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Mit Leidenschaft für Lieblingsmarken

Dagmar Möbius

Im Nachwendejahr 1990 studierte Ivo Reuter zunächst Mikroelektronik. Nach einem Hinweis eines Professors wechselte der gebürtige Dresdner zur TU Dresden und entwickelte im BWL-Studium eine emotionale Affinität zu Lebensmitteln. Die hält seit mehr als 25 Jahren an. Heute ist der 50-jährige Manager unter anderem für die Digitalisierung und Kundenservice der Rotkäppchen-Mumm Unternehmensgruppe zuständig.

© Sascha Venturi / vntr media GmbH; Ivo Reuter digitalisiert den Vertrieb bei der Rotkäppchen-Mumm Sektkellereien GmbH in Eltville
© Sascha Venturi / vntr media GmbH; Ivo Reuter digitalisiert den Vertrieb bei der Rotkäppchen-Mumm Sektkellereien GmbH in Eltville

„Gerade zum Jahresende muss alles passen – Sekt, Wein und auch Spirituosen wollen alle zu den Feiertagen auf dem Tisch haben.“ lacht Ivo Reuter entschuldigend. In der Vorweihnachtszeit einen Gesprächstermin mit ihm zu vereinbaren, war nicht ganz einfach. Seit einem Jahr ist der Betriebswirtschaftler als Senior Manager Consumer Service im Geschäftsbereich Direct-to-Consumer der Rotkäppchen-Mumm Sektkellereien GmbH in Eltville tätig. Hier konzipiert er einen einheitlichen Mitarbeiterverkauf und baut ihn auf, entwickelt neue Vertriebskonzepte und begleitet Kooperationen mit externen Partnern. Ein großer Schwerpunkt heißt „Digitalisierung 2.0“. Gerade hat er ein Weinfachgeschäft im hessischen Eltville am Rhein projektiert, digital und echt.

Seine ursprünglichen Berufspläne hatten etwas anderes vor. „Ich studierte Mikroelektronik /Technologie mikroelektronischer Bauelemente an der TU Chemnitz, die damals noch TU Karl-Marx-Stadt hieß“, erzählt er. „1990 änderte sich vieles. Eines Tages gab mir ein Professor zu denken, als er sagte, dass die berufliche Zukunft der Branche in Asien liege. Ich solle prüfen, ob das für mich richtig ist.“ Ivo Reuter ist heimatverbunden und konnte sich das nicht vorstellen. Wirtschaftliche Themen interessierten ihn schon immer. „Ich hätte vor 1989 zwar nie Sozialistische Ökonomie studiert, aber die sich nun eröffnende Vielfalt und die große Flexibilität des Fachs brachten mich zum BWL-Studium an die TU Dresden und damit in meine Heimatstadt zurück.“ Bis zum Studienbeginn probierte er sich ein Jahr in verschiedenen Jobs aus: als Laborant für Medienkontrolle und als Praktikant auf Hotelschiffen.

An seine Studienjahre zwischen 1992 und 1998 erinnert sich Ivo Reuter heute noch gern. „Die Uni hatte gerade eine Kooperation mit Bamberg gestartet. Viele Professoren kamen an die TU Dresden und lehrten modern und zeitgemäß. Das war eine coole Zeit.“ Seine Schwerpunkte waren Marketing, marktorientierte Unternehmensführung und Verkehr & Logistik. An die Hochschullehrer Prof. Müller, Prof. Töpfer und Prof. Kummer erinnert er sich besonders gern. „Die haben uns vieles beigebracht, was damals so sicher nicht im Lehrplan stand: Präsentationen, praktische Aspekte, Networking. Zwei Studienreisen nach Frankreich inklusive.“ Zur Verteidigung seiner Diplomarbeit über „Prozesskostenrechnung als Instrument zur Effizienzpotenzialermittlung bei Efficient Consumer Responce“ kam der betreuende Professor Sebastian Kummer zu Ivo Reuters Arbeitgeber nach München gereist, wo sein Diplomand als Trainee bei der Tengelmann GmbH beschäftigt war und zwischen 1998 und 2001 Stationen als Einkäufer und Vorstandsassistent absolvierte.

© H. Goehler; Moritz und Julius Kloss gründeten 1856 gemeinsam mit Carl Foerster in Freyburg/Unstrut eine Weinhandlung - der Beginn von Rotkäppchen, Deutschlands beliebtester Sektmarke.
© H. Goehler; Moritz und Julius Kloss gründeten 1856 gemeinsam mit Carl Foerster in Freyburg/Unstrut eine Weinhandlung - der Beginn von Rotkäppchen, Deutschlands beliebtester Sektmarke.
Den Einstieg in die Lebensmittelbranche wählte Ivo Reuter bewusst. „Aus Leidenschaft“, sagt er. „Ich könnte auch Autoersatzteile vertreiben, aber dazu habe ich keinen emotionalen Bezug.“ Zu Fruchtsaft, Eis und Pizza und jetzt Sekt und Wein aber auf jeden Fall. Für Eckes granini Deutschland, Nestlé Deutschland und seit 2015 in verschiedenen Managementpositionen für Rotkäppchen-Mumm konnte er sich bereits beweisen. Über Marken oder auch „love brands“ kann der Manager mitreißend erzählen. „Sie sind das Wertvollste, was wir haben.“ Aktuelles Beispiel ist der erstmals 2020 auf dem Markt eingeführte Glühwein von Rotkäppchen. Die Kernkompetenz des Unternehmens liegt bekanntlich bei Sekt. Rund 60 Prozent Marktanteil haben die Schaumweine der verschiedenen Marken der Rotkäppchen-Mumm Sektkellereien in Deutschland. Die Idee zum Glühwein gab es schon lange. „Aber erst wenn ein Konzept ausgereift ist, kommt ein neues Produkt in den Handel. Das hat der Rotkäppchen-Glühwein offenbar geschafft. Vielerorts war er Ende November ausverkauft. Eine Nachproduktion wurde initiiert. Für alle, die 2020 keinen Rotkäppchen-Glühwein probieren konnten, bleiben als Alternative die neuen Fruchtsecco-Wintersorten und die Aussicht auf das nächste Jahr.

Vernetzung ist ein Dauerthema für den Vertriebsprofi. Nicht nur beruflich. Bereits in der Studienzeit engagierte sich Ivo Reuter ehrenamtlich. Von 1992 bis 1996 war er bei AIESEC e.V., einer weltweit tätigen Studierendenvereinigung – 1995 sogar als Präsident des Lokalkomitee in Dresden. Aus einer Kooperation mit Sachsen hilft Kroatien e.V. gründete er 1993 gemeinsam mit 7 anderen Studenten den Deutschen Nothilfe-Dienst e.V. und war bis 1999 im Vorstand tätig. Der Verein organisierte zahlreiche Hilfsaktionen und -transporte in die vom Jugoslawien-Krieg geschädigte Region. „Diese Erfahrungen haben mich sehr geerdet“, sagt er. „Worüber wir uns in Deutschland aufregen, wird schnell relativ, wenn man daran denkt, wie schnell sich das Leben ändern kann und wie sich Trennungen und Traumata auswirken.“ In den letzten Jahren ruht der Verein aus beruflichen Gründen. Mit vielen Weggefährt*innen aus Studium, Ehrenamt und Beruf steht Ivo Reuter nach wie vor im Kontakt. Einer seiner heutigen Kollegen, Uwe Birke, studierte übrigens auch an der TUD und ist jetzt Chief Information Officer bei Rotkäppchen-Mumm – das verbindet.

© H. Goehler; Die rote Kapsel der Freyburger Sekte wird 1894 zum Namensgeber, 2019 wurden 193,4 Millionen Flaschen Rotkäppchen verkauft, das ist die Hälfte des deutschen Sektmarktes.
© H. Goehler; Die rote Kapsel der Freyburger Sekte wird 1894 zum Namensgeber, 2019 wurden 193,4 Millionen Flaschen Rotkäppchen verkauft, das ist die Hälfte des deutschen Sektmarktes.