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Von einem Maschinenbauingenieur, der zum Winzer wurde

Susann Mayer

Klaus Zimmerling hat eine Ausnahmestellung unter den sächsischen Winzern inne. Der studierte Maschinenbauer baut seit 1992 Weine unter streng ökologischen Maßgaben in Pillnitz an, schert sich nicht um die Prädikatierung und verkauft lieber unter dem Begriff „Landwein“. Dass es herausragende Spitzenweine sind, beurteilte nicht zuletzt der Weinpapst Johnson.

© Klaus Zimmerling bei der Weinlese
© Klaus Zimmerling bei der Weinlese
„Eigenwillig“ sei der Wein von Klaus Zimmerling, schreibt die Tagesspiegel-Autorin Susanne Kippenberger in einem Artikel, in dem der Sommelier Kreis über den sächsischen Weinbau und über den Pillnitzer Winzer Zimmerling sinniert. Über den ersten Ökowinzer in Sachsen, der von Hause aus Ingenieur ist und einen Wein keltert, der „Geschichten erzählt. Weil man schmecken kann, woher er kommt. Die Globalisierung hat zur Verarmung der Weinkultur geführt. Plötzlich schmeckt der Chardonnay überall gleich, ob er aus Kalifornien oder Australien kommt: wie eine Bombe. Der Wein aus Pillnitz ist nicht so plakativ. Der Wein von Zimmerling ist so eigenwillig wie der Winzer, der seinen Riesling, auch wenn er 14 Euro kostet, noch immer als Landwein vermarktet ...“

Landwein ist stark untertrieben, denn seine kleinen, aber feinen Abfüllungen sind auserwählte Schlückchen, die mittlerweile Eingang in Dresdner, Berliner und Leipziger Spitzenrestaurants gefunden haben. Aber es ist Zimmerling zu müßig, sich den Gesetzen der Weinbürokratie zu unterwerfen. Amtliche Prädikatierungen wie beispielsweise „Auslese“ oder „Kabinett“ geben den Oechslegrad (Mostgewicht) oder die prozentuale Sortenreinheit vor; außerdem wird verlangt, vorgeschriebene Mengen zu Labortests bereitzustellen. „Landwein“ hingegen ist solchen Reglementierungen nicht unterworfen. Zimmerling möchte die Maßstäbe selbst bestimmen. „Der Anspruch, den ich selbst an Wein stelle, muss nicht prädikatiert werden“, so die trockene Begründung. „Ich verkaufe nur Wein, der in erster Linie MIR schmeckt. Und die Kundschaft hat sich danach entwickelt.“ Nicht nur diese zollt ihm die nötige Aufmerksamkeit („mittlerweile kann ich vom Weinbau leben“), sondern auch Hugh Johnson, der Papst unter den Weinjournalisten, der ihm auserlesene Spitzenqualität bescheinigt.

Wer ist Klaus Zimmerling, der scheinbare Sonderling, der erst seit Beginn der 1990er-Jahre am Königlichen Weinberg vor allem Riesling anbaut?

Der 43-jährige Sachse stammt aus einem eher technisch geprägten Elternhaus. Den beruflichen Fußstapfen seines Vaters (Landmaschineningenieur) folgend studierte er Maschinenbau an der TU Dresden, arbeitete später als Konstrukteur. „Es war ein bewusst gewähltes Studium. Ich sah, dass es für viele Dinge bessere Lösungen in der äußeren Gestaltung und in den Funktionsprinzipien geben konnte, und wollte das umzusetzen.“ Bereits als Student probierte er sich mit Holunder- und Kirschweinen aus. „Schnell aber kam ich an eine Grenze und ich wollte gern richtige Traubenweine machen, allerdings nicht solche, die es damals zu kaufen gab“, blickt Zimmerling zurück.

Ende der 1980er-Jahre, noch in seiner Konstrukteurszeit, pachtete er sich 600 qm am Wachwitzer Weinberg und rebte ihn nach und nach auf. Diese Hobby-Winzerzeit war Experimentierzeit: Wie entwickeln sich Traminer, Grauburgunder und Riesling im Elbtal? Welche Reben bestehen am besten im unzuverlässigen Klima des nordöstlichsten Weinanbaugebietes Deutschlands? Wie keltert man einen guten Tropfen mit einfachster Kellertechnik? Der Autodidakt Zimmerling las sich einiges an und probierte vieles aus. Von Beginn an achtete er auf gewisse Autarkie: „Ich habe noch nie eine Traube aus der Hand gegeben, immer alles selbst ausgebaut; selbst wenn es nur Fünf-Liter-Ballons waren.“
Die Zeit der Glasballons ist lange vorbei. Heute gären in seinem Keller (direkt unter dem Schloss Pillnitz) Riesling, Gewürztraminer und Kerner in modernen Stahltanks. Aber auch Ausbauten im Holzfass, wie manche Jahrgänge des Kerners, finden sich hier.

Kerner wächst auch heute auf seinen 4,5-ha-Weinterrassen in Pillnitz. Versonnen blickt Zimmerling auf die Rysselkuppe, deren mineralischer Boden dem Wein seine typische Note gibt. Auf dieser Steillage hantiert er seit 1992, ohne chemische Düngung, stattdessen mit Pferdemist und Hornspänen. Auch Herbizide und Pestizide sind für ihn tabu: „Ich habe keine Lust, den Boden und meinen Körper zu vergiften.“ Grundlage für solch konsequent biologisches Wirtschaften legte 1989 ein Praktikum im Weingut Nikolaihof in Österreich. Historisch war das Jahr für ihn in mehrfacher Hinsicht: „Vor der Grenzöffnung hatte ich viele Pläne als Konstrukteur. Plötzlich gab es alles schon 100-fach; außerdem boten sich beruflich völlig neue Möglichkeiten. Zudem lernte ich kurz danach meine Frau kennen, die damals in Wien studierte. Also stand die Frage – Konstrukteur in Österreich oder lieber Arbeit auf einem Weingut?“

Zimmerling kündigte seinen Job in Dresden und verdingte sich im nächstgelegenen Weinanbaugebiet. In einem Jahr durchlief er alle Eigenheiten des Winzerdaseins mit dem Anspruch, ökologisch zu wirtschaften. Mit dem Erwerb seines Pillnitzer Weinberges 1992 konnte er all das umsetzen. Schon den ersten Jahrgang gab es im Verkauf, 3000 l kelterte er damals. „Ein Widerspruch zwischen meinem Studium und dem jetzigen Beruf sehe ich nicht. Gleich zu Beginn sagte ein Professor: ‚Studieren ist eigentlich nichts weiter also die Eigenschaft, selbständig Wissen zu erwerben und umzusetzen.‘ Genau das habe ich getan.“ Mit seinem Wissen keltert er heute nicht mehr als 8000 l, getreu seinem Motto „Klasse statt Masse“. Das heißt beispielsweise, dass wenig ertragversprechende Trauben zugunsten der besseren aussortiert werden – diese Handarbeit ist aufwendig. Vor allem bei einem Ein-Mann-Betrieb wie bei Zimmerling, der nach den ersten Jahren Anfängerglück in der Mitte der 1990er-Jahre eine Durststrecke zu überstehen hatte. „Damals zweifelte meine Frau Malgorzata sehr am Sinn meines Berufes. Vor allem dank ihrer Arbeit als Bildhauerin konnten wir das auch finanziell überstehen.“ Ihre Holzplastiken finden sich auf Zimmerlings Etiketten wieder, jedes Jahr eine neue. Ob Dank an das gegenseitige Verständnis oder die Verbindung von Kunst und Weingenuss, mag derjenige selbst entscheiden, der sich bei Zimmerling zur Weinprobe anmeldet und vielleicht noch mehr von der Geschichte des Ingenieurs erfährt, der zum Winzer wurde.