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Wenn Essen zur Qual wird

Franziska Hagner/Susann Mayer

Essstörungen sind schwerwiegende Erkrankungen, die mit erheblichen psychischen und körperlichen Folgeschäden verbunden sind. Dabei zeigen Menschen mit einer Essstörung eine im Vergleich zu gesunden Menschen deutlich eingeschränkte Lebensqualität. Nun gibt es an der Professur für Klinische Psychologie und E-Mental-Health unter der Leitung von Frau Prof. Dr. Corinna Jacobi drei Online-Selbsthilfeprogramme für Betroffene.

Diese Programme beziehen sich thematisch auf die Prävention von Essstörungen bzw. auf die Unterstützung bei bereits entstandenen Essstörungen. Sie werden kostenfrei und in anonymisierter Form angeboten.

© D. Möbius; Detail eines Treppenhaus-Fensters von Richard Morgenthal im Deutschen Hygiene-Museum Dresden.
© D. Möbius; Detail eines Treppenhaus-Fensters von Richard Morgenthal im Deutschen Hygiene-Museum Dresden.
Die ambulante Behandlung von Essstörungen gilt als kompliziert und langwierig. Insbesondere ambulant tätige Psychotherapeuten haben daher häufig Vorbehalte gegenüber der Behandlung von Patienten mit Anorexia nervosa (Magersucht), Bulimia nervosa (Ess-Brechsucht), Binge Eating Disorder (Essattacken mit Kontrollverlust) und OSFED. So finden Betroffene schwer einen ambulanten Behandlungsplatz, insbesondere im ländlichen Raum. Hinzu kommt, dass abseits der Ballungszentren auch der persönliche Austausch von betroffenen Personen und ihren Angehörigen im Rahmen professioneller Beratungsangebote schwierig ist, ausreichende Unterstützung fehlt. Dies trägt dazu bei, dass bei den Betroffenen die Essstörung chronisch werden kann, und die Angehörigen stärker belastet sind als in Großstädten. Selbsthilfeangebote verkleinern diese Versorgungslücken und können das Ausmaß der psychischen Beanspruchung zu reduzieren.
Lange Zeit konnten Angehörige und Betroffene vor allem auf Selbsthilfeliteratur zurückgreifen, wenn sie sich über das jeweilige Krankheitsbild informieren wollten. Zunehmend mehr Online-Selbsthilfe-Angebote machen es möglich, Hilfsangebote zu nutzen - unabhängig vom eigenen Wohnort oder zeitlicher Beschränkungen durch die eigene Arbeitstätigkeit.

Psychologen der TU Dresden bieten nun drei Programme an, um Menschen mit Essstörungen und deren Angehörigen zu versorgen.


EveryBody – Körperzufriedenheit für jede Frau
(Für alle volljährigen Frauen, die unzufrieden mit ihrem Gewicht oder ihrer Figur sind, jedoch noch keine Essstörung entwickelt haben.)

Viele Frauen beschäftigen sich häufig mit ihrer Figur und ihrem Gewicht, probieren Diäten aus oder sind unzufrieden mit ihrem Körper. Aber wie ist es möglich, einen unbeschwerten Umgang mit Ernährung und dem eigenen Körper zu finden, ohne das ständige Gefühl, Diät halten oder sich Sorgen über das Gewicht machen zu müssen? Das Online-Programm „everyBody“ beschäftigt sich mit Themen wie ausgewogener Ernährung und Bewegung und hilft, die Zufriedenheit mit dem eigenen Körper zu stärken sowie das Selbstwertgefühl zu fördern. Anhand eines Fragebogens wird everyBody an die jeweilige Situation der Frau angepasst. Das  Programm besteht aus vier bis zwölf Sitzungen.

© H. Goehler; An der TUD gibt es jetzt drei Online-Selbsthilfeprogramm für von Essstörungen Betroffene
© H. Goehler; An der TUD gibt es jetzt drei Online-Selbsthilfeprogramm für von Essstörungen Betroffene

everyBody Plus – Wartezeit sinnvoll nutzen
(Für alle volljährigen Frauen, die an einer Essstörung mit Essanfällen leiden und auf der Warteliste für eine ambulante Psychotherapie stehen bzw. eine ambulante Psychotherapie anstreben.)

Das Programm soll im Vorfeld einer Psychotherapie Grundlagen zum besseren Krankheitsverständnis vermitteln. Studien ergaben, dass es Frauen mit einer Essstörung langfristig besser geht, wenn es ihnen frühzeitig gelingt, Essanfälle und gegensteuernde Maßnahmen (z.B. Erbrechen) zu reduzieren. Durch lange Wartezeiten auf einen Therapieplatz haben Betroffene es aber oft schwer, eine frühzeitige Besserung zu erreichen. Ziel des Programms ist es, betroffenen Frauen zu ersten Erfolgen hinsichtlich Essverhalten und Körperbild zu verhelfen.

Nach dem Ausfüllen einer Eingangsbefragung werden die Teilnehmerinnen einer Programmgruppe zugeordnet. Ihnen steht ein wöchentliches Symptomtagebuch zur Beobachtung ihres  Essverhalten zur Verfügung, und sie nehmen am achtwöchigen Programm teil. Dabei werden ihnen detaillierte Informationen, Gedankenexperimente und Übungen angeboten. Soe können sie die eigene Essstörung besser verstehen und auf Essanfälle und gegensteuerndes Verhalten zu verzichten.

WE CAN – Den Teufelskreis Magersucht gemeinsam durchbrechen
(Für Angehörige und Freunde von Menschen mit Magersucht.)

Angehörige von Menschen mit Magersucht (Anorexia nervosa) spielen eine bedeutsame Rolle im Heilungsprozess, geraten dabei jedoch oft an ihre Grenzen und entwickeln häufig selbst psychische Beschwerden (Ängste, Schuldgefühle, Depressionen, Suchterkrankungen). Das achtwöchige Programm WE CAN zielt einerseits darauf ab, die Fürsorgefähigkeiten der Angehörigen und so den Umgang mit der erkrankten Person zu verbessern. Außerdem werden sie darin unterstützt, ihre eigenen Bedürfnisse wieder wahrzunehmen und so ihr eigenes Wohlbefinden zu steigern. Sie erhalten Informationen und Tipps zu Themen wie: Ursachen und Symptome von Magersucht, Kommunikation mit der erkrankten Person oder auch Risiken und körperliche Folgeschäden.

Die Teilnehmer werden kontinuierlich durch das Programm geführt und können sich mit anderen Betroffenen in programminternen Chats austauschen. Darüber hinaus erhalten alle Teilnehmer kostenloses Informations- und Arbeitsmaterial.
 

© H. Goehler; Essstörungen sind schwerwiegende Erkrankungen
© H. Goehler; Essstörungen sind schwerwiegende Erkrankungen