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Viel mehr als die Erfinderin der „Erotischen Engel“

Dagmar Möbius

Fotos (2): © privat; Die Erfinderin der „Erotischen Engel“ mit einer Auswahl der Sternkopf-Kollektion
Fotos (2): © privat; Die Erfinderin der „Erotischen Engel“ mit einer Auswahl der Sternkopf-Kollektion
„Unbedingt etwas mit Sprachen“ wollte sie machen und entschied sich für ein Lehramtsstudium für Englisch und Deutsch. „Ich wollte nicht so weit weg von zu Hause, deshalb ging ich an die TU Dresden“, begründet Dr. Sylva-Michèle Sternkopf. „Meine erste Erinnerung an diese Zeit ist, dass ich in der Straßenbahn echt verzweifelt bin“, sagt die im erzgebirgischen Zschopau Geborene. Das war im Jahr 1992. Doch im Studentenalltag fand sie sich schnell zurecht. So gut, dass sie parallel Anglistik, Amerikanistik und Germanistik studierte. „Ich habe auch alle möglichen Zusatzkurse, die mit Linguistik, PR und Kommunikation zu tun hatten, belegt.“ Zwischenzeitlich arbeitete sie ein Jahr im Konferenzzentrum des Londoner Britannia International Hotel, half, wo es nötig war, und übersetzte bei internationalen Konferenzen. „Ich habe auch in einer Bar gejobbt“, schmunzelt sie. „Man muss länger im Ausland gelebt haben, wenn man in meiner Branche erfolgreich sein will“, ist sie überzeugt.

Im Juli 1998 legte sie nicht nur den Master, sondern auch das erste Staatsexamen ab. Danach unterrichtete sie am Gymnasium im heimischen Flöha Englisch und Deutsch. In der zweijährigen Referendariatszeit kamen ihr öfter Zweifel, ob sie als Englischlehrerin auf Dauer glücklich werden würde. „Ich liebe die Sprache und es tat mir so leid um mein Englisch, wenn ich zum x-ten Mal in der fünften Klasse ‚who are you?‘ wiederholen musste“, sagt sie. Weil die auch Russisch und Niederländisch Sprechende befürchtete, dass ihre in zahlreichen Auslandsaufenthalten erworbenen Sprachfähigkeiten auf Dauer verkümmern könnten, reifte ein Gedanke. „Das Lehramtsstudium nützt einem in der Wirtschaft nicht viel“, war ihr klar, „ich interessierte mich aber auch schon immer für Werbung.“ Im Jahr 2000, kurz nachdem sie das zweite Staatsexamen in der Tasche hatte, wurde Sohn Paul geboren. Benannt wurde er nach seinem Großvater – nicht das einzige Bekenntnis zu familiären Traditionen.

Edelholz-Engel
Edelholz-Engel
Nach wie vor ist Dr. Sylva-Michèle Sternkopf beruflich oft auf Reisen, am häufigsten in England, mindestens einmal monatlich aber auch in Dresden. „Die Neustadt ist immer noch das Größte“, findet die Mutter von mittlerweile zwei Kindern. Töchterchen Lilly ist vier. Alle Verpflichtungen unter einen Hut zu bekommen, erfordert ein gutes Familienmanagement. Aber im Erzgebirge hat auch das eine lange Tradition. Schon im Elternhaus Sternkopf saßen die Kinder stundenlang in der Holzwerkstatt ihres Vaters. Die Liebe zur erzgebirgischen Holzkunst liegt also vermutlich im Blut. Trotzdem sind die 2006 kreierten „Erotischen Engel“ eher ein Zufallsprodukt: „Ich saß nachts mit meiner Schwester in der Küche und wir malten in Weinlaune Engelskizzen. Später buken wir sehr skurrile 3-D-Modelle aus Salzteig und stellten sie dem heutigen Geschäftsführer im ehemaligen Betrieb unseres Vaters, Gundolf Berger, vor.“ Er war es auch, der dabei half, den „Erotischen Engeln“ tatsächlich ins Leben zu verhelfen.

Dass die Sternkopf-Engel-Kollektion so begeistert aufgenommen wurde, erklärt sich Sylva-Michèle Sternkopf mit der völlig neuen, kreativen Form, die Anmut und Sinnlichkeit mit traditioneller erzgebirgischer Handarbeit verbindet. Seitdem verzaubern „Red Ruby“, „Black Beauty“, „Pure Nature“ und ihre Engelschwestern viele Weihnachtsfans. „Die Engel haben uns zwar überregional bekannt gemacht, aber unser Kerngeschäft bleibt die international ausgerichtete Werbe- und Übersetzungsagentur“, sagt Dr. Sylva-Michèle Sternkopf. Sprachkurse, Seminare, Übersetzungen und Werbetexte sind ihr Tagwerk. Zudem kümmert sie sich um Produktdesign und Marketingstrategien für die „Erotischen Engel“. Dass sie jemals wieder im Gymnasium unterrichtet, scheint unwahrscheinlich – obwohl ihr auch das viel Spaß gemacht hat.

Update 2020:
Seit Veröffentlichung des Artikels vor 12 Jahren hat sich im Hause Sternkopf viel getan. Aus den zwei Kindern sind mittlerweile vier geworden – damit hat sich Sylva Sternkopf ihren größten Lebenstraum erfüllt. Die Sternkopf-Engel sind weltweit erfolgreich, das Übersetzungsgeschäft brummt, dazu hat sich die Dr. Sternkopf media group als Marketingagentur einen Namen gemacht und betreut den Werbeauftritt vieler spannender Firmen aus ganz Sachsen. 2005 kaufte Sylva Sternkopf mit ihrem Mann die Villa Gückelsberg in Flöha, zog 2006 mit ihrer Agentur dort ein. Was eigentlich nur als Firmensitz gedacht war, hat sich zu einer der beliebtesten Hochzeits-Locations der Region entwickelt. Rund 100 Paare lassen sich jedes Jahr im historischen Salon der Villa oder im romantischen Pavillon unter freiem Himmel trauen. „Dass ich auch mal Wedding-Planner werden würde, hätte ich mir nie träumen lassen“, lacht die promovierte Anglistin. „Der Mix, den wir heute haben, klingt crazy – Hochzeiten, Engel, Werbeagentur und Übersetzungsbüro – und doch macht es aus der Entwicklung heraus absolut Sinn.“