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Der Job ist mein Hobby

Dagmar Möbius


Daniel Woithe bezeichnet sich selbst als Vollblutinformatiker. Heute arbeitet der 39-Jährige bei der Deutschen Bahn und sorgt mit dafür, dass Vorgänge von der Essensbestellung im ICE über die Wartung von Zügen bis zu umweltfreundlicherem Fahren digitaler werden. Ein Schwerpunkt seiner Tätigkeit ist die IT-Sicherheit. Die faszinierte ihn schon zu Studienzeiten.

© privat; Diplom-Informatiker Daniel Woithe ist seit 2012 als IT Security Architect bei der DB Systel GmbH tätig.
© privat; Diplom-Informatiker Daniel Woithe ist seit 2012 als IT Security Architect bei der DB Systel GmbH tätig.
Als Sohn zweier Mathematiker, die in der Informatik arbeiteten, kam Daniel Woithe schon als Kind mit Informationstechnologie in Berührung. „Anfangs am KC85-3 – dem C64 der DDR.“ Sehr früh baute er eigene Rechner und versuchte, das Innere der Geräte zu verstehen. Als in den Nachwendejahren Telefonleitungen noch Mangelware waren, entdeckte der gebürtige Erfurter mit dem ersten Modem die Welt der Onlinedienste und Mailboxen. „Ich ließ die Telefonrechnung meiner Eltern explodieren“, lacht er. Sein Interesse an MINT-Fächern wurde erkannt und gefördert. Bis zum Abitur 1999 besuchte Daniel Woithe einen Spezialschulteil für Mathematik/Naturwissenschaften mit hohem Informatik-Anteil. Dieses Wissen wollte er im Studium vertiefen. „Die Entscheidung dafür fiel kurz vor dem Ende der Dot-Com-Blase, der IT-Fachkräftemangel war in aller Munde und die große Karriere schien vorprogrammiert“, erzählt er schmunzelnd.

Von 2000 bis 2005 studierte Daniel Woithe an der TU Dresden Informatik auf Diplom, mit Nebenfach BWL. Der Blick auf die Schönheit der Stadt, die vielen Veränderungen („damals war der Aufbau der Frauenkirche noch am Anfang“), die Vielzahl der Ausbildungsinhalte und „sicherlich das bunte studentische Leben“ waren wesentliche Faktoren für die klare Wahl des Studienortes.

Bereits im Studium begeisterte sich Daniel Woithe für die Themen Datenschutz und IT-Sicherheit. Professor Andreas Pfitzmann († 2010) hatte einen entscheidenden Anteil daran. „Und das zu einer Zeit, als Cyber Security noch kein Thema in den Lehrplänen der Universitäten war.“ Die Breite und Tiefe der Ausbildung lobt der Informatiker noch heute. Er sagt: „Das technische Verständnis für viele Aspekte der Informatik hilft mir heute noch, sowohl ältere IT-Systeme, von denen es bei der Deutschen Bahn immer noch reichlich gibt, aber auch neue Konzepte zu verstehen und neugierig auf neue Entwicklungen zu sein.“ Der Fundus an kaufmännischem Wissen aus dem BWL-Studium ist ein guter Kompass, um sich im Zahlenwerk eines Großkonzerns zurecht zu finden.

„Das Studium war damals von vielen Freiheiten geprägt, aber auch anspruchsvoll. Sehr früh lernte man Organisationsgeschick beim Zusammenstellen der besten Lehrveranstaltungen und Lerngruppen sowie beim Absolvieren einiger herausfordernder Praktika.“ Ein klares Plus für selbstständiges Arbeiten und Problemlösungskompetenz.

Neben dem Studium arbeitete Daniel Woithe in der Kunden- und Besucherbetreuung der „Gläsernen Manufaktur“. „Das war ein guter Ausgleich zum eher technisch geprägten Studium. Ich konnte viele Erfahrungen in Rhetorik, Marketing, Öffentlichkeitsarbeit sowie Zusammenarbeit in Teams sammeln“, erzählt er.

Berufsperspektivisch lockte ihn die klassische IT-Beratung. Doch es kam anders. Gegen Ende des Studiums hatte sich Daniel Woithes Interessensschwerpunkt zum Thema IT-Sicherheit verlagert. Seine Diplomarbeit schrieb er über Security-Aspekte von Rechnernetzen. Eine Bewerbung beim Wunscharbeitgeber, einem großen IT-Beratungshaus, scheiterte. „So fing ich über Umwege als IT-Security-Trainee bei einem großen Dienstleister der Branche an und sammelte erste Praxiserfahrungen.“ Über sieben Jahre war er anschließend als Berater für IT-Sicherheit, Projektleiter und Technologie-Experte in ganz Deutschland unterwegs. „Ich lernte hunderte Kunden kennen und testete unzählige Kantinen.“

© Oliver Lang (DB); Digitalisierung und handwerkliche Tätigkeiten ergänzen sich sinnvoll.
© Oliver Lang (DB); Digitalisierung und handwerkliche Tätigkeiten ergänzen sich sinnvoll.
2012 wechselte Daniel Woithe zur DB Systel, dem IT-Bereich der Deutschen Bahn. Das komplexe Umfeld mit vielen Herausforderungen und einer hohen Dynamik durch Digitalisierung motivierten ihn. Aktuell arbeitet er als „Product Owner“ im Bereich Identity & Access Management. Eine deutsche Entsprechung gibt es für die Stellenbeschreibung nicht. „Ich bin dafür verantwortlich, dass über 200.000 Angestellte der Deutschen Bahn sicher mobil arbeiten können, auf ihre betrieblichen Anwendungen komfortabel zugreifen können sowie Netze, Anwender und Daten vor Angriffen geschützt werden“, beschreibt er. Zudem werden Kundenbedarfe analysiert, IT-Sicherheitsleistungen erbracht und strategisch weiterentwickelt. Über 40 Mitarbeitende in fünf Teams führt er fachlich. Der Personalbedarf wächst. „Wir haben 2019 im Bereich der IT-Sicherheit zehn Nachwuchskräfte frisch von der Universität eingestellt, davon vier Frauen. Die Frauenquote ist immer noch niedrig, aber das ändert sich gerade.“ Die Arbeit im agilen Arbeitsumfeld, ein hohes Maß an Eigenverantwortung und den Gestaltungsspielraum lobt er: „IT-Security ist mittlerweile Thema im Vorstand jedes Großunternehmens. Die Digitalisierung dringt in alle Bereiche vor.“

Konkret heißt das: Viele Papierprozesse werden auf IT-basierte Systeme umgestellt, alle Mitarbeiter nutzen Smartphones und Tablets. „Geht im ICE das Essen aus, wurde es früher manuell bestellt. Heute gibt es Kassensysteme, die automatisch nachbestellen“, nennt er ein Beispiel. Wie ist es beim leidigen Thema Verspätungen? „Züge müssen regelmäßig gewartet werden. Die Prozesse waren früher papiergetrieben. Heute haben die Mitarbeiter der Instandhaltung ein Tablet, um Arbeitsabläufe zu steuern. Fallen diese aus, muss auf den Papierprozess gewechselt werden. Das dauert natürlich länger und verzögert die Bereitstellung.“ Andere Systeme unterstützen den Triebfahrzeugführer beim energiesparenden Fahren und tragen so zum Umweltschutz bei.

© Thomas Herter (DB); Der DB Navigator ist die Nummer eins der Reise-Apps im App Store. Im Jahr 2019 wurden 45 Millionen Tickets mobil verkauft.
© Thomas Herter (DB); Der DB Navigator ist die Nummer eins der Reise-Apps im App Store. Im Jahr 2019 wurden 45 Millionen Tickets mobil verkauft.
Funktioniert die Ticketbuchung nicht, ärgert das nicht nur potenzielle Fahrgäste, sondern auch Daniel Woithe und seine Teams. An einen eigenen Fehler kurz nach seinem praktischen Berufseinstieg erinnert er sich: Mitarbeiter einer Bank konnten deshalb einen gesamten Vormittag nicht arbeiten. „Da rutscht einem das Herz in die Hose“, gesteht er. Die Panne wurde kreativ behoben und der Informatiker lernte, mit Fehlern umzugehen. Die offene Fehlerkultur bei seinem jetzigen Arbeitgeber schätzt er. Gegenseitiges Feedback ist wichtig für den Bahnfahrer aus Überzeugung. Mindestens einmal wöchentlich ist er dienstlich mit dem Zug unterwegs. Das Auto nutzt er nur noch selten. Nachhaltigkeits- und Klimagründe waren mit schuld daran, dass sich Daniel Woithe bewusst entschied, bei der Deutschen Bahn in Frankfurt am Main zu arbeiten. Arbeitsequipment Nummer eins ist der PC. „Ich bin immer erreichbar“, sagt der 39-Jährige. „Der Job ist mein Hobby. Ich bin Informatiker mit Leidenschaft.“

Die gab er bereits an Studierende weiter. „Durch eine Hochschulpartnerschaft meines Arbeitsgebers mit der Fakultät für Verkehrswissenschaften der TU Dresden konnte ich als Gastdozent im Modul ‚Spezielle Verkehrstelematik-Netze und -Dienste‘ (PD Dr.-Ing. Stephan Baumann) zwischen 2016 und 2018 den Studenten Einblicke in die IT-Sicherheit und Netze der Deutschen Bahn geben und gleichzeitig erneut das Ambiente der Stadt genießen.“