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Mein Studium in der DDR – persönliche Erlebnis- und ErfahrungsberichteSusann Mayer |
Wie studierte es sich in der DDR, unter den Bedingungen des „real-existierenden Sozialismus“? Wie (un-)frei waren Lehre und Forschung, welchen Repressalien unterlagen unangepasste Studenten und Forscher?
In einem Bericht zum Stand der Aufarbeitung der DDR-Diktatur betreffend des Geschichtsunterrichtes wird u.a. festgestellt, dass die Kenntnisse über diese Diktatur sehr mangelhaft sind. Zitat: „Die Zeitzeugenarbeit ist ein besonders wichtiges Instrument, um historisches Wissen, insbesondere zur Diktaturgeschichte, zu vermitteln.“ Zeitzeugen sterben naturgemäß aus. Gleichzeitig muss immer wieder eine gewisse Ignoranz, Verharmlosung und Verniedlichung bestimmter Geschehnisse in der DDR und dabei auch an den Universitäten und beim Studium festgestellt werden. Es besteht Handlungsbedarf, auch für uns.
Sie haben Zeitzeugen aufgerufen, Ihre individuellen Erlebnisse dazu aufzuschreiben. Was geschieht dann damit?
Wir wollen die Zeitzeugenberichte von renommierten Historikern wissenschaftlich begleiten lassen und nach Möglichkeit als Buch heraus bringen. Die Dokumentation soll bis Mitte 2016 stehen.
Das TUD-Absolventenreferat hat vor Jahren das Buch „Mit dem Motorrad durch den Zeuner-Bau herausgegeben“, in dem Absolventen den Leser an den Befindlichkeiten früherer Studentengenerationen teilhaben lassen. Welchen Unterschied gibt es zu Ihrem Projekt?
Das Buch ist im Wesentlichen eine unverzichtbare Sammlung lebensfroher und lebendiger Schilderungen von Studienerlebnissen ehemaliger TU-Studenten, das man mit Schmunzeln und einigem Vergnügen lesen kann. Die oft existentiell bedrohlichen Repressionen an der TUD, die nicht in wenigen Fällen zu Studienabbruch, Exmatrikulation und gar Westflucht führten, spielen jedoch dabei keine signifikante Rolle. Nach Erscheinen des Buches wurden gerade dazu konkrete Beispiele bekannt. Ich denke da beispielsweise an den Beitrag von Dr. Landrock (Seite 74 im genannten Buch) zu Prof. Simon. Den inzwischen eingesehenen Stasi-Akten zu Prof. Simon ist zu entnehmen, dass er aus dem engsten Mitarbeiterkreis an der TH bespitzelt, überwacht und bei der Stasi denunziert wurde. Wäre nicht sein Tod dazwischengekommen, wäre er wohl vom MfS verhaftet und in einem Schauprozess verurteilt worden. Das mag dem Autor damals nicht bekannt gewesen sein. Wenn Sie so wollen: Wir schließen an das genannte Buch an und wollen den Forderungen entsprechend mit Ergänzungen – den aktuellen Erkenntnissen entsprechend – zu einer erweiterten Sicht der Geschehnisse an der TUD und auch anderswo beitragen.
Wie viel Zeitzeugenberichte haben Sie bereits, und würden Sie sich über weitere freuen?
Wir haben über 50 Zeitzeugenberichte in Bearbeitung und sind an einer Ergänzung immer interessiert. Schließlich sind die persönlichen Erfahrungen sehr unterschiedlich und mit den bisher vorhandenen Berichten sind die Themenfelder (Beispiele: Auslandstudium und Berichte von Studentinnen, geisteswissenschaftliche und Kunstrichtungen) recht unterschiedlich oder nicht erfasst.
Danke für das Gespräch, Dr. Jork