB 532, RWTH Aachen) zum vierten gemeinsamen Kolloquium treffen. Erstmals werden dabei gezielt Praktiker angesprochen. Die erste Textilbeton-Anwendertagung schließt sich direkt an das Treffen der Grundlagenforscher an.