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Auf ruhelosen Gleisen

Dagmar Möbius

Er fährt lieber mit der Eisenbahn als mit dem Auto. Mit Schienen beschäftigt er sich auch beruflich. Bauingenieur Jandab Zarour ist Professor an der Universität Damaskus und Regionalbotschafter der TU Dresden in Syrien.

© privat: Prof. Jandab Zarour während seines Forschungseinsatzes in Berlin.
© privat: Prof. Jandab Zarour während seines Forschungseinsatzes in Berlin.
Jandab Zarour wurde 1960 in Kadmous/Syrien geboren und wuchs im Gebirge auf. In seiner Kindheit gab es dort keine Eisenbahnen. Ob das einer der Beweggründe für ihn war, Bauingenieurwesen zu studieren, ist heute nur zu vermuten. Sein Studium an der Tishreen Universität Lattakia von 1978 bis 1983 schloss er jedenfalls mit Auszeichnung ab. „Die zehn besten Absolventen durften sich als Assistenten bewerben, ich war siebenter“, erzählt er stolz.

Im Rahmen des Regierungsabkommens zwischen Syrien und der DDR wurde er zum Zusatz-Studium delegiert. Insgesamt 600 syrische Studenten erhielten diese Möglichkeit. „Am 13. Oktober 1984 bin ich eingereist, das weiß ich noch ganz genau, ich war in der dritten Gruppe“, erinnert er sich. Danach lernte Jandab Zarour bis März 1985 Deutsch am Leipziger Herder-Institut. Von dort wurde er an die Hochschule für Verkehrswesen (HfV) nach Dresden geschickt. „Die Fachrichtung Eisenbahnbau gab es damals nur dort“, erklärt er. An den Empfang in Dresden denkt er heute noch gern: „Ich bekam eine kleine Wohnung in der Wundtstraße 1, einen Arbeitsplatz und einen Betreuer. Mein Professor Funke war sehr gut, ich denke immer an ihn.“ Nach anderthalb Jahren Zusatzstudium verteidigte Zarour seine Diplomarbeit über Schienenbeanspruchung, um sich die nächsten drei Jahre seiner Promotion zu widmen. Das Thema: „Beanspruchung der Schienen beim Gleisbau und bei der Gleiserhaltung“, betreut von Professor Führer. Neben seiner beruflichen Tätigkeit erlebte er die Wende in Dresden: „Ich bin auch mit auf der Straße gewesen zum Marschieren und in der Kirche.“ So etwas in Frieden zu erleben beeindruckte ihn nachhaltig: „Dass die Polizei aufgepasst hat und niemand eine Blume kaputt gemacht hat, dass es ohne Schießen abging, hat mir sehr gut gefallen.“

© Hartmut Göhler (2): Autobahn in Syrien
© Hartmut Göhler (2): Autobahn in Syrien
Im Januar 1990 ging Jandab Zarour zurück nach Syrien und arbeitete als Hochschullehrer an der Universität Lattakia. Sein in Deutschland erworbenes Wissen gab er auch in zwei Büchern weiter: Eisenbahn I und II. Literatur, die es im arabischen Raum vorher nicht gab. Außerdem gründete er eine Sektion Verkehrsbauwesen an seiner Universität, die er zwei Jahre leitete. 1993 delegierte ihn die syrische Regierung für sechs Jahre in den Sudan. Dort unterrichtete er an vier Universitäten künftige Ingenieure: „Von Transportwesen allgemein über Eisenbahnwesen bis zu Straßenverkehrsbau.“

Ab 1999 wieder in Lattakia, managte er die Abteilung Straßen- und Eisenbahningenieurwesen. Drei Jahre später wartete die nächste Herausforderung auf Jandab Zarour. Er wurde nach Damaskus delegiert. In der syrischen Hauptstadt übernahm er die Leitung des staatlichen Transport-, Straßen- und Brückenbau-Ingenieurbüros. In dieser Zeit bekam er Kontakt mit der internationalen Ingenieurgemeinschaft Setzpfandt, mit der er später mehrere Projekte wie beispielsweise den Autobahnring in Damaskus umsetzte.

2004 zog Professor Jandab Zarour von Lattakia ins 350 Kilometer entfernte Damaskus um. Auch um die mindestens vier Stunden dauernden Fahrten zwischen Wohn- und Arbeitsort einzusparen. „Lange Strecken fahre ich lieber mit der Eisenbahn“, lacht er. Zwar gebe es oft Verspätungen auf den eingleisigen Strecken, aber: „Es ist bequem, sehr sicher und interessant.“

Prof. Zarour ist begeistert vom deutschen ÖPNV, würde ihn gern für Damaskus adaptieren.
Prof. Zarour ist begeistert vom deutschen ÖPNV, würde ihn gern für Damaskus adaptieren.
2003 besuchte Zarour zum ersten Mal seit seiner Promotion wieder Dresden. „Das ist wie meine zweite Heimat“, schwärmt er und ist nun mehrmals im Jahr in der Stadt. „Ich habe hier so viel gelernt und rufe jedes Mal die ehemaligen Kollegen an, Professor Zschweigert, Professor Berg und Professor Schömberg, aber auch die Sekretärin, und besuche immer die Uni.“ Prof. Dr.-Ing. Wolfgang Fengler, der die Professur für Gestaltung von Bahnanlagen an der TU Dresden leitet, lädt ihn regelmäßig zur Zusammenarbeit ein. Ein Forschungsprojekt schloss Zarour im Februar 2008 in Dresden ab. Momentan bearbeitet er ein Thema an der Universität Berlin. Diesmal geht es um Schienenschweißen und Schweißfehlervermeidung. Die Erkenntnisse wird er sofort in der Heimat einsetzen können. In Nordsyrien wird eine neue Eisenbahnstrecke gebaut. Weitere werden folgen, denn das syrische Verkehrsministerium plant einen kontinuierlichen Ausbau. „Die Wüste ist zum Beispiel noch nicht ans Eisenbahnnetz angebunden, auch andere Strecken fehlen noch, aber unser Land ist wie ein Knoten zwischen Europa, Asien und Afrika, wir müssen die Infrastruktur ausbauen“, erklärt Jandab Zarour. Da die Finanzierung solcher Projekte schwierig sei, dauere es insgesamt länger.

Deshalb freut er sich, bei jeder Deutschlandreise Neues zu lernen. „Das ist wirklich das Land der Denker“, meint er. „Jedes Mal, wenn ich hier bin, sehe ich, wie es vorangeht.“ Eine Beobachtung, die der Professor künftig auch in seiner Heimat weitergeben wird. Seit Kurzem fungiert er als Regionalbotschafter der TU Dresden und ist damit Ansprechpartner und Erstkontakt in Syrien, um den Einstieg von Austauschstudenten oder Gastwissenschaftlern vor Ort zu erleichtern. Aber auch Landsleuten, die in Deutschland studieren wollen, steht er bei Fragen zur Verfügung.

Im November 2008 wird er erneut in Dresden sein, um an einer Tagung teilzunehmen. Wenn er es schafft, wird er einen Vortrag halten, zu dem ihn die Organisatoren des Alumnitreffens eingeladen haben.

Für Zarours Familie ist die häufige Abwesenheit des Ehemannes und Vaters nicht einfach. Seine Ehefrau, zwei Söhne und eine Tochter vermissen ihn oft. „Aber ich habe eine ganz liebe Frau, sie ist Diplomingenieurin für Mechanik und arbeitet jetzt als Lehrerin an einer Berufsoberschule.“ Der älteste Sohn besucht die 6. Klasse, die Tochter die 5. Klasse und der jüngste Sohn ist im Kindergarten. In Deutschland waren sie noch nie. Jandab Zarour hofft, seiner Familie irgendwann das Land zu zeigen, in dem die Geschichte der Eisenbahn für ihn begann.