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ScaDS.AI – Zentraler Anlaufpunkt für Big Data- und KI-Forschung

Dagmar Möbius

Das seit 2014 bestehende Big-Data-Kompetenzzentrum Dresden/Leipzig ist seit Ende 2019 eins von fünf Zentren für Künstliche Intelligenz (KI), die im Rahmen der KI-Strategie des Bundes gefördert werden. Das Center for Scalable Data Analytics and Artificial Intelligence (ScaDS.AI Dresden/Leipzig) wird von den Professoren Wolfgang E. Nagel (Inhaber der Professur für Rechnerarchitektur der Fakultät Informatik der TU Dresden) und Erhard Rahm (Lehrstuhl Datenbanken, Universität Leipzig) koordiniert.

© Archiv TUD; Dr. René Jäkel führt die Geschäfte des ScaDS.AI Dresden/Leipzig
© Archiv TUD; Dr. René Jäkel führt die Geschäfte des ScaDS.AI Dresden/Leipzig
Dr. René Jäkel ist Geschäftsführer von ScaDS.AI Dresden/Leipzig und am Zentrum für Informationsdienste und Hochleistungsrechnen (HPC) an der TU Dresden tätig. Kontakt-online sprach mit ihm.

Was haben Sie studiert und was ist Ihre Hauptaufgabe im ScaDS.AI-Servicezentrum?
Ich habe Physik mit Schwerpunkt Kern- und Teilchenphysik in Dresden studiert und zur Mesonenproduktion in Antiproton-Proton-Reaktionen geforscht. Hauptschwerpunkt war dabei die Entwicklung eines neuen Detektorsystems für neue physikalische Experimente. An das ZIH bin ich nach meiner Promotion gewechselt. Heute besteht meine Hauptaufgabe in der wissenschaftlichen Koordination des Servicezentrums von ScaDS.AI Dresden/Leipzig. Als zentrale Anlaufstelle für Anfragen an das Kompetenzzentrum koordiniert das Servicezentrum die anwendungsspezifische Entwicklung zur Umsetzung von Big-Data-Lösungen durch die verschiedenen Partner und leitet spezielle Anfragen an die jeweiligen Experten innerhalb von ScaDS weiter. Oftmals startet mit der Kontaktaufnahme ein Prozess des Austauschs, der die Fragestellung näher analysiert und erst in diesem Zuge wird ein Lösungsvorschlag erarbeitet. Aus entwickelten Lösungen werden, wenn möglich, neue allgemeine Services und Entwicklungen abgeleitet, die dann für weitere mögliche Nutzungsszenarien zur Verfügung gestellt werden können.

Was hat sich mit der Erweiterung des seit 2014 bestehenden Big-Data-Kompetenzzentrums Dresden/Leipzig zum ScaDS.AI verändert?
Durch die größere Themenvielfalt und die hinzugekommenen Partner kommen neue Forschungslinien in das Zentrum. Spannend wird es sein, mit dem Ausbau Richtung KI die Big-Data- und KI-Forschung auf den verschiedenen Anwendungsgebieten in der nahen Zukunft noch näher zusammenzubringen und Lösungen mit den Anwendungspartnern zu entwickeln.

Wie viele Mitarbeitende sind derzeit in Dresden und Leipzig involviert?
Mit dem laufenden Ausbau zu einem Zentrum für Big Data und KI werden an beiden Standorten nun jeweils ca. 20 Mitarbeiter direkt tätig sein. Daneben haben sich weitere Projekte entwickelt, in denen weitere Forschungsteams mit den Kollegen des Kompetenzzentrums eng thematisch zusammenarbeiten.

Was ist Ihre wichtigste aktuelle Aufgabe?
Derzeit läuft der Ausbau des Zentrums mit der Ausschreibung von neuen Professuren an den beiden Universitäten Leipzig und TU Dresden. Insgesamt sollen noch in diesem Jahr acht neue Professuren in den Bereichen KI und Big Data ausgeschrieben werden, die dann ihrerseits neue Forschungsrichtungen im Zentrum etablieren werden. Der thematische Aufbau und die Anbindung und Verfügbarmachung der neuen Forschungsrichtungen für die Anwendungsgebiete wird uns noch eine Weile beschäftigen.

Lässt sich sagen, wie ein typischer Arbeitstag bei Ihnen aussieht?
Normalerweise stehen koordinierende Aufgaben an, die viel Kommunikation zwischen den Partnern beinhalten. Neben den notwendigen Abstimmungen zwischen den Partnern zur Umsetzung der Arbeiten beschäftigen wir uns auch mit der Weiterentwicklung von Forschungsansätzen. Insbesondere das Testen von unterschiedlichen Verfahren für konkrete Fragestellungen auf den Hochleistungsrechnern ist einerseits aufwändig, andererseits auch sehr spannend, um Vorteile unterschiedlicher Verfahren zu erkennen und auf andere Anwendungsfälle anwenden zu können. Im KI-Bereich ist in der Community im Moment sehr viel Dynamik und es haben sich erst wenige allgemeingültige Ansätze durchgesetzt, die immer noch auf den jeweiligen Anwendungsfall aufwändig angepasst und untersucht werden müssen. Gerade dabei ist das enge Zusammenspiel zwischen Anwendern und Informatikern wichtig und macht die Arbeit sehr interessant.

Das Servicezentrum bietet Einführungen in die Big-Data- und HPC-Dienste an. Wie zufrieden sind Sie mit der Nutzung?
Einführende Dienste sind immer nur ein erster Schritt, um damit neue Forschung zu ermöglichen. Potenzielle neue Nutzer kommen mit sehr verschiedenen Vorstellungen und Anfragen. Eine grundlegende Einführung in Big Data und High Performance Computing (HPC) ist oft nur der Start in neue Projekte. Konkrete Forschungsanfragen mit einer speziellen Problemstellung lassen sich nicht mehr durch Einführungsangebote lösen. Hier sind intensive Gespräche zur Problembeschreibung und Entwicklung eines Lösungsansatzes notwendig, der dann über einen längeren Zeitraum begleitet wird, sodass gemeinsam eine Lösung erarbeitet werden kann.

© R. Gommlich; HPC-System im Rechenzentrum der TUD
© R. Gommlich; HPC-System im Rechenzentrum der TUD
Gemeinnützige Institutionen können bei Ihnen Rechenressourcen am Hochleistungsrechner beantragen. Für wen kann das sinnvoll sein, gibt es bereits Nutzende?
Im Forschungsbereich gibt es momentan schon viele laufende Projekte auf dem Hochleistungsrechner. Dabei reicht das Spektrum von Simulationsrechnungen bis zu explorativen und datengetriebenen Studien im Bereich Maschinelles Lernen. Wir entwickeln ja auch die Rechnersysteme konstant weiter, so dass verschiedene Ansätze durch die Nutzenden auf ihre jeweilige Fragestellung angewandt werden können. Im Moment werden in vielen Fachgebieten Methoden des Maschinellen Lernens erprobt, die explorativ und nicht modellgetrieben Datenanalyse betreiben. Mit zunehmenden Daten steigt der Rechenaufwand. Ohne größere Rechnersysteme könnte dieser nicht mehr effizient abgearbeitet werden. Dadurch ist in den meisten Wissenschaftszweigen die Nutzung von HPC mittlerweile unumgänglich, um wissenschaftlich konkurrenzfähig zu bleiben.

Was ist aus Ihrer Sicht die derzeit größte Herausforderung des Zentrums?

Die thematische Weiterentwicklung von einem Big Data orientierten Zentrum in eines, das die Forschungsbereiche Big Data und KI miteinander verbindet, ist derzeit unser wichtigstes Ziel.

KI-Anwendungen werden in der Medizin zur besseren Erkennung von Tumoren oder zur Aufdeckung von Hacker-Angriffen erforscht. Was leistet die TU Dresden im Hinblick auf Künstliche Intelligenz?

Die TU Dresden engagiert sich an der Ausgestaltung und Weiterentwicklung im Bereich KI. In Abstimmung mit dem Land Sachsen wird der Prozess zur Etablierung von aktuell vier neuen KI-Professuren an der Informatik schnellstmöglich vorangetrieben. Es ist auf dem Arbeitsmarkt keine einfache Sache, international ausgewiesene Experten nach Dresden zu holen. Dieser Prozess wird helfen, neue Forschungsrichtungen auch im Hinblick auf anwendungsnahe Unterstützung zu etablieren. Andererseits gibt es an der TU Dresden schon langjährige Spitzenleistungen im Bereich der Wissensrepräsentation, die international führend sind. Wir wollen diesen Themen im Zentrum einen Rahmen geben, um Forschungsaktivitäten noch besser verbinden zu können.

Was erscheint Ihnen im Hinblick auf Absolventen als Multiplikatoren erwähnenswert?

Im Rahmen des Zentrums haben wir schon insgesamt fünf Sommerschulen zu den Themen Big Data und Maschinelles Lernen durchgeführt. Alle wurden gut angenommen. Momentan bereiten wir die sechste Version vor, die diesmal in Leipzig stattfinden wird. Solche Veranstaltungen sind für die Teilnehmenden immer ein idealer Rahmen, um mit international ausgewiesenen Experten ins Gespräch zu kommen und sich innerhalb der Forschungscommunity auszutauschen. Auch gerade für ScaDS.AI als Veranstalter ergeben sich immer wieder neue spannende Themen aus solchen Diskussionen.

© Archiv ScaDS; Bei der Eröffnung des KI-Zentrums ScaDS.AI Dresden/Leipzig.AI, v.l.n.r: Rektorin Prof. B. Schücking, Rektor Prof. H. Müller-Steinhagen, Staatsministerin Dr. E. Stange, Prof. Erhard Rahm, Prof. W. Nagel, Prorektor Prof. T. Lenk
© Archiv ScaDS; Bei der Eröffnung des KI-Zentrums ScaDS.AI Dresden/Leipzig.AI, v.l.n.r: Rektorin Prof. B. Schücking, Rektor Prof. H. Müller-Steinhagen, Staatsministerin Dr. E. Stange, Prof. Erhard Rahm, Prof. W. Nagel, Prorektor Prof. T. Lenk