Artikelsuche

Rubrik: Autor:

Lehrstuhl für Betriebliche Umweltökonomie
Anne-Karen Hüske
Tel.: +49 351 463-33245

zur Homepage
Anne-Karen.Hueske@tu-dresden.de

Campus und Forschung

Url senden | Seite drucken

Biotech mit Sonnenblume, Salbei und Beinwell
Jens Bemme

Es gibt sie in rot, grün, blau, grau, gelb, braun und weiß. Und doch ist die Farbenlehre der Biotechnologie keine exakte Wissenschaft. Neue Spezialgebiete tun sich auf, an deren Grenzen die Farben verwischen. Dabei entstehen neue Ideen, Projekte, Anwendungen und Produkte.

© H.Goehler; Weiße Biotechnologie kann heißen: Natürliche Holzschutzmittel aus Sonnenblume, Salbei und Beinwell ...
© H.Goehler; Weiße Biotechnologie kann heißen: Natürliche Holzschutzmittel aus Sonnenblume, Salbei und Beinwell ...
Anne-Karen Hüske und Jan Endrikat bewerten derzeit Verfahren der Weißen Biotechnologie, um deren Wirtschaftlichkeit und Umweltauswirkungen genauer zu bestimmen. Die beiden sind Absolventen der TUD und forschen am Lehrstuhl für Betriebliche Umweltökonomie mit der Professur für Bioverfahrenstechnik in der Nachwuchsforschergruppe „Weiße Biotechnologie mit Pflanzenzellen". Wegen ihres Schwerpunkts auf industrielle Produktionsverfahren wird die Weiße Biotechnologie auch „Industrielle Biotechnologie" genannt.

Das Ziel der interdisziplinären Forschungsgruppe aus Ingenieurinnen, Biologen, Chemikerinnen, Ökonomen und Pharmazeuthen ist es, Produktionsverfahren für biologische Wirkstoffe mit Zell- und Gewebekulturen so zu gestalten, dass sie gut in der industriellen Produktion eingesetzt werden können. Aus Sonnenblume, Salbei und Beinwell werden mit Hilfe von Hormonen und Bakterien Zellgewebe erzeugt und deren Wirkstoffgehalt ermittelt. Dann werden in zahlreichen Experimentierreihen optimale Kultivierungsbedingungen in Bioreaktoren bestimmt, Wirkstoffe extrahiert und gereinigt.

Was kommt dabei heraus? Natürliche Holzschutzmittel, Farbstoffe, Aromastoffe und Wirkstoffe für die Medizin – produziert aus Pflanzenzellen mit Methoden der Biotechnologie. Neue Methoden sollen deshalb helfen diese Schritte im Produktionsprozess für so unterschiedliche Branchen zu etablieren wie die Holzwerkstoff-, die Lebensmittel-, die Pharma- und Kosmetikindustrie.

Eine Reihe von Vorteilen sprechen für die In-vitro-Gewinnung pflanzlicher Wirkstoffe: Die Produktion im Bioreaktor sei unabhängig von Umweltfaktoren. Vorbehalte in Bevölkerung und Politik gegenüber Freilandversuchen können entkräftet werden. Seltene Wildpflanzen sollen besser vor Ausrottung geschützt werden. Qualität und Menge wären im industriellen Maßstab genau steuerbar. Und man erhofft sich neue Wirkstoffverbindungen, die ursprünglich nicht in den Pflanzen vorkommen.

Trotz vielversprechender Prognosen und Machbarkeitsstudien sind Verfahren der Weißen Biotechnologie im industriellen Maßstab trotzdem noch nicht in der Breite etabliert. Woran das liegt, ermittelt Anne-Karen Hüske mit einer Hemmnisanalyse. „Viele Menschen verstehen die Begriffe Biotechnologie und Gentechnik als Synonyme, so dass Vorbehalte gegenüber gentechnisch veränderten Zutaten eins zu eins auf andere biotechnologisch erzeugte Zutaten übertragen werden", so Anne-Karen Hüske. Und: „Interessant ist dabei, dass Vorbehalte, die wir im Lebensmittel- und Kosmetikbereich beobachten, im Bereich Pharmazeutik viel schwächer sind." Gehemmt werde die industrielle Nutzung biotechnologischer Verfahren zudem durch die langen Entwicklungszeiten. Von der Idee bis zum fertigen Produkt vergehen bis zu zehn Jahre – verbunden mit dem Risiko, dass Projekte in der Entwicklungsphase scheitern. Ein weiterer Faktor sei, dass seit Jahrzehnten etablierte Technologien der Chemie nicht ohne weiteres von neuen verdrängt werden können. Mit Experteninterviews und Umfragen untersucht Anne-Karen Hüske nun, wie die identifizierten Hemmnisse zusammenhängen.

© Institut für Lebensmittel- und Bioverfahrenstechnik; Agarplatte mit Hairy roots von Beta vulgaris (Rote Beete)
© Institut für Lebensmittel- und Bioverfahrenstechnik; Agarplatte mit Hairy roots von Beta vulgaris (Rote Beete)
Erste Ergebnisse zu den Umweltauswirkungen moderner biotechnologischer Verfahren hat Jan Endrikat bereits ermittelt: „Eine wichtige Größe der Ökobilanzen für biotechnologische Verfahren ist der Energieverbrauch des Geräteparks, der für die Produktion genutzt wird." Und weiter: „Die Weiße Biotechnologie ist noch sehr jung, viele Verfahren werden noch optimiert. Und deshalb gibt es für uns bis jetzt nur sehr wenige Erfahrungen mit Ökobilanzen für diese Produktionsverfahren, auf denen wir aufbauen könnten."

Ökobilanzen für die Bewertung neuer Entwicklungen und Produkte liegen im Trend. Umweltleistungsmessungen wurden vom Lehrstuhl für betriebliche Umweltökonomie längst auch für Textilbeton, faserverstärkte Kunststoffe, technische Textilien und Formpressholz durchgeführt – Technologien, die zuvor auch an der TU Dresden entwickelt wurden. „Wir wollen uns weiter als Kompetenzzentrum für Ökobilanzierung und Szenarioanalyse etablieren", bekräftigt Prof. Edeltraud Günther, die Lehrstuhlinhaberin.

Für die technologieorientierten Entwicklungen der Nachwuchsforschergruppe „Weiße Biotechnologie mit Pflanzenzellen" bilden die Analysen der Hemmnisse beim Technologietransfer, der Wirtschaftlichkeit und die Ökobilanzierung die ökonomische Klammer.

Zurück zur Farbenlehre: Sind Pflanzen eher Teil der Grünen oder der Weißen Biotechnologie? Ein Definitionsversuch: Pflanzen gehören zur Grünen Biotechnologie – wenn sie draußen wachsen (oder im Gewächshaus)! Sobald sie als Pflanzenzellen das Labor nie verlassen, wachsen sie für die Weiße Biotechnologie. Oder für eine andere Farbfamilie, denn die Farbenvielfalt der Biotechnologie bietet offenbar Platz für viele Disziplinen – und an der TUD auch für Ökonomen.